Auf – fort. Bah, bah, nichts
als Abgötterei und 41 Besessenheit! (er schiebt sie
fort und kauert sich mürrisch und verzweifelt in den
schattigen Winkel des Überdachs.)
Japhet (kommt
gelaufen): Mir flogs vorbei wie heißer Wind – im
Gewand wie fließendes Geflecht von Sonnenstrahlen, zwei
redende Riesen mit Gerinne und Gehetz und Gekeuch und Gehusch von
Flügeln aus Luft hinter sich an den Fersen – über
mich her, durch mich hin, daß ich zwischen ihren Worten wie
von Mühlsteinen geschroten bin – – Vater,
Vater, wie habe ich mich gefürchtet.
Noah: Du auch, ihr alle habt euch
gefürchtet, ihr seid ohne Freude, ohne Freiheit, ohne Frieden
– nur Awah nicht und ich – o Gott, o Gott,
gib mir meine Freude wieder, Klugheit ist Angst, Vorsicht ist
Furcht.
Ahire, Sem
zurück.
Noah: Sprecht miteinander, ich aber
bin taub, will nicht, kann nicht hören, Leid hat mich
eingeschaufelt, Bitterkeit hat mich begraben.
(Sie stehen um ihn und
blicken ihn an.)
O ich Tor, ich Tor, ich Tor, daß ich mich
von eurer Vorsich betölpeln ließ, o, die Pein der
verlorenen Wonne! (wütend) Geht
hierhin oder dahin, steht nicht und seht auf mich – ließ
mich von euren blasigen Worten umwinden, und von euren harzigen
Händen halten – – und so gingen Freude,
Friede und Freiheit – Leid, liebes Leid ist mir geblieben,
laßt mir mein Leid, laßt mir das bißchen verlorene
Lust. Geht doch, geht Alle!
Ahire sieht angstvoll auf ihn, Sem zuckt die Schultern, 42 Japhet
kehrt sich um und geht. Ahire und
Sem folgen. Noah rauft einen Büschel Gras und kaut
darauf.
Calan schlendert heran.
Calan (horcht): Man hört es bis hierher, das Vieh
brüllt nach Wasser.
Noah (überhört ihn).
Calan: Ja, Noah, es ist ausgemacht,
viel Vieh wird sterben.
Noah (kaut).
Calan (setzt
sich zu ihm): Bitte um Regen, aber bitte um viel Regen, mehr
als eine Hand voll. Wie machst du es eigentlich, ich habe es schon
versucht, aber es verfing nicht. Ich hätte den Pfiff gerne
heraus – wenn es hilft, ist Beten eine gute Sache.
Noah: Dein Gebet hat nichts mit
meinem zu schaffen.
Calan: Ich denke doch. Noah, wir
wollen zusammen ein Opfer veranstalten. Es ist alles da: das Opfer
und die Bittsteller. Du opferst und ich schaue dir dabei zu, um von
dir zu lernen. Chus, mein Knecht, kommt mit einem jungen,
schönen, tadellosen, kerngesunden, lockenhaarigen Bengel von
den Hirten jenseits des Passes, der mir jüngst in die
Hände fiel. Zum opfern wie geschaffen, ein Prachtstück
von einem Opfer. Sieh, darum kam ich her. – Daß du Awah
zu deinem schweißhäutigen Japhet gebettet hast, soll mich
nicht kränken. Ihr erster Bube ist einmal von mir, nach ihm,
wenn er da ist, mag kommen was will.
Noah (starrt
grade aus): – – im Gewand wie fließendes
Geflecht wie Sonnenstrahlen, so gehen sie
vorüber – – – 43
Calan: Was wimmerst du da?
Noah: Freude, Friede, Freiheit
gehen durch ihn hin, über ihn
her – –
Calan: Noah!
Noah: Ihre Worte schroten ihn
zwischen sich wie Mühlsteine (abwehrend) Calan, Calan, was kümmert mich, ob
Awahs erster Bube Japhets ist oder deiner – zwei redende
Riesen wie heißer Wind! Hör doch, zwei redende Riesen
– und Gerinne und Gehetz und Gekeuch von Flügeln –
(er schluchzt).
Chus kommt mit dem jungen Hirten.
Calan: Das Opfer, Noah, werde
wach!
Noah: Gott hat kein Gefallen am
Menschenopfer. Es ist ihm ein Greuel.
Calan: Lieber Noah, Gott nimmt, was
ihm geboten wird; er riecht nicht am Fleisch, sondern richtet nach
dem Herzen des Gebers. Gibst du gern, so nimmt er gern.
Noah: Er allein ist Herr über
Tod und Leben dieses Mannes, Calan.
Calan: Er – nein, sondern
ich; und ich mache dich zum Herrn.
Noah: Nimm ihn zurück, ein
Mensch ist kein Ding wie ein Vieh.
Calan: Aber du hast Awah angenommen
und sie Japhet dargebracht – Ausflüchte, Noah, es wird
geopfert.
Noah: Ich schneide nicht ins
Fleisch eines Menschen, ich schlachte nicht Gottes Kind, ich
vergieße kein Blut, Gott läßt sich nicht spotten, du
darfst nicht töten. 44
Calan: Hast du Awah an Japhet
geopfert, so läßt Gott auch mein Opfer zu. Ich will es
nun mal mit deinem Gott versuchen, Noah; ich meine es gut mit ihm
und er wird meinen guten Willen erkennen.
Noah: Ich will nicht mitschuldig
werden, Calan.
Calan: Aber Gott hat zugelassen,
daß er in meine Hände fiel, Gott hat Dürre gesandt
und läßt zu, daß das Land arm wird. Offenbar bedarf
er ein Opfer, Noah, – und sieh ihn dir nur an, ist es nicht
eine gottwürdige Gabe?
Noah (zum
Hirten): Fürchte dich nicht, dein Leben ist in Gottes
Hand.
Calan: Hast du dir überlegt,
wie du es mit meinem Vorschlag halten willst, soll ich nun vor dir
neben Gott treten? Ich bin stark und mächtig und gnädig.
Wenn er der Herr ist über Tod und Leben, so stehe ich ihm
darin nicht nach.
Noah: Deine Gewalt ist groß,
Calan, aber Gottes ist größer. Du bist Mensch und er will
keine Abgötterei. Sei barmherzig mit mir und quäle mich
nicht mit solchem Begehr. Auch du wirst arm, Calan, arm nach Gottes
Willen durch die Dürre.
Calan (grinsend): Arm, nein, Noah, so war es nicht
gemeint. Was Gott mir durch Dürre nimmt, erstatte ich mir
selbst zurück aus der vollen Schatzkammer der Ferne. Auch dir,
Noah, auch dir, fürchte dich nicht vor Gott und seiner
Dürre. Gottes Dürre ist meine Dienerin und Förderin,
auch deine, Noah, auch deine!
Noah: Ich diene ihm auch bei der
Dürre. 45
Calan: Ich muß dir zeigen,
daß ich gottmächtig bin. (zu
Chus): Geh mit ihm hinter die Bäume des Hains und
schlage ihm beide Hände herunter, und beide Hände bringst
du her. (zu Noah) Läßt er es
zu, so sehe ich darin ein Zeichen, daß ihm das Opfer
gefällig ist, oder, daß sein Grimm gewaltlos ist gegen
meine geringe Götterschaft. Dann wäre er geringer als ich
und ich würde denken, er wäre nicht einmal Herr über
die Dürre.
(Chus mit
dem Hirten ab).
Wollen sehen, Noah, wollen sehen, Er oder ich,
Er oder ich!
Noah (ringt die
Hände).
Calan: Hast du Furcht, daß
sein Vermögen nicht ausreicht? Mein Wort schlägt
Hände ab – horch, ob sein Wort sie ihm behält.
Man hört
schreien.
Wer, sagst du, Noah, wer, sagst du, wer, wenn
nicht ich, ist der Herr?
Noah: Sprich ein zweites Wort,
Calan.
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