In überfließender Liebe ausgeströmt und als frecher Haß geboren, Bastarde, Bastarde, Bastarde! (er droht mit der Krücke ins Ungewisse).

36 2.

Bei Noahs Zelten. Der Aussätzige huscht vorüber. Japhet und Sem.

Japhet: Merkwürdig, wie anders sie ist als alle andern. Eine faststumme Frau, demütige Dienerin deiner Liebhabereien und hochnäsig auf eine Art, daß du denkst, sie wäscht sich nur darum so oft, weil du sie angefaßt hast. Es ist kein Behagen bei ihr zu sein, ich hätte viel lieber die dicke Zebid zur Frau.

Sem: Ich würde es allenfalls mit ihr versuchen, Japhet.

Japhet: Du mit deinem linkischen Gehabe? Da weiß ich sie ganz anders zu behandeln, he! Lächerlich – Sem!

Sem: Ich sagte es nur so hin. Es ist mir so ernst mit Awah wie dir mit der Zebid.

Japhet: Das bedeutet ein erbauliches Stück Ernst, wenigstens in Worten und Gedanken!

Sem: Genau so mein ichs auch – Ham macht noch ein ganz anderes Gesicht, das bedeutet mehr als Worte und Gedanken. Wie oft holt er sie zu seiner Frau hinein, die ihr Püppchen säugt als müßte die Welt ein Probestück sehen – da fallen dann leicht zwischen Gelach und Gejach allerlei Unversehentlichkeiten ab, da steckt man zerstreut in die Tasche, was in eine andere gehört. Das kenne ich.

Japhet: Das kennst du?

Sem: Ich bin nicht schlechter als ihr andern Schlingel 37 – ich mach' mir nur nichts weis. Und erst Vater Noah selbst, hat tags keine Kraft zum Tun und nachts seine Not beim Ruhen – immer stiert er geradeaus: er sieht sie, selbst wenn er die Augen schließt.

Japhet: Die Alten sind die tollsten, das weiß ich lange.

Sem: Abgötterei, nichts anderes; wie er sich auch kratzen mag, es juckt immer wieder. Schaut er nicht ganz freundlich drein, wenn sie darüber lacht, wie er von Gott spricht, was ja unvernünftig oft vorkommt? Dann schaut sie um sich und über sich und fühlt hinter den Wänden, ob er da steht. Sie denkt, Gott ist sein Vater oder Vetter oder sein vierter Sohn, nur, daß er irgendwo im Winkel hockt und doch vielleicht einmal beiläufig niest oder gähnt, aber nicht geheuer von Gestalt und von verlorener Form. Gott ist ein Spuk in ihrer Seele, sonst nichts – aber doch drin, in ihr, bei ihr, was sie hat und von ihr gehalten wird. Komm, wir müssen Gruben graben und Fallen legen, die Wölfe und wilden Kinder nehmen überhand. (Beide ab.)

Ahire.

Ahire: Alle reden von nichts als Awah, und was ich nicht höre, das sehe ich, alle diese neuen Mienen und Blicke, dies ungewohnte Halten und Gehen und Umsehen, Warten und Winken – Awah – nichts als Awah!

Awah mit einem Lamm auf dem Arm.

Ahire: Kommst du von draußen, Awah, von der Weide?

Awah (nickt): Vater hats mir geschenkt, nur bin ich 38 bange, Gott wird es fressen. Ich will es mit mir ins Bett nehmen und kommt er, so kann ich kratzen.

Ahire: Aber was wird Japhet sagen, da doch alle Schafe Läuse haben, junge wie alte?

Awah (setzt das Lamm nieder, fängt an ihre Kleider abzustreifen und zu schütteln).

Ahire: Sieh, Awah, Sem steht noch hinter den Bäumen – und wie du dich enthüllt hast! Fürchte Sems Blicke mehr als Läuse, Awah, lauf ins Zelt, mach dich hinter Felle und Matten mit deinem Geschäft. (sie droht Sem mit dem Finger).

Noah führt mit Demutsgeberden zwei Engel herein.

Noah: Rastet unter meinem Dach, labt meine Seele mit eurem Weilen, es gibt keinen Raum, der wie dieser zwischen meinen Zelten bei diesem Hain mit allem Leben und allem Ding euch diente. Alles von Gott, alles euer! Ahire, steh nicht da, tummel dich, gieße Wasser in dein bestes Geschirr, ich helfe dir tragen, wenn keins von den Kindern kommt. Awah – ach Awah!

Awah: Wer sind sie, Vater?

Noah: Boten Gottes, Awah, Boten mit göttlichen Worten auf ihren Zungen (er umarmt Awah stürmisch.) Kind, Awah, ach, freue dich doch! Ahire, was wartest du, es muß geschlachtet werden, wir wollen uns regen – aber leise, Kinder, seid leise, lobt wie stummes Beten, mit lautlosem Tun unsere Gäste!

Ahire schleicht erschrocken fort. Die Engel lächeln, Awah schlägt entzückt die Hände zusammen, 39 Sem sieht furchtsam von weitem zu.

1. Engel: Wir wollen rasten und mit Wasser den Staub von den Füßen waschen.

2. Engel: Verrichte für uns, wie dich verlangt zu tun.

Noah: Das Lamm, das ich Awah gab – Sem, komm eilig, schlachte das Lamm und brings deiner Mutter zum braten.

Sem sieht sich entdeckt und weicht furchtsam zurück.
Ahire im Hintergrunde winkt Awah, Awah geht und schleppt ein Gefäß heran.

Noah: Ahire – Sem, wo bleibt ihr, wovor fürchtet ihr euch? Sie fürchten sich, Awah, wie mögen sie sich fürchten!

Awah (kniet und wäscht den Engeln die Füße.)

Noah (trägt das Lamm fort).

Die Engel (lächeln, Awah lächelt zurück, trocknet ihre Füße mit ihrem Haar und streichelt ihnen Knie und Lenden).

Awah: Sagt mir, wo finde ich Gott.

1. Engel: Er wird kommen und du wirst ihn sehen.

2. Engel: Du wirst ihn sehen und kennst ihn nicht.

Awah: Sehen und nicht erkennen – nein, wenn er schön ist wie ihr, werde ich ihn erkennen.

1. Engel: Ich will deine Augen küssen und du wirst ihn kennen (tut es).

2. Engel: Ich will deine Ohren berühren und du wirst seine Stimme spüren (tut es).

Awah: Kommt er bald?

1. Engel: Er ist nah. 40

2. Engel: Er wird von deinem Lamm essen.

1. Engel (steht auf): Der Tag trägt uns davon.

2. Engel (steht auf): Die Zeit zieht unsre Füße voran.

1. Engel: Sage Noah, er wird ihn sehen.

2. Engel: Verheiße ihm, er wird ihn fühlen.

Sie gehen, Awah wirft sich weinend nieder, Noah kommt.

Noah: Sie wollten mich nicht von sich lassen – (bestürzt) Awah bist du allein? Wo – wo – wo, Engel des Herrn, Boten Gottes, heiliger Boden, wo eure Füße gewandelt! (er taumelt, fällt neben Awah nieder und küßt ihre Hände) Deine Hände haben sie berührt, deine Seele weint über sie, gib mir ab von deinem Weinen, schenk mir deinen Schmerz, teile mit mir, Awah.

Awah: Er kommt, sie verkündeten, daß er naht. Du sollst ihn fühlen, du sollst ihn sehen, Gott sollst du sehen; er kommt, Gott kommt.

Noah: Sehen – Gott sehen? Mit diesen meinen Augen? (entsetzt) Er, der sie mir gab, um Kühe und Kälber zu prüfen, will die Kraft seines ewigen Glanzes auf sie werfen? – Zwei Mauselöcher sollen das Bild des Höchsten beherbergen? Sie werden zerbrechen, sie werden verbrennen, sie werden erblinden. (steht auf) Ahire hat Recht, Sem hat Recht, es war Spuk und Spott, es war Blendwerk und Betrug. Awah, steh auf; aus meinen Augen und verbirg dich im Dunkel deines Hauses, weine weiter im Winkel und hüte dich, daß mein Gram nicht in Grimm ausbricht.