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Zebid? Nein, Noah, Zebid wird dir Kind und Kindeskinder verderben.
Gottlos ist sie, gottvergessen; sie erfrecht sich, ohne Gott zu
gedeihen.
Noah: Vielleicht wurde sie ohne
ihre Schuld schlecht – kann sie dafür, daß ihre
Speise Fraß war und feistes Verderben ansetzte? Japhet kann
nicht anders, und er er kann nicht anders aus lauter gutem
Herzen.
Reisender: Kehr um, Noah, kehr
eilends um und laß die Gottlosen bei einander. Geh ins Gebirge
zurück und halte Japhet zu Gehorsam und Ehrbarkeit an.
Noah: Japhet ohne Frau? Da gibts
kein Anhalten – was kann Japhets gutes Herz dafür,
daß es eine gottlose Frau verlangt? Gott hat ihm sein Herz
gegeben.
Reisender: Nimm ihn in Zucht und er
wird zufrieden sein.
Noah: Ich habe drei Söhne und
nur zwei Frauen für sie, eine schlechte Aussicht auf eine gute
Zucht im Hause, edler Herr. Wir brauchen von den gottlosen
Töchtern des Landes. Sie werden zu Grunde gehen, wenn ich mich
nicht eile. (steht auf) Gott kann ihr
Herz wenden, wenn er will, da er meinen Söhnen ein
Unvermögen geschaffen hat ohne Frauen zu leben.
Reisender: Eile heim, Noah, und
trotze nicht. Deine Augen sehen die harte Dürre der Erde, dein
Ohr weiß nichts von dem Saufen ihrer gespaltenen Tiefen. Du
vertrocknest im heißen Atem, aber du spürst nicht das
Zittern und Wühlen der Meere im brechenden Busen des 77 Grundes – schon
haben die Winde des Himmels ihren feurigen Hauch fast verkeucht und
zerfließen in Funken schwül und faul, sie sind erstorben
in Furcht vor den brüllenden Finsternissen, die über die
Welt verhängt sind. Eile heim, Noah, und danke Gott mit
Gehorsam, aber vermische dich nicht mit den Gottlosen, wer mit
Bösen haust, dessen Zelte blähen sich vom Schlechten wie
schwangere Bäuche.
Noah: O Herr, nein, sage ich; Gott
ist auch der Herr des Bösen, er kann es knechten und aus
Widerstand Gehorsam machen.
Reisender: Kann er das, Noah?
Noah: Gott, der das Gute will,
könnte das Böse nicht bändigen? Nein, Herr, so
gottlos darf man nicht denken, ich will eilen.
Reisender: Was hat Gott mit dem
Bösen zu tun, nicht er ist der Schöpfer des Bösen
– soll es besser werden, so mögen sie sehen, woher sie
es bekommen haben.
Noah: Du sprichst fast wie Calan,
der gottlos ist – Gott kann das Böse verderben, er kann
es auch verbessern.
Reisender: Willst du ihn meistern
– willst du deine Maße in seine Hände legen? Geh
heim, geh heim, Noah, geh heim!
Noah: Wenn er das Böse nicht
knechten und zum Guten lenken wollte, ach
Herr . . .
Reisender: Was dann, Noah, was
dann?
Noah: Ach Herr, es würde
klingen, wie wenn Calan 78 es sagte – Calan, der Gottes Feind ist
– nein, ich kann es nicht sagen.
Reisender: Was sagt Calan, Gottes
Feind?
Noah: Er sagt, das Gute kommt aus
Gottes Güte und das Böse kommt aus Gottes Bosheit –
wenn Gott nur gut wäre und nichts als gut, so wäre auch
Gottes Bosheit nicht böse und alles Böse wäre
gut.
Reisender: Hörst du die
wölfischen Kinder heulen in der Wüste? Das ist das Gebell
des Bösen gegen das Gute. Es schlummert noch in der Stimme der
Zebid, aber es wird einmal erwachen und schrecklich bellen aus dem
Munde deiner Kindeskinder – geh heim, Noah.
Noah: Was Gott zu Wölfen
werden läßt, das bellt und beißt und heult mit
Recht. (er blickt bestürzt um sich und
schlägt sich auf den Mund) Wer wars, der das sprach
– Worte, die mir wie Hornisse in die Ohren stechen!
(er schlägt die Hände an die Ohren
und stürzt davon).
Reisender: Auch du, Noah,
fängst an zu faulen? – Pfuscherei, Pfuscherei, schreit
die Welt mir entgegen – sieh, wie du mich fehlgeschaffen
hast, heult sie mich an. Ich fürchte, ich werde wenig Freude
an dir und deinen Kindern finden.
Bergwald, man sieht im Hintergrunde die Arche
ragen. Noah und Japhet arbeiten.
Noah: Einträchtig miteinander
traben Reh und Fuchs und Löw und Luchs und alles vierbeinige
Getier um unsern Bau. Sieh, Japhet, sicher sind sie auf der Flucht
vor der Flut und Gottes Geist scheucht sie zu uns, daß wir sie
bewahren.
Japhet: Ja, Vater, und schon
fliegen Vögel, Raben und Tauben und das ganze
Himmelsgezücht ab und zu und teilt sich ehrlich in die engen
Winkel. Keins macht sich mausig mit Kreischen oder Piepen oder
Schnattern; bauen tun sie wo wir bauen, Kammern in unsere Kammern
und hängen Böden unter unsere Böden – alles
gesammelt voll Gesäme, sauber gelesen, und gehäuft voll
Fraß. Man sieht, sie wollen lange bei uns bleiben, Vater.
Noah: Sollen, Japhet – sollen
bleiben. Gott gibt ihnen das Maß für ihr Müssen. Die
Zeichen mehren sich, die Zeit reift.
Japhet: Die Zeit reift –
gestern ging ich bis auf den Talgrund und ging weiter als ich
wollte, nach Calan auszuschauen, und schauerte vor Sehnsucht nach
Zebid. Da hörte ich zwei eilige Wanderer miteinander reden und
der eine keuchte, daß der andere kaum zu Worte kam. Ich
hörte aber doch, unten im Lande wühlen sich die
Maulwürfe und Hamster und das Erdgewürm aus der Tiefe
eilig 80 zu
Tausenden an den Tag und wimmelt alles feucht durcheinander und
zerfleischt sich um jeden Finger hoch von Boden. Ja, die Zeit
reift. Ob Zebid wirklich kommt, Vater?
Noah (seufzt): Sie kommt, Japhet, ach Japhet, daß
das nicht anders sein sollte! Calan hat es mir zugesagt und,
Japhet, wie hat Calan dabei gegrinst, als er versprach, sie mit
Gewalt, wenn es nicht anders ginge, willig zu machen.
Japhet: Sie wird herzlich zufrieden
sein, wenn sie sieht, daß die Flut kommt und wird über
der Flut alles von früher vergessen.
Noah: Traurig, traurig.
Awah, Ahire
(scheltend).
Ahire: Sprich zu ihr, Noah; mich
hört sie nicht, sie lacht auf mein Schelten und schüttelt
sich in einer Tollheit von Lust – sieh, sie geht wie
schaukelnd auf schwingendem Boden.
Awah: Schon in der Nacht erwachte
ich und mein Herz taumelte.
Schöner als alle Engel ist der tanzende
Klang, das immer gleiche Neue, der ewige Gesang. (sie ahmt die Bewegung von Wellen mit den Händen
nach).
Ich sehe wie es klingt, ich höre wie es
schwingt, das Ende wiegt den Anfang in den Armen.
Schwere schleicht auf leisen Füßen,
hört ein Wort und wirft den Schwall der ewig leichten
Herrlichkeit ans Herz – es spielen Wort und Welle, heben
heilige Gewalten auf und nieder – die ewige Herrlichkeit
steht auf und vergeht, 81 die ewige Heiligkeit rauscht und entsteht. Es
schwillt – es droht, es dröhnt, es schweigt – es
schwillt, es schweigt – es droht, es
dröhnt . . .
Man hört Brausen starker
Winde.
Noah: Die Zeit ist reif, Winde
tragen die Flut heran.
Ham und Sem kommen
gelaufen.
Japhet: Der Sturm hat gekalbt und
Gebrüll auf die Berge geworfen.
Sem: Das Gestein wimmert und
winselt.
Sie klammern sich aneinander,
der Sturm heult.
Noah: Befehlt euch in Gottes Hut,
habt Herz, Kinder, vertraut auf Gott.
Pause.
Sem: Das Haus steht, seht es steht,
der Wind ging an ihm vorüber und es rührte sich kein
Stück im Gefüge – – und hört doch,
wie es im Wald von brechenden Stämmen schreit.
Noah: Gott hat gebaut – geht
ins Haus, Kinder, und bergt die Frauen.
Ham: Der Sturm hat mir die Stimme
in den Bauch hinein gestopft, meine Füße wollten sich im
Boden verkriechen.
Sem: Faß mich, Awah, versuch
zu stehen, geh Schritt für Schritt. Der Himmel ist geborsten
und seine Fetzen schlottern uns um die Ohren, Alles im Kopf wirbelt
mir durcheinander.
Ham: Geh voraus, Sem, schweig
still, Sem; wer weiß, 82 was solche blindwütigen Winde für
Einfälle haben – spuck nicht aus, wenn der Himmel
hustet. Geh voraus, es hat sich übernommen und versucht es
schon mit weniger Wut.
Ham und Sem ab mit
Awah und Ahire.
Noah (schaut
umher, aufatmend): Herr, du gehst schrecklich ins Gericht.
Höre es fernhin fahren, Japhet. Halte mich grade, Japhet,
meine Knie brechen.
Japhet: Es war wie eine Posaune und
die alte Zeit fiel um.
Calans Stimme: da steht das Haus,
sieh, Zebid, ein Bau wie eine Burg.
Calan und Zebid.
Noah: Gott hat den Bäumen
befohlen, sich unter unsern Händen zu Balken zu biegen und in
Bretter zu brechen, Calan; ja, und hat dem Bauch des Hauses
geboten, daß er sich nach seinem Willen zu unserm Bedarf
weitete, und den Wänden, daß sie mächtig wurden, die
Herde des Herrn zu hüten. Seid willkommen, Calan, hab Dank,
Calan. (zu Zebid.) Kind, dort sollst du
mit uns in Gottes Schirm und Schatten wohnen. (er ergreift Japhets und Zebids Hände) So soll
es denn sein, faßt eure Hände und habt euch lieb.
Zebid (tritt
zurück): Calan hat mir gesagt, Ham hätte seine
Frau verstoßen und begehrte mich für sie, nichts von
Japhet.
Calan (lachend): Japhet, Japhet, Japhet war gemeint, ich
habe mich nur versprochen. Selbstverständlich Japhet.
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Noah: Nur von Japhet war die Rede;
Japhet hat seine Frau von sich getan; Japhet hat dich mit Hoffen
und herzlicher Qual verdient.
Zebid: Mich zu verdienen muß
einer anders sein als Japhet, seht doch, wie steht er da, –
Japhet!
Japhet: Weißt du nicht mehr,
Zebid, was du in der Vollmondnacht, als ich dich auf dem Wege fand,
sagtest? Wir zogen uns an den Händen lange hin und her; wenn
ich dich haben wollte, sagtest du, so müßte ichs gegen
deinen Willen schaffen, dann sollte es gut sein.
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