Engel: Wir finden dich an jedem Ort.

Bettler: Es ist kein Heil bei den Menschen.

Engel (schweigen).

Bettler: Mein Werk höhnt meiner selbst.

Engel (schweigen).

Man hört von ferne heulen.

Bettler: Es ist nicht mehr meine Stimme, sie geifern gegen mich, sie wüten gegen meinen Willen – sprecht.

1. Engel: Sie kennen deinen Willen nicht.

2. Engel: Sie sehen nicht, sie hören nicht.

1. Engel: Ihre Seele weiß nichts von dir.

Bettler: Von Wem weiß ihre Seele aber, Wen sehen sie, Wen hören sie?

Engel (schweigen).

Bettler: Ich erliege unter der Last meines Grimms, ich ergrimme gegen mein Werk und ergrimme gegen mich selbst.

Engel (verhüllen ihre Gesichter).

Bettler: Fort mit den Menschen, damit ich Frieden 62 finde, fort mit euch, zurück in die Reiche der lichtgeborenen Riesen, badet den Erdendunst von euch in der Kraft des göttlichen Glühens! Laßt mich meines Werkes ohne euch walten.

Engel ab. Der buckelige Aussätzige.

Aussätziger: Hinter mir heults wie Wut, vor mir ist keine Hoffnung – ich fluche dem, der mich in diese wütende Welt gebracht. (er schlägt verzweifelt mit den Fäusten um sich und berührt dabei den Bettler, der zurücktritt.)

Warum schlägst du nicht wieder! (schlägt sich selbst ins Gesicht.) Schäm dich, daß du bist, daß du Prügel haben mußt für dein Dasein. Wär ich nicht, so müßte die Welt nicht verflucht werden.

Bettler: Deinetwegen ist die Welt verflucht?

Aussätziger: Meinetwegen? Ja, meinetwegen! Wie kann eine Welt taugen, wenn nur ein Einziger in ihr verdammt ist und verdirbt! Hinter mir mit Geheul jagen sie mich und verfluchen mich und nennen mich böse – und böse bin ich weil sie mich jagen und verfluchen – und verlachen – und verhöhnen! Und vor mir, was ist da vor mir? Ich atme Luft ohne Hoffnung und werde hoffnungslose Luft atmen, bis der Atem still steht. Dann werden noch die Schakale, die mich fressen, gegen einander lachen und sprechen: was für einen prächtigen Buckel er hat, sonst ist es ein Werk ohne Wert! Hä, wie ihnen mein Buckel schmecken wird. Ein Lumpenhund selbst für Schakale, das bin ich. – Du, du elender Bettelmann, kannst doch hinter dich schauen und wünschen, deine Jugend kehrte zurück, 63 nun – möchtest du nicht wieder jung sein wie einst, oder gäbe es auf der Welt zwei von meiner Sorte? Sagst du nichts, bist einer wie ich? Komm, wir wollen zu zweien fluchen, mach Fäuste: verflucht ist der Gott, der die Guten gut und die Bösen böse gemacht hat! Oho, sagst wieder nichts? Bist bange, daß er böse wird? So hast du noch was zu verlieren, worum dir bangt? Was könnte das sein – und was hätte ich am Ende auch noch zu fürchten, daß ich ihm schmeicheln möchte? Oho, ich habs, ja, so ist es, ich habe auch noch was zu verlieren. (stellt sich breitbeinig auf.) Ich – ich habe Ekel vor ihm – nicht vor mir, wie ich sonst dachte – vor ihm, der an mir schuld ist. Ich speie ihn an, ich breche mich aus über ihm! (zum Bettler) Und damit ich nicht ins Leere lange, so sei du mir gut für ihn, ersetz ihn mir, nimm das für ihn! (er schlägt den Bettler.) So sei Er geprügelt, so ins Gesäß gestrampelt, so gezaust. Und zum Schluß laß dir noch ein bißchen schäbigen Aussatz ins Gesicht schmieren, damit Er weiß wie ichs mit Ihm meine!

2.

Rauher Bergwald, geschlagene Stämme, Wind saust im Laub.

Sem mit der Axt arbeitet am Holz. Wenn er nicht schlägt, hört man von hinten den Schall einer zweiten und dritten Axt. Awah kommt.

Awah (stellt sich vor ihn und läßt ihr Gewand im Winde wehen): Wie schön ist es, Sem, wenn so die Frische um die gekühlten Glieder strömt. Ihr mit euren roten Nasen alle, und euren blauen Fingern – hör auf zu hacken, Sem, und horch, wie der Wind im Walde weht.

Sem: Wenn mein Beil aufhört zu bellen, so beißt es in Noahs Ohren: faule Söhne – und gleich kommt er gegangen. – – Wärest du nicht, Awah, so wärmte ich mich weit weg an der Sonne und meine Augen sollten mir den Weg weisen, wo ich meine weiße Nase wieder fände. So aber, weil du da bist, sind meine Augen zufrieden, Awah. (er setzt sich und sieht sie an.)

Awah: Die schönen Engel hatten keine roten Nasen – fühle, Sem, wie warm meine Hände sind. (sie nimmt seine Hände.) Die Engel waren anzurühren wie glattes Elfenbein, du und Japhet und Ham habt haarige Haut. Wie schön mag Gott anzufassen sein, vielleicht darf ich ihn auch streicheln, Sem, meinst du, daß ich das darf?

Sem: Warum nicht, Awah – leg deine Hände auch auf meine kalten Backen und streich mir über Stirn und Augen, denk, ich wäre Gott, und er erlaubte es dir. 65

Awah (tut es): Deine Backen sind weich und deine Stirn ist glatt, Sem.

Sem: Denk an Gott, Awah, denk, er säße hier wo ich sitze und erlaubte dir, ihn zu kosen, so viel du wolltest.

Awah: Ich habe Gott sehr lieb.

Sem: Ich auch, Awah, wir haben ihn beide sehr lieb. Ich weiß mehr von ihm als mein Vater und alle Anderen. Hör zu, ich will dir erzählen. Aber nun ist es genug, daß deine Hände mich pflegen, genug für heute; wenn ich Gott wäre, so müßtest du mir danken, weil ich aber Sem bin, so danke ich dir. Also hör.

Awah (setzt sich neben ihn)

Sem: Gott ist nicht überall und Gott ist auch nicht Alles, wie Vater Noah sagt. Er verbirgt sich hinter Allem, und in Allem sind schmale Spalten, durch die er scheint, scheint und blitzt. Ganz dünne, feine Spalten, so dünn, daß man sie nie wieder findet, wenn man nur einmal den Kopf wendet.

Awah: Hast du ihn gesehen, Sem?

Sem (nickt)

Awah: Wie sah er aus, Sem, sage mir, Sem, wie sah er aus.

Sem: Er sieht aus wie nichts, was es sonst gibt, wie kann ich es also sagen, Awah. Aber, wenn du willst, so will ich mich besinnen, nur mußt du mir Zeit geben, bis ich es sagen kann; frag ein ander Mal wieder. Ich seh ihn oft durch die Spalten, aber es ist so seltsam geschwind, daß 66 es klafft und wieder keine Fuge zu finden ist – seltsam Awah.

Noah mit einer Stange treibt den buckeligen Aussätzigen und den verstümmelten Hirten vor sich her.

Noah: Taugenichtse, Tagediebe, fort mit euch in eure verfluchten Reiche!

Hirt (hebt flehend beide Armstümpfe hoch, Noah erkennt ihn).

Noah: Du – ohne deine geopferten Hände, du bist es? Calan hat dich geschlagen, nicht ich; Gott hat es zugelassen, nicht ich.