»Ausgenommen, daß sie zwanzig Minuten nach zwölf stehengeblieben ist -höchstwahrscheinlich die Stunde des Todes. Die Kette ist Gold und Platin, und am Ende - was ist das?« Am Ende der Kette hing ein ungefähr vier Zentimeter langes Röhrchen. »Aha, die Hülse für einen goldenen Bleistift. Hat man den dazugehörigen Bleistift nicht gefunden?«
»Nein, das ist alles, was gefunden wurde. Ich lasse die Sachen in dein Büro schicken. Du übernimmst doch den Fall?«
»Was ist eigentlich an dem Fall so Besonderes?« fragte Larry. »Nun ja, es ist merkwürdig . . .« Er betrachtete von neuem die Uhr. »Ich kann doch die Sachen gleich in mein Büro mitnehmen?«
»Selbstverständlich«, erwiderte der Kommissar. »Willst du dir zuerst den Toten ansehen?« »Nein, ich werde erst einmal Doktor Judd aufsuchen. Kannst du mir seine Adresse geben?«
John Hason blickte nach der Uhr auf dem Kaminsims.
»Du wirst ihn vermutlich noch in seinem Büro antreffen. Er gehört zu den Unermüdlichen, die bis spät in die Nacht hinein arbeiten. Nummer 17, Bloomsbury Pavement - du kannst das Haus nicht verfehlen.«
Larry nahm die Schale und ging zur Tür.
»So - und jetzt wollen wir uns erst einmal deiner Wundersekretärin zuwenden!«
Sir John lächelte.
3
Zimmer 47 lag eine Etage höher als das Büro von Sir John Hason. Larry trug in der einen Hand die Schale, mit der anderen öffnete er die Tür und stand auf der Schwelle eines behaglichen, kleinen Büros.
»Hallo!« rief er überrascht. »Bin ich hier falsch?«
Das junge Mädchen, das sich vom Schreibtisch erhob, war jung, schlank und außergewöhnlich hübsch. Dunkelblondes, dichtes Haar fiel ihr In die Stirn. Klare, graue Augen blickten verwundert auf den Eintretenden.
»Das ist das Büro von Inspektor Holt«, sagte sie.
»Allmächtiger!« Larry schloß die Tür hinter sich, ging langsam zum zweiten Schreibtisch und setzte die Schale nieder.
»Das ist Inspektor Holts Büro«, wiederholte das Mädchen. »Sind die Sachen für ihn?«
»Ja.« Nachdenklich musterte er die neue Umgebung und zeigte auf ein weiß gedecktes Tischchen, auf dem ein Glas und eine Kanne standen. »Was ist das?«
»Das? Das ist für Inspektor Holt«, antwortete sie.
Larry schaute in die Kanne.
»Milch?« fragte er verblüfft.
»Ja - wissen Sie, Inspektor Holt ist ein alter Herr, er kommt von einer langen Reise, hat vielleicht eine Erfrischung nötig, und da hat mir der Kommissar vorgeschlagen, Milch ...«
Sie hielt inne und starrte Larry an, der in schallendes Gelächter ausbrach.
»Ich bin Inspektor Holt!« Er trocknete seine Augen.
»Sie?« stammelte sie.
»Ja, ja - John, der Kommissar, hat Ihnen einen Streich gespielt, Miss... Sind Sie etwa gar Miss Ward?«
»Ja, ich bin Miss Ward.«
Er streckte vergnügt die Hand aus.
»Miss Ward, dann sind wir Leidensgenossen! Wir beide sind Opfer eines niederträchtigen Polizeikommissars geworden. Ich bin außerordentlich erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen - und erleichtert.«
»Ich bin auch etwas erleichtert.« Sie lächelte liebenswürdig. »Sir John sagte mir, Sie wären sechzig Jahre alt und asthmatisch. Er empfahl mir, darauf zu achten, daß es im Büro nicht zieht. Ich habe heute nachmittag extra Filze an den Fenstern anbringen lassen.«
Larry setzte sich an seinen Schreibtisch.
»Vielleicht ist es ganz gut, daß ich nicht nach Monte Carlo gefahren bin! Nun wollen wir uns gleich an die Arbeit machen, meinen Sie nicht auch?«
Sie nahm ihren Stenogrammblock, und Larry untersuchte die Gegenstände, die in der Schale lagen.
»Schreiben Sie bitte: Uhr von Gildman, Toronto, goldene Kapseluhr, Nr. A 778 432. Keine Kratzer auf Innendeckel.« Er ließ den Deckel zuschnappen und zog die Uhr auf. «War ungefähr sechs Stunden, bevor sie stehenblieb, aufgezogen worden.«
»Handelt es ich um den Fall Stuart?« fragte Miss Ward.
»Ja, ist Ihnen etwas darüber bekannt?«
»Nur, was mir der Kommissar erzählt hat. Es ist traurig, nicht wahr? Aber ich habe mich schon so an die Schrecken hier gewöhnt, daß ich beinah abgehärtet bin. Und das übrige tut das Medizinstudium.
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