In überfließender Liebe
ausgeströmt und als frecher Haß geboren, Bastarde,
Bastarde, Bastarde! (er droht mit der
Krücke ins Ungewisse).
Bei Noahs Zelten. Der
Aussätzige huscht vorüber.
Japhet und Sem.
Japhet: Merkwürdig, wie anders
sie ist als alle andern. Eine faststumme Frau, demütige
Dienerin deiner Liebhabereien und hochnäsig auf eine Art,
daß du denkst, sie wäscht sich nur darum so oft, weil du
sie angefaßt hast. Es ist kein Behagen bei ihr zu sein, ich
hätte viel lieber die dicke Zebid zur Frau.
Sem: Ich würde es allenfalls
mit ihr versuchen, Japhet.
Japhet: Du mit deinem linkischen
Gehabe? Da weiß ich sie ganz anders zu behandeln, he!
Lächerlich – Sem!
Sem: Ich sagte es nur so hin. Es
ist mir so ernst mit Awah wie dir mit der Zebid.
Japhet: Das bedeutet ein
erbauliches Stück Ernst, wenigstens in Worten und
Gedanken!
Sem: Genau so mein ichs auch
– Ham macht noch ein ganz anderes Gesicht, das bedeutet mehr
als Worte und Gedanken. Wie oft holt er sie zu seiner Frau hinein,
die ihr Püppchen säugt als müßte die Welt ein
Probestück sehen – da fallen dann leicht zwischen Gelach
und Gejach allerlei Unversehentlichkeiten ab, da steckt man
zerstreut in die Tasche, was in eine andere gehört. Das kenne
ich.
Japhet: Das kennst du?
Sem: Ich bin nicht schlechter als
ihr andern Schlingel 37 – ich mach' mir nur nichts weis. Und erst
Vater Noah selbst, hat tags keine Kraft zum Tun und nachts seine
Not beim Ruhen – immer stiert er geradeaus: er sieht sie,
selbst wenn er die Augen schließt.
Japhet: Die Alten sind die
tollsten, das weiß ich lange.
Sem: Abgötterei, nichts
anderes; wie er sich auch kratzen mag, es juckt immer wieder.
Schaut er nicht ganz freundlich drein, wenn sie darüber lacht,
wie er von Gott spricht, was ja unvernünftig oft vorkommt?
Dann schaut sie um sich und über sich und fühlt hinter
den Wänden, ob er da steht. Sie denkt, Gott ist sein Vater
oder Vetter oder sein vierter Sohn, nur, daß er irgendwo im
Winkel hockt und doch vielleicht einmal beiläufig niest oder
gähnt, aber nicht geheuer von Gestalt und von verlorener Form.
Gott ist ein Spuk in ihrer Seele, sonst nichts – aber doch
drin, in ihr, bei ihr, was sie hat und von ihr gehalten wird. Komm,
wir müssen Gruben graben und Fallen legen, die Wölfe und
wilden Kinder nehmen überhand. (Beide
ab.)
Ahire.
Ahire: Alle reden von nichts als
Awah, und was ich nicht höre, das sehe ich, alle diese neuen
Mienen und Blicke, dies ungewohnte Halten und Gehen und Umsehen,
Warten und Winken – Awah – nichts als Awah!
Awah mit einem Lamm auf dem Arm.
Ahire: Kommst du von draußen,
Awah, von der Weide?
Awah (nickt): Vater hats mir geschenkt, nur bin ich
38 bange, Gott
wird es fressen. Ich will es mit mir ins Bett nehmen und kommt er,
so kann ich kratzen.
Ahire: Aber was wird Japhet sagen,
da doch alle Schafe Läuse haben, junge wie alte?
Awah (setzt das
Lamm nieder, fängt an ihre Kleider abzustreifen und zu
schütteln).
Ahire: Sieh, Awah, Sem steht noch
hinter den Bäumen – und wie du dich enthüllt hast!
Fürchte Sems Blicke mehr als Läuse, Awah, lauf ins Zelt,
mach dich hinter Felle und Matten mit deinem Geschäft.
(sie droht Sem mit dem Finger).
Noah führt mit Demutsgeberden zwei Engel herein.
Noah: Rastet unter meinem Dach,
labt meine Seele mit eurem Weilen, es gibt keinen Raum, der wie
dieser zwischen meinen Zelten bei diesem Hain mit allem Leben und
allem Ding euch diente. Alles von Gott, alles euer! Ahire, steh
nicht da, tummel dich, gieße Wasser in dein bestes Geschirr,
ich helfe dir tragen, wenn keins von den Kindern kommt. Awah
– ach Awah!
Awah: Wer sind sie, Vater?
Noah: Boten Gottes, Awah, Boten mit
göttlichen Worten auf ihren Zungen (er
umarmt Awah stürmisch.) Kind, Awah, ach, freue dich
doch! Ahire, was wartest du, es muß geschlachtet werden, wir
wollen uns regen – aber leise, Kinder, seid leise, lobt wie
stummes Beten, mit lautlosem Tun unsere Gäste!
Ahire schleicht erschrocken fort. Die Engel lächeln, Awah schlägt entzückt die Hände
zusammen, 39
Sem sieht furchtsam von weitem
zu.
1. Engel: Wir wollen rasten und mit
Wasser den Staub von den Füßen waschen.
2. Engel: Verrichte für uns,
wie dich verlangt zu tun.
Noah: Das Lamm, das ich Awah gab
– Sem, komm eilig, schlachte das Lamm und brings deiner
Mutter zum braten.
Sem sieht sich entdeckt und weicht furchtsam
zurück.
Ahire im Hintergrunde winkt Awah, Awah
geht und schleppt ein Gefäß heran.
Noah: Ahire – Sem, wo bleibt
ihr, wovor fürchtet ihr euch? Sie fürchten sich, Awah,
wie mögen sie sich fürchten!
Awah (kniet und
wäscht den Engeln die Füße.)
Noah (trägt das Lamm fort).
Die Engel (lächeln, Awah lächelt zurück, trocknet ihre
Füße mit ihrem Haar und streichelt ihnen Knie und
Lenden).
Awah: Sagt mir, wo finde ich
Gott.
1. Engel: Er wird kommen und du
wirst ihn sehen.
2. Engel: Du wirst ihn sehen und
kennst ihn nicht.
Awah: Sehen und nicht erkennen
– nein, wenn er schön ist wie ihr, werde ich ihn
erkennen.
1. Engel: Ich will deine Augen
küssen und du wirst ihn kennen (tut
es).
2. Engel: Ich will deine Ohren
berühren und du wirst seine Stimme spüren (tut es).
Awah: Kommt er bald?
1. Engel: Er ist nah. 40
2. Engel: Er wird von deinem Lamm
essen.
1. Engel (steht
auf): Der Tag trägt uns davon.
2. Engel (steht
auf): Die Zeit zieht unsre Füße voran.
1. Engel: Sage Noah, er wird ihn
sehen.
2. Engel: Verheiße ihm, er
wird ihn fühlen.
Sie gehen, Awah wirft sich weinend nieder, Noah kommt.
Noah: Sie wollten mich nicht von
sich lassen – (bestürzt) Awah
bist du allein? Wo – wo – wo, Engel des Herrn, Boten
Gottes, heiliger Boden, wo eure Füße gewandelt!
(er taumelt, fällt neben Awah nieder und
küßt ihre Hände) Deine Hände haben sie
berührt, deine Seele weint über sie, gib mir ab von
deinem Weinen, schenk mir deinen Schmerz, teile mit mir, Awah.
Awah: Er kommt, sie
verkündeten, daß er naht. Du sollst ihn fühlen, du
sollst ihn sehen, Gott sollst du sehen; er kommt, Gott kommt.
Noah: Sehen – Gott sehen? Mit
diesen meinen Augen? (entsetzt) Er, der
sie mir gab, um Kühe und Kälber zu prüfen, will die
Kraft seines ewigen Glanzes auf sie werfen? – Zwei
Mauselöcher sollen das Bild des Höchsten beherbergen? Sie
werden zerbrechen, sie werden verbrennen, sie werden erblinden.
(steht auf) Ahire hat Recht, Sem hat
Recht, es war Spuk und Spott, es war Blendwerk und Betrug. Awah,
steh auf; aus meinen Augen und verbirg dich im Dunkel deines
Hauses, weine weiter im Winkel und hüte dich, daß mein
Gram nicht in Grimm ausbricht.
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