Manilow wollte die Hand unseres Helden gar nicht loslassen und fuhr fort, sie so warm zu drücken, daß dieser nicht mehr wußte, wie er sie losbekommen könnte. Endlich zog er sie sachte heraus und sagte, es wäre gut, den Kaufvertrag möglichst bald fertigzustellen, und es wäre zweckmäßig, wenn er, Manilow, selbst dazu nach der Stadt käme. Dann nahm er seinen Hut und begann sich zu empfehlen.

»Wie? Sie wollen schon fort?« sagte Manilow, der auf einmal zu sich kam und beinah erschrak. In diesem Augenblicke trat Frau Manilowa in das Arbeitszimmer.

»Lisanka«, sagte Manilow mit etwas kläglicher Miene, »Pawel Iwanowitsch verläßt uns!«

»Wir sind ihm gewiß langweilig geworden«, antwortete Frau Manilowa.

»Gnädige Frau! Hier«, sagte Tschitschikow, »sehen Sie, hier« – er legte die Hand aufs Herz –, »ja hier wird allezeit die Erinnerung an die angenehme Zeit leben, die ich mit Ihnen verlebt habe! Und glauben Sie mir: es würde für mich keine größere Seligkeit geben, als mit Ihnen zusammen zu leben, wenn nicht in demselben Hause, so doch wenigstens in nächster Nähe!«

»Und wissen Sie, Pawel Iwanowitsch«, sagte Manilow, dem dieser Gedanke sehr gefiel, »wie schön würde es in der Tat sein, wenn wir so zusammen lebten und unter einem Dache oder im Schatten einer Ulme über irgend etwas philosophierten und uns in unsere Gedanken vertieften! …«

»Oh, das wäre ein paradiesisches Leben!« rief Tschitschikow mit einem Seufzer. »Leben Sie wohl, gnädige Frau!« fuhr er fort und trat zu ihr, um ihr die Hand zu küssen. »Leben Sie wohl, hochverehrter Freund! Vergessen Sie meine Bitte nicht!«

»Oh, seien Sie ganz sicher!« antwortete Manilow. »Ich trenne mich von Ihnen nicht länger als auf zwei Tage.«

Alle gingen in das Eßzimmer.

»Lebt wohl, ihr lieben Kleinen!« sagte Tschitschikow, als er Alkid und Themistoklus erblickte, die mit einem hölzernen Husaren spielten, der keine Arme und keine Nase mehr hatte. »Lebt wohl, meine Jüngelchen! Ihr seid mir doch nicht böse, daß ich euch nichts mitgebracht habe, da ich, offen gestanden, nicht einmal wußte, daß ihr auf der Welt wart; aber wenn ich jetzt einmal wiederkomme, werde ich euch ganz bestimmt etwas mitbringen. Dir werde ich einen Säbel mitbringen. Möchtest du einen Säbel haben?«

»Ja«, antwortete Themistoklus.

»Und dir eine Trommel; nicht wahr, dir eine Trommel«, fuhr Tschitschikow fort, sich zu Alkid hinabbeugend.

»Eine Dommel«, antwortete Alkid flüsternd und mit gesenktem Kopfe.

»Schön, ich werde dir eine Trommel mitbringen, eine prächtige Trommel! Die wird immer Bumburumburumbumbum machen. Lebewohl, mein Herzchen! Lebewohl!« Er küßte ihn auf den Kopf und wandte sich zu Manilow und seiner Gattin mit jenem kurzen Lachen, mit dem man sich gewöhnlich an die Eltern wendet, um ihnen zu verstehen zu geben, wie harmlos die Wünsche ihrer Kinder sind.

»Wirklich, Sie sollten noch hierbleiben, Pawel Iwanowitsch!« sagte Manilow, als sie alle schon auf die Freitreppe hinausgegangen waren. »Sehen Sie nur, was da für Gewitterwolken aufsteigen!«

»Es sind nur unbedeutende Wölkchen«, erwiderte Tschitschikow.

»Kennen Sie denn auch den Weg zu Sobakewitsch?«

»Danach wollte ich Sie eben fragen.«

»Erlauben Sie, ich werde es gleich Ihrem Kutscher auseinandersetzen.« Und nun setzte Manilow mit der gleichen Liebenswürdigkeit dem Kutscher die Sache auseinander und sagte dabei sogar einmal »Sie« zu ihm.

Der Kutscher hörte sich an, daß er zwei abzweigende Wege unbeachtet lassen und in den dritten einbiegen müsse, sagte: »Nun werden wir schon hinfinden, Euer Wohlgeboren«, und Tschitschikow fuhr ab, noch lange begleitet von den Verbeugungen seiner Wirte, die sich schließlich auf die Fußspitzen stellten und mit den Taschentüchern wehten.

Manilow stand noch lange auf der Freitreppe, mit den Augen die sich entfernende Britschke begleitend, und als sie schon gar nicht mehr zu sehen war, stand er immer noch da und rauchte seine Pfeife. Endlich ging er in sein Zimmer, setzte sich auf einen Stuhl und überließ sich seinen Gedanken, im Herzen froh darüber, daß er seinem Gaste hatte eine kleine Freude machen können. Dann gingen seine Gedanken unmerklich auf andere Gegenstände über und gerieten schließlich Gott weiß wohin. Er dachte an die Wonne des freundschaftlichen Lebens, und wie schön es sein müßte, mit einem Freunde am Ufer eines Flusses zu wohnen; dann begann er über diesen Fluß eine Brücke zu bauen, dann ein gewaltiges Haus mit einem so hohen Belvedere, daß man von da selbst Moskau sehen konnte; er träumte davon, daß er da abends in der freien Luft seinen Tee trinken und sich mit dem Freunde über irgendwelche angenehmen Gegenstände unterhalten wolle. Dann stellte er sich vor, daß er mit Tschitschikow zusammen in einem schönen Wagen zu einer Gesellschaft führe, und daß sie da alle Anwesenden durch ihr angenehmes Betragen in Entzücken versetzten, und daß der Kaiser, der von ihrer großen Freundschaft erfahren habe, ihnen den Generalsrang verliehe; und so dachte er immer weiter noch gar manches, was ihm selbst schließlich nicht mehr deutlich wurde. Die Erinnerung an Tschitschikows sonderbare Bitte unterbrach auf einmal all seine Träumereien. Mit dem Gedanken an sie konnte er in seinem Kopfe gar nicht zurechtkommen; wie er auch die Sache hin und her drehte, er vermochte schlechterdings nicht darüber zur Klarheit zu gelangen und saß lange Zeit so da und rauchte seine Pfeife; das zog sich bis zum Abendessen hin.

Drittes Kapitel

Tschitschikow saß in sehr zufriedener Gemütsstimmung in seiner Britschke, die schon lange wieder auf der großen Landstraße dahinrollte. Aus dem vorhergehenden Kapitel war bereits ersichtlich, worauf sein Geschmack und seine Neigungen besonders gerichtet waren, und man kann sich deshalb nicht darüber wundern, daß er sich bald ganz mit Leib und Seele in diesen Gegenstand vertiefte. Die Pläne, Berechnungen und Vorstellungen, die ihn beschäftigten, waren offenbar sehr vergnüglicher Art, da sie alle Augenblicke auf seinem Gesichte ein zufriedenes Lächeln hervorriefen. Von diesen Gedanken in Anspruch genommen, achtete er nicht darauf, daß sein Kutscher, sehr zufrieden mit der Aufnahme, die er bei Manilows Hofgesinde gefunden hatte, dem scheckigen Beipferde, das zur rechten Hand angespannt war, einige sehr vernünftige Bemerkungen zukommen ließ. Dieser Schecke war überaus listig und stellte sich nur so, als ob er ziehe, während das braune Deichselpferd und der Fuchs, der als linkes Beipferd ging (er wurde »der Assessor« genannt, weil er irgendwelchem Assessor abgekauft worden war), sich von ganzem Herzen anstrengten, so daß man es ihnen sogar an den Augen ansehen konnte, wieviel Vergnügen es ihnen machte. »Wenn du es auch schlau anfängst, ich werde doch noch schlauer sein!« sagte Selifan, indem er sich ein wenig erhob und dem Faulpelz einen Schlag mit der Peitsche versetzte. »Du mußt lernen, was deine Pflicht ist, du deutscher Zierbengel! Der Braune ist ein achtbares Pferd; er tut seine Schuldigkeit; ich gebe ihm gern ein Maß Hafer mehr, weil er ein achtbares Pferd ist; und der Assessor, der ist auch ein gutes Pferd … Na, na, was schüttelst du mit den Ohren? Hör zu, du Dummkopf, wenn man zu dir redet! Ich werde dich nichts Schlechtes lehren, du Racker. Nun sehe einmal einer, wie er wieder kriecht!« Hier schlug er ihn wieder mit der Peitsche und sagte dabei: »Du Kanaille! Du verfluchter Bonaparte! …« Dann rief er allen zu: »He, ihr, meine lieben Tierchen!« und führte einen Peitschenhieb, der sie alle drei traf, nicht zur Bestrafung, sondern um ihnen zu zeigen, daß er mit ihnen zufrieden sei. Nachdem er ihnen dieses Vergnügen gemacht hatte, richtete er seine Ansprache wieder an den Schecken: »Du denkst wohl, daß man es nicht merkt, wie du dich benimmst. Nein, lebe ehrlich, wenn du willst, daß man dir Achtung erweist. Da bei dem Gutsbesitzer, wo wir waren, das sind gute Menschen. Wenn einer ein guter Mensch ist, rede ich mit Vergnügen ein bißchen mit ihm; mit einem guten Menschen bin ich immer bald gut Freund; ob es Tee zu trinken gibt oder etwas zu essen, das tue ich gern, wenn einer ein guter Mensch ist. Einem guten Menschen erweist jeder Achtung.