»Verliebst du dich in die göttliche Victoria, du Sumpf?« fragte ihn Guicciardin mit einem derben Gelächter.
»Spaß beiseite, Guicciardin, was denkst du von dem hier mit dem roten Wamse?« und der Kanzler wies auf den Feldherrn.
»Er sieht wie ein Henker.«
»Nicht, Guicciardin. Ich meine: was sagst du zu diesen Zügen?
Sind es die eines Italieners oder die eines Spaniers?«
»Eine schöne Mischung, Morone. Die Laster von beiden: falsch, grausam und geizig! So habe ich ihn erfahren, und du selbst, Kanzler, hast mir ihn so gezeichnet. Erinnere dich! in Rom, vor zwei Jahren, da der witzige Jakob uns zusammen über den Tiber setzte.«
»Hab ich? Dann war es der Irrtum eines momentanen Eindrucks. Menschen und Dinge wechseln.«
»Die Dinge, ja; die Menschen, nein: sie verkleiden und spreizen sich, doch sie bleiben, wer sie sind. Nicht wahr, Hoheit?«
Guicciardin wendete sich gegen den Herzog, welcher eben ein trat und dem der Venezianer auf dem Fuße folgte.
Die vier grünen Schemel besetzten sich und die Türen wurden verboten. Das offene Fenster füllte ein glühender Abendhimmel.
»Herrschaften«, begann der Herzog mit würdiger Miene, »wie weit die Vollmachten?«
»Meine Bescheidenheit«, sagte der schöne Lälius, »ist beauftragt abzuschließen.«
»Die Weisheit des Heiligen Vaters«, folgte Guicciardin, »wünscht ebenfalls ein Ende. Die Liga war langeher der Liebling ihrer Gedanken: sie stellt sich, wie ihr gebührt, an die Spitze, mit Vorbehalt der schonenden Formen des höchsten Hirtenamtes.«
»Die Liga ist geschlossen!« rief der Herzog mutig. »Kanzler, statte Bericht ab!«
»Herrschaften«, begann dieser, »in ihren Briefen verspricht die französische Regentschaft, im Einverständnis mit dem zu Madrid gefangen sitzenden Könige, ein ansehnliches Heer und entsagt zugleich endgültig, in die Hände des Heiligen Vaters, den Ansprüchen auf Neapel und Mailand.«
»Optime!« jubelte der Herzog. »Und Schweizer bekämen wir soviel wir wollen, in lichten Haufen, wenn wir nur Dukaten hätten, ihnen damit zu klingeln. Nicht wahr, Kanzler?«
»Da ist Rat zu schaffen«, versicherten die zwei andern.
»Aber, Herren«, drängte Morone, »es eilt! Der Borbone war hier. Man blickt uns in die Karten. Die drei Feldherrn drohen in Monatsfrist Mailand zu nehmen, wenn wir nicht abrüsten Wir müssen losschlagen, und um loszuschlagen, müssen wir unsern Capitano wählen, jetzt, sogleich!«
»Dazu sind wir gekommen«, sprachen die zweie wiederum einstimmig.
»Der Liga den Feldherrn geben!« wiederholte der Kanzler »Das ist nicht weniger als über das Los Italiens entscheiden! Wen stellen wir dem Pescara entgegen, dem größten Feldherrn der Gegenwart? Nennet mir den ebenbürtigen Geist! Unsern großen Kriegsleuten, dem Alviano, dem Trivulzio, ist längst die Grabschrift gemacht, und die übrigen hat Pavia getötet. Nennet mir ihn! Zeiget mir die mächtige Gestalt! Wo ist die gepanzerte rettende Hand, daß ich sie ergreife?«
Eine trübe Stimmung kam über die Gesellschaft, und der Kanzler weidete sich an der Niedergeschlagenheit der Verbündeten.
»Wir haben den Urbinaten oder den Ferraresen«, meinte Nasi, doch Guicciardin erklärte bündig, den Herzog von Ferrara schließe die Heiligkeit aus als ihren abtrünnigen Lehensmann. »Wählen wir den Herzog von Urbino. Er ist kleinlich und selbstsüchtig, ohne weiten Blick, ein ewiger Verschlepper und Zauderer, aber ein versuchter Kriegsmann, und es bleibt uns kein anderer«, sprach der Florentiner mit gerunzelter Stirn.
»Da wäre noch Euer Hans Medici, Guicciardin, und Ihr hättet den jungen Waghals, nach dem Euer Herz zu begehren scheint«, neckte ihn der Venezianer.
»Höhnt Ihr mich, Nasi?« zürnte Guicciardin. »Daß ein junger Frevler unsere patriotische Sache entweihe und ein tollkühner Bube unsern letzten Krieg mit den Würfeln einer leichtsinnigen Schlacht verspiele? Der Urbinate wird uns wenigstens nicht verderben, wenn er den Krieg verewigt, die Hilfe eines würgenden Fiebers oder eines Auflaufes der Landsknechte im kaiserlichen Lager abwartend. Wählen wir ihn.« Er seufzte, und in demselben Augenblicke fuhr er wütend gegen den Kanzler los, den er das Ende seiner Rede mit einem verzweifelnden Gebärdenspiele begleiten sah. »Laß die Grimassen, Narr!« schrie er ihn an, »... ich bitte um Vergebung, Hoheit, wenn ich ungeduldig werde, und Hoheit ist auf meiner Seite, wie ich glaube ...« Der Herzog blickte auf seinen Kanzler.
»Sei es«, sagte Morone, »wir stimmen bei, aber es ist ein unfreudiges Ja, das die Hoheit zu dem seelenlosen Anfange unsers Bündnisses gibt.« Der Herzog nickte trübselig. »Nein«, rief der Kanzler, »sie gibt es nicht, die Hoheit tritt zurück, sie kann es nicht verantworten, die letzten Kräfte dieses Herzogtums zu erschöpfen! Sie zieht nicht zu Felde, im voraus entmutigt und geschlagen! Die Liga ist aufgehoben! Oder wir suchen ihr einen siegenden Feldherrn.«
Die zwei andern schwiegen mißmutig.
»Und ich weiß einen!« sagte Morone.
»Du weißt ihn?« schrie Guicciardin. »Bei allen Teufeln, heraus damit! Rede! Wen werfen wir in die Waagschale gegen Pescara?«
»Redet, Kanzler!« trieb auch der Venezianer.
Morone, der von seinem Schemel aufgesprungen war, trat einen Schritt vorwärts und sprach mit starker Stimme: »Wen wir gegen Pescara in die Waagschale werfen? welchen Ebenbürtigen? Pescara, ihn selber!«
Ein Schrecken versteinerte die Gesellschaft. Der Herzog starrte seinen außerordentlichen Kanzler mit aufgerissenen Augen an, während Guicciardin und der Venezianer langsam die Hand an die Stirn legten und zu sinnen begannen. Beide errieten sie als kluge Leute ohne Schwierigkeit, wie Morone es meinte. Sie waren die Söhne eines Jahrhunderts, wo jede Art von Verrat und Wortbruch zu den alltäglichen Dingen gehörte. Hätte es sich um einen gewöhnlichen Condottiere gehandelt, einen jener fürstlichen oder plebejischen Abenteurer, welche ihre Banden dem Meistbietenden verkauften, sie hätten wohl dem Kanzler sein frevles Wort von den Lippen vorweggenommen. Aber den ersten kaiserlichen Heerführer? aber Pescara? Unmöglich! Doch warum nicht Pescara? Und da Morone leidenschaftlich zu sprechen begann, verschlangen sie seine Worte.
»Herrschaften«, sagte dieser, »Pescara ist unter uns geboren. Er hat Spanien niemals betreten. Die herrlichste Italienerin ist sein Weib. Er muß Italien lieben.
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