Warum suchst du mich
heim?
Hirt (blickt
auf seine Arme): Sie bluten nicht mehr, aber mit Schmerzen
und Schrecken schleppe ich mich zu meinen Brüdern.
(zeigt gegen die Bergwand) Bis hinter
die Berge muß ich ziehen. (weist auf den
Aussätzigen) Ihn fand ich unterwegs, er soll bei mir
sein und Nahrung finden und Freundschaft.
Noah: Deine Brüder werden ihn
verjagen. Es hilft nicht, ich habe nichts mit euch zu schaffen,
fort mit euch, Calan hat es getan und Gott hat es zugelassen, nicht
ich.
Aussätziger: Wenn einst ein
Größerer Gott an Nase und Ohren schändet, dann
laß es lieber nicht zu, Noah, laß es nicht zu. Laß
lieber deine eigenen Nasen und Ohren und gib dich gerne drein, wenn
Gott nur heil bleibt. (zeigt auf den
Hirten) Er ist Gottes Kind und du hast es nicht gehindert,
daß Calan ihn schlug. Er wird dich bei Gott verklagen, wird
sagen: er hat es nicht gehindert – Noah heißt der Mann,
Noah, der Gottes Knecht ist. 67
Noah: Schrei nicht so laut –
und fort mit euch, ich habe nichts mit euch zu schaffen.
Hirt: Ach, die Wunden, ach, die
Schmerzen, ich schäme mich meiner Wunden und Schmerzen, ich
schäme mich, daß ich so geschändet bin.
Noah: Fort mit euch, es sind Gottes
Werke, an die ihr euch mit euren Worten wagt.
Awah: Sind das Gottes Werke?
Noah: Gottes eigene Werke, Awah,
sieh nicht hin.
Awah: Gottes Werke sind grausig,
wenn das Gottes Werke sind.
Sem: Sieh hin, Awah; ich
möchte solche Werke nicht getan haben.
Noah: Fort mit euch in eure
verfluchten Reiche (er treibt sie fort, zu Sem
und Awah) Betet zu Gott, so befällt euch kein Aussatz,
dient ihm, so behaltet ihr eure Hände, fürchtet ihn, so
bleibt ihr verschont, liebt ihn.
Awah: Ich kann ihn nicht lieben,
wenn das seine Werke sind.
Sem: Ich auch nicht, Awah, er ist
ein harter Herr.
Noah: Wir wollen bauen, Sem. Ham
mit den Stieren holt die behauenen Balken, – –
nein, sie haben nichts gesehen und begriffen die beiden. Wenn die
Flut kommt und die Völker auf die Berge flüchten, wo wir
bauen – wir haben keinen Platz als für uns und unsere
Tiere! (zu Awah) Sie sind es nicht wert
zu leben, Awah, wir allein sind es wert, du mit uns. 68
Awah: Er war schön und hatte
keine Hände – Japhet ist häßlich und hat
Hände.
Noah: Hätte er gebetet, so
hätte er seine Hände behalten.
Awah: Ich habe auch nicht gebetet
und habe meine Hände doch behalten.
Noah: Liebe Japhet, Awah, das ist
Gottes Wille.
Awah: Japhet, nein, Japhet nicht;
keiner ist von euch so schön wie er ohne seine Hände
– und Gott liebt ihn nicht?
Sem: Er ist ein harter Herr, Awah,
er gibt keine Hände wieder.
Awah: Ich will Japhets Frau nicht
sein, ich will nicht, daß Japhet noch einmal seine schmutzigen
Hände auf mich legt – hilf mir, Sem, ich will viel
lieber deine Frau sein.
Sem: Hörst du, Vater, sie will
lieber meine Frau werden.
Noah: Ach, Kinder, uns alle wird
die Flut verschlingen, wenn wir nicht bauen.
Sem: Ich will nur bauen, wenn du
mir Awah gibst. Sonst bringe ich sie auf die andere Seite der Berge
und warte, ob die Flut dorthin reicht, oder was sie sonst tut. Und
Japhet wird sich nicht lange besinnen und sich bei dem Volk der
dicken Zebid untertun – aber gewiß nicht bauen. Es
wäre am besten, du gäbest ihm die Zebid und ich
verspreche dir, daß du staunst, wie seine Hände sich bei
Tage für das schwimmende Haus rühren, wenn sie sich bei
Nacht auf der Zebid ausruhen können. 69
Noah: Die große Heidin, die
mit den Knechten ihres Vaters vor hölzernen Götzen tanzt
und ihre jungen Brüder vor der Zeit verdirbt?
Sem: Dann bleibt Awah bei uns in
unseren Zelten und nach der Flut fände Zebid ohnehin wenig
Freude mehr an ertrunkenen Knechten und stinkenden
Brüdern.
Noah: Wo mag Ham bleiben, Ham soll
euch sagen, was ihr für Bursche seid, du und Japhet –
Ham, Ham!
Sem: Und sieh, Vater, da die dicke
Zebid sich wegen Japhet beim Tanzen und täglicher Tollheit
nicht stören lassen wird, so könnte Calan, wenn du ihn
bätest . . .
Noah (unruhig
hin und her): Ham, Ham!
Sem: Ham, Ham!
Ham (von
hinten): Wartet ich komme.
Ham, Sem spricht mit ihm.
Noah: Calan, Calan? (händeringend) Calan soll ich bitten, daß
er uns die Heidin und gräuliche Götzendienerin mit ihrer
wütenden Wollust zutreibt? Die uns all unsere fromme
Zufriedenheit in Fleisch und Verderben ersticken wird! Was sagst
du, Ham, Ham, was sagst du?
Ham: Zebid, Vater, will ich dir
sagen, hat nur einen Fehler – nicht, daß sie eine so
große Heidin ist, das wollten wir ihr bald abgewöhnen,
denn sie hat mir oft gesagt, ihr Gott wäre im Grunde nicht
besser als sonst einer.
Noah: Dir hat sie das gesagt, was
hattest du mit ihr zu tun?
Ham: Ach, das ist lange her, so
lange, daß ich es fast vergessen habe. Es kommt auch gar nicht
darauf an. Sie 70 war immer etwas kurzluftig und brauchte jemand,
der sie ins Lachen brachte, denn dann wurde ihr wieder wohl –
und ich war damals ein ordentlicher Spaßvogel, siehst du.
Noah: Aber was für einen
Fehler hat sie in deinen Augen?
Ham: Ein prachtvoller Bau –
das ist wahr – solche Schenkel!
Noah: Aber sag ihren Fehler, Ham,
ihren Fehler!
Ham(reibt die
Stirn): Ihr Fehler, sagte ich etwas von ihrem Fehler? Nein,
Fehler hat sie nicht, gar nicht, ganz und gar nicht
– – ach so, das war's, was ich meinte, aber
schließlich geht es mich nichts an, was für Fehler sie
hat; wenn Japhet sie haben will, so wird er es ja selbst merken,
warum soll ich ihn scheu machen.
Noah (verzweifelt): Die Flut, die Flut, und ihr steht da
und redet hin und her vom Bau der Zebid.
Ham: Ich kanns nicht helfen –
ein prachtvoller Bau. Fürchten tu ich nur, die Flut kommt gar
nicht und wir sind vor lauter Wasserscheu arme Leute geworden. Und
Calan ist weit und breit der Mächtigste im
Lande –
Japhet steht seit einiger Zeit im
Hintergrunde.
Noah: Ich muß manchmal daran
verzagen, ob ihr wert seid zu überleben. Awah, Kind, die Welt
ist winziger als Nichts und Gott ist Alles. Kommt, kommt, macht es
mit eurer Mutter aus, sprecht mit ihr über das Alles, aber
laßt mich bei dem Werk nicht im Stich. Wir müssen
bauen!
Sem: Ich baue nur für
Awah.
Ham: Und ich will mein Teil auch
tun. Kommt die 71 Flut, so ist es immer noch lustiger, die dicke
Zebid ist bei uns, als daß wir miteinander allein im Trocknen
hocken. Kommt die Flut nicht, so werden wir alle Calans Knechte,
darum laßt seine Gönnerschaft gegen uns nicht taub werden
– machen wir uns mit Bitten bei ihm zu tun. Gelegenheit macht
gnädig. Eine Handhabe, sage ich; Calan hat einen Sack voll
Anschläge und ist nur um eine Handhabe verlegen.
Noah: Eine Handhabe?
Ham: Ja, eine Handhabe. Bringt er
uns die Zebid im Guten oder Bösen – es gibt mit ihrer
Sippe Freundschaft oder Feindschaft, und welches von beiden –
Calans Finger verlangen danach, Calan weiß damit seine
Anschläge zu handhaben.
Japhet (hervortretend und einen Freudensprung machend) Und
ich will auch mein Teil tun, wahrhaftig, und Zebid soll bezeugen,
ob ich mein Wort halte. (umarmt Awah)
Ach, Awah, wie freue ich mich, daß ich Zebid haben soll!
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Vierter Teil
Wüste, der vornehme Reisende, gekleidet wie im ersten Teil, und
Noah begegnen einander.
Reisender (im
Vorübergehen): Eil' – eil', Noah, eil' –
hast du keine Kamele?
Noah (stillstehend): Ich bin ein armer Mann – nein,
ich besitze kein Tier, das mir diente – – ich gehe
meines Weges wie mein Atem es zuläßt. Auch du tauchst
deine Sohlen in den Staub. Aber da du mich eilen heißt, so
will ich nur fragen, ob man weiter durch Dürre und Staub bis
ins tiefe Land wandert – immer noch verdorrte Weiden, immer
noch verdurstendes Vieh?
Reisender (nickt, kommt zurück, legt die Hand auf Noahs Schulter
und zieht ihn zum sitzen nieder): Immer noch, aber eil'
dich, eil' dich, nachdem wir zusammen ein Stündchen gerastet
haben.
Noah: Calan, heißt es, ist
weit und breit der Mächtigste im Land – hast du von
Calan gehört?
Reisender (nickt): Was willst du von ihm – er ist
gewiß mächtig und stark.
Noah: Ich muß seine Hilfe
heischen. Es ist meines feindlichen Nachbars Tochter, die ich
für meinen Sohn freien will – hilft er, und hilft er
schnell, so kann Japhets Pein enden, ehe es zu spät ist.
Reisender: Es sind schlimme Leute,
Noah, ich kenne sie – Japhet ist es, dem das Leben ohne Zebid
zu 76 Leide ist?
Er hat doch eine Frau, schön und von edlem Stamm.
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