Frau Ilse (oder Frau Ilsy, wie sie ausgesprochen wurde) hatte ihn auf seinen verschiedenen Reisen von Deutschland nach England und von England nach der Provinz begleitet; sie gouvernirte seinen Haushalt, sowie ihn selbst; leitete ihn mit einer milden Hand, führte aber eine hohe Sprache gegen alle übrige Welt. Wie sie eine solche Uebermacht erlangt hatte, wissen wir nicht zu sagen. Es ist wahr, das Volk sagte – aber was sagt das Volk nicht Alles, seit die Welt steht? Wer kann sagen, wie die Frauen im Allgemeinen es anfangen, um die Oberherrschaft zu gewinnen? Es giebt Männer, das ist wahr, die hier und da Herren in ihrem eigenen Hause sind, aber wer hat je einen Junggesellen gekannt, der nicht unter dem Pantoffel seiner Haushälterin gestanden hätte?

Aber Frau Ilsy’s Gewalt beschränkte sich nicht blos auf des Doktors Haushalt. Sie war eine von den geschäftigen Klätscherinnen, welche die Geschäfte aller Anderen besser als sie selbst verstehen; deren allsehende Augen und allsprechende Zungen der Schrecken der ganzen Nachbarschaft sind.

Nichts von einiger Wichtigkeit verlautete in diesem kleinen Flecken, Frau Ilsy wußte es. Sie hatte ein Häuflein alter Bekannter, die immer mit einigen kostbaren neuen Bissen zu ihrer Wohnung eilten; ja, sie kramte bisweilen ein ganzes Buch geheimer Geschichten aus, während sie die Thüre zur Straße in der Hand hielt und mit einer dieser geschwätzigen Bekannten im rauhen December schwatzte.

Man kann sich leicht denken, daß Dolph, zwischen dem Doktor und der Haushälterin in der Mitte, ein sehr unruhiges Leben hatte. Da Frau Ilsy die Schlüssel und buchstäblich die Herrschaft über die Küche hatte, so führte es zum Verderben, sie zu beleidigen, und er fand das Studium ihres Charakters schwieriger als selbst das der Medicin. Wenn er nicht in dem Laboratorium beschäftigt war, schickte sie ihn dahin und dorthin, und am Sonntag mußte er sie in die Kirche hin und zurück begleiten und ihr die Bibel tragen. Manchmal stand der arme Bursche auf dem Kirchhof frostig und hauchte sich in die Finger oder hielt sich die erfrorene Nase, während Ilsy und ihre Basen zusammenstanden, die Köpfe schüttelten und einige unglückliche Seelen herunterrissen.

Bei allen Vortheilen machte Dolph doch nur sehr kleine Fortschritte in seiner Kunst. Dieß lag gewiß nicht an dem Doktor, denn er gab sich unermüdet mit dem Burschen ab, hielt ihn streng an Mörser und Mörserkeule, oder setzte ihn in Trapp, Flaschen und Pillenschachteln in die Stadt zu tragen; und wenn er einmal in seinem Fleiß nachließ, was er gern zu thun pflegte, gerieth der Doktor in Harnisch und fragte, ob er wohl dächte seine Profession zu lernen, wenn er sich nicht eifriger zum Studiren anschickte. Die Wahrheit ist, daß er immer noch Neigung zu Spiel und Possen hatte, wie in seiner Kindheit; in der That war die Gewohnheit mit den Jahren stärker geworden und hatte sich gesteigert, weil sie gehindert und beschränkt wurden war. Er wurde täglich unfolgsamer und verlor sowohl die Gunst des Doktors als der Haushälterin.

Zu gleicher Zeit wurde der Doktor immer wohlhabender und berühmter. Besonders rühmte man seine Geschicklichkeit in Behandlung von Fällen, von denen gar nichts in den Büchern stand. Er hatte verschiedene alte Weiber und junge Mädchen von Bezauberung geheilt, eine schreckliche Krankheit, in jenen Tagen fast so herrschend in der Provinz wie die Wasserscheu in unseren Zeiten. Er hatte soeben eine starke Bauerndirne vollkommen hergestellt, welche krumme Näh-und Stecknadeln ausbrach, was man als ein verzweifeltes Stadium der Krankheit betrachtet. Man flüsterte sich auch zu, daß er die Kunst besitze, Liebespulver zu bereiten, und manche Liebeskranke beider Geschlechter gingen ihn um seinen Rath an. Aber alle diese Fälle bildeten den geheimen Theil seiner Praxis, wobei man sich nach dem bekannten Ausdruck auf »Verschwiegenheit und Ehre verlassen konnte«. Dolph mußte deßhalb, wenn immer solche Konsultationen stattfanden, seine Studien einstellen, obschon man sagte, daß er mehr von den Geheimnissen der ärztlichen Kunst durch das Schlüsselloch lernte, als durch alle seine Studien zusammengenommen.

Wie nun der Doktor immer wohlhabender wurde, fing er an, seine Besitzungen zu erweitern und, gleich anderen großen Männern, an die Zeit zu denken, wo er sich auf dem Lande zur Ruhe setzen könne. Zu diesem Zwecke hatte er sich wenige Meilen von der Stadt ein Landgut oder, wie es die holländischen Ansiedler nannten, eine Bowerie gekauft. Es war der Sitz einer wohlhabenden Familie gewesen, die vor einiger Zeit nach Holland zurückgekehrt war. In der Mitte desselben stand ein großes Wohnhaus, noch wohl erhalten, das aber in Folge gewisser Gerüchte nur das verzauberte Haus genannt wurde. Entweder dieser Gerüchte oder seiner wirklichen Unheimlichkeit wegen konnte der Doktor keinen Miethsmann finden; und um es nun nicht verfallen zu lassen und darin einmal wohnen zu können, setzte er einen Bauer mit seiner Familie in einen Flügel, mit der Bedingung, das Landgut gegen einen Antheil am Gewinn zu bebauen.

Der Doktor fühlte sich nun in der ganzen Würde eines Gutsherrn. Er hatte ein wenig von dem deutschen Stolz auf Landbesitz in seinem Charakter und betrachtete sich fast als Besitzer einer Herrschaft. Er begann sich über die Beschwerden seines Geschäfts zu beklagen und liebte es auszureiten, »um seine Saaten zu besehen«. Seine kleinen Reisen aufs Land waren mit einem Geräusch und einem Gepränge verbunden, die in der ganzen Nachbarschaft Aufsehen erregten. Sein glasäugiges Pferd stand, stampfend und die Fliegen abwehrend, eine volle Stunde vor dem Hause. Dann wurde des Doktors Sattelzeug herbeigebracht und aufgelegt. Dann, nach einer kleinen Weile, wurde sein Mantel aufgerollt und mit Riemen festgeschnallt; ferner wurde sein Regenschirm auf den Mantel geschnallt, während ein Haufe zerlumpter Buben, diese neugierige Klasse von Wesen, vor der Thüre versammelt war. Endlich kam der Doktor, in Kourierstiefeln, die ihm bis über die Kniee reichten, und mit einem aufgekrämpten Hut, der bis über die Stirne herab schlappte. Da er ein kurzer, fetter Mann war, so kostete es einige Zeit, ehe er in den Sattel kam, und wenn es so weit war, so brauchte er wieder einige Zeit, den Sattel und die Steigbügel gehörig in Ordnung zu bringen, was Alles die Bewunderung der Straßenjungen erregte. Wenn er sich aufgesetzt hatte, hielt er in der Mitte der Straße still oder trottirte zwei-oder dreimal zurück, um noch einige Befehle zu ertheilen, worauf die Haushälterin von der Thüre, oder Dolph aus dem Studirzimmer, oder die schwarze Köchin aus dem Keller, oder das Stubenmädchen aus dem Dachfenster antwortete.