Dennoch kann es eine Lüge sein, denn es ist kaum glaublich, daß ein Tischgenosse Karls dem Feinde seinen Namen nennt und zu einem Mädchen um Lösung sendet.«
»Nein, nein, Mutter, so war es nicht!« rief Palma und erzählte den Vorgang.
»Ein eitles Weib, dem ein Leben feil ist für einen Schmuck, das hat mehr Sinn«, meinte die Richterin. Sie schien zu überlegen. Dann warf sie einen Blick auf das Geschmeide. »Ich will den Höfling mit Byzantinern lösen«, sagte sie.
»Das steht nicht in meinem Auftrag und würde der Rosmunde schlecht gefallen.«
»Dann tue ich es nicht.«
»Auch gut«, grinste Rachis. »So lässest du eben den Wulfrin umkommen. Du magst deine Gründe haben. Ganz wie du willst.«
»Das willst du nicht, Mutter!« jammerte Palma und stürzte auf die Kniee.
»Nein, das will ich nicht«, sprach die Richterin mit nachdenklichen Brauen. »Warum auch? Nimm das Zeug!« und Rachis war weg.
Das jubelnde Mädchen fiel der Mutter um den Hals und bedeckte den strengen Mund mit dankbaren Küssen. Dann raubte sie ihr den kriegerischen Helm so ungestüm, daß die Flechten des schwarzen Haares sich lösten und niederrollend dem entschlossenen Haupte der Richterin einen jugendlichen und leidenden Ausdruck gaben. Die nicht enden wollende Freude Palmas ermüdete endlich die Richterin. »Geh schlafen, Kind«, sagte sie, »es dunkelt.«
»Schlafen? Wer könnte das, bis Wulfrin ruft?«
»So wirf dich wie du bist auf das Polster. Was gilt's, ich finde dich schlummern? Zu Bette, Hühnchen! husch! husch!« und sie klatschte in die Hände.
Palma flog die Stiege hinauf und die Richterin wendete sich zu Rudio ihrem Kastellan, der schon eine Weile ruhig harrend vor ihr stand. »Was meldest du?« fragte sie.
»Eine Albernheit, Herrin. Ich sah die Tür zu unserm Kerker sperrangelweit offen. Freilich hatte ich sie nicht verriegelt, da gerade niemand sitzt. Ich steige hinab und auf dem Stroh liegt ein Geschöpf, das ich in der letzten Helle mir nur mühsam enträtsle. Es war die Faustine, welche, wie du dich erinnerst, mit deiner Erlaubnis ihr Kind die Brunetta einem Lombarden, einem leidlichen Manne, den du auf mein Fürwort unter deinem Gesinde duldetest, zum Weibe gegeben hat. Jetzt da das fremde Volk wandert, hat auch ihr Kind sein Bündel geschnürt und das muß sie irre gemacht haben. Sie hat sich eine Hand in den Kettenring gezwängt und ist übrigens guten Mutes. ›Meister Rudio‹, redete sie zu mir, ›wetze dein Beil am Schleifstein und tue mir morgen nicht weher als recht ist.‹ Ich schelte sie und will ihr den Arm aus der Fessel ziehen. ›Welche Posse!‹ sage ich, ›du bist ja die ehrliche Armut am Rocken und im Rübenfeld, die ihr Kind rechtschaffen großgezogen hat. Hier ist nicht dein Ort. Mit deinesgleichen habe ich nichts zu tun.‹ Sie sperrte sich und sagte: ›Das weißt du nicht, Rudio. Geh und rufe die Richterin. Die wird das Garn schon abwickeln und mir armem Weibe geben, was mir gehört.‹ Sollte ich die Törin zerren? Du steigst wohl hinab und bringst sie zurecht.«
Die Richterin hieß Rudio eine Fackel anbrennen und ihr vorschreiten. In dem tiefen Gelasse saß ein gefesseltes Weib, das der Kastellan beleuchtete. Auf einen Wink der Herrin steckte er den brennenden Span in den Eisenring und ließ die Frauen allein.
Stemma beugte sich über die freiwillig Eingekerkerte und befühlte ihr als geschickte Ärztin den Puls der freien Hand, welchen aber kein Fieber beschleunigte. »Faustine«, sagte sie, »was ficht dich an? was ist über dich gekommen? Dich verwirrt der Schmerz, daß du dich von deinem Kinde trennen mußtest Willst du ihr folgen? Noch ist es Zeit. Ich gebe dich frei. Du bist nicht länger meine Eigene.
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