Pierrot will heute nicht spielen, sondern Zuschauer sein, und Herr Skaramuz will in meinem Stücke durchaus nichts anders, als den Apollo agieren.

SKARAMUZ. Und mit Recht, Herr Directeur; ich habe die Narren lange genug gespielt, so daß ich es nun wohl auch einmal mit den Klugen versuchen kann.

WAGEMANN. Sie sind zu strenge, Herr Poet, Sie müssen den armen Leuten etwas mehr Freiheit lassen; man muß ihnen ein bißchen durch die Finger sehn.

POET. Doch das Schauspiel, die Kunst –

WAGEMANN. Je, das fügt sich ja doch. Sehn Sie, ich denke so: bezahlt haben die Zuschauer nun einmal, und damit ist das Wichtigste geschehn.

PIERROT. Adieu, Herr Poet, ich mische mich unter die verehrungswürdigen Zuschauer. Ich will einmal über die Lampen hinweg den berühmten Sprung vom Felsen Leukate in das Parterre hineintun, um zu sehen, ob ich entweder sterbe, oder von einem Narren zu einem Zuschauer kuriert werde.

 

Lebe wohl du alte Liebe,

Jetzt beginnt ein neues Leben,

Und mit sehr vernünftgem Streben

Fühl ich andre Herzenstriebe.

 

Keine Lampe soll mich schrecken,

Kein Souffleur hält mich zurück,

Nein, ich will das ruhge Glück

Eines Auditoris schmecken.

 

Nun empfangt mich, wilde Wogen,

Du, Theater, fahre hin,

Zu dem herrlichsten Gewinn

Fühl ich mich hinabgezogen.

 

Er springt ins Parterre.

 

Wo bin ich? o Himmel!

Ich atme noch immer?

O Wunder! ich stehe

Hier unten? die Schimmer

Der Lichter sind dort? –

Ihr seht mich, ihr Götter!

Von Leuten umgeben;

Stolz rag ich hervor!

Wem dank ich dies Leben?

Dies bessere Leben?

DIE ZUSCHAUER.

Herr Pierrot ist zum

Zuschauer aufgenommen!

Zuschauer Pierrot sei willkommen!

Sei gegrüßt, du großer Mann!

PIERROT.

Meint ihr mich, ihr Wohlgebornen?

Nehmt ihr mich zum Bruder an?

O mein Dank soll nicht ermüden,

Weil mein Busen atmen kann.

GRÜNHELM ein Zuschauer. Herrlich! herrlich! bei meiner Seele herrlich! Aber, um nicht eins ins andre zu reden, so möchte ich zur Abwechselung gern einmal mitspielen, das würde mir in der Seele wohltun.

 

Ich zittre nur, ich stottre nur,

Und kann es doch nicht lassen,

Ich fühl's, ich geh auf falscher Spur

Und dennoch muß ich spaßen.

 

Er steigt zum Theater hinauf.

 

Und somit, Herr Skaramuz, überlaßt mir nur gutwillig Eure komische Rolle, und Ihr mögt dann, wie gesagt, den Apollo übernehmen.

SKARAMUZ. Ich stehe zu Befehl; wenn ich Ihnen mit meiner ganzen Eigentümlichkeit aufwarten kann, so haben Sie zu gebieten.

GRÜNHELM. Allzu gütig, allzu gütig, nur ganz gehorsamst zu bitten.

POET. Aber was soll denn aus meinem vortrefflichen Schauspiele werden?

PIERROT zu den Zuschauern um ihn. Meine Herren, unterstützen Sie des Skaramuz' Gesuch; ich versichre Sie, ich schwöre es Ihnen zu, er wird den Apollo herrlich machen.

ZUSCHAUER. Skaramuz soll den Apollo spielen, und zwar auf lautes Begehren.

POET. Nun gut, ich wasche meine Hände, ob sie mir gleich gebunden sind; das Publikum mag alles zu verantworten haben.

PUBLIKUM. Wir getrauen es uns zu verantworten.

POET. Ich bin im größten Elende – ach freilich, ist es die Bestimmung unserer Kunst, gänzlich mißverstanden und travestiert zu werden, und leider gefallen wir dann am meisten. Das Urteil, das an dem Marsyas vollzogen wurde, wird zur Vergeltung jetzt nur zu oft an der Poesie ausgeübt. Ich weiß mich vor Schmerzen nicht zu lassen. Herr Grünhelm, Sie übernehmen also das Lustigmachen?

GRÜNHELM. Allerdings, mein Herr Poet, und ich will ganz gewiß meinen Mann stehn.

POET. Wie wollen Sie's denn anfangen?

GRÜNHELM. Herr, ich habe selber lange als ein Mann gedient, der sich damit abgibt, sich amüsieren zu lassen, ich meine als Zuschauer, darum weiß ich auch genau, was gefällt. Die Leute da unten wollen nämlich unterhalten sein; das ist im Grunde der einzige Grund, warum sie so still und ruhig dastehn.

POET. Gut! aber wie wollen Sie es denn machen?

GRÜNHELM. Sehn Sie, auf den guten Willen der Zuschauer kömmt freilich das meiste an, das weiß ich so gut, wie Sie; die wahre Kunst ist daher die, diesen guten Willen so recht emporzubringen, ich meine nämlich, daß die Gutherzigkeit oben bleibt.

POET. Nun freilich, aber eben die Mittel –

GRÜNHELM. Nun, das ist ja meine Sorge, Herr Poet, darum haben Sie sich ja gar nicht zu kümmern. Singt.

 

Der Vogelfänger bin ich ja, u.s.w.

ZUSCHAUER. Bravo! Bravo!

GRÜNHELM.