»Hat das Geschwätz über das Haus denn kein Ende? Was sind das für Narren! lassen sich von einigen Ratten und Mäusen so in Furcht setzen, daß sie ihre schöne Wohnung aufgeben.«
»Nein, nein«, sagte die Haushälterin, indem sie ihren Kopf schüttelte und beleidigt that, daß man ihre schöne Geistergeschichte in Zweifel zog, »da handelt es sich um etwas Anderes als um Ratten und Mäuse. Die ganze Nachbarschaft spricht von dem Hause und von den Erscheinungen, die darin gesehen worden sind. Peter de Groodt sagt mir, daß die Familie, die Ihnen das Haus verkauft hat und nach Holland gezogen ist, mehre seltsame Anspielungen darüber habe verlauten lassen und geäußert habe: sie wünschte Ihnen viel Glück zu dem Handel, und Sie wissen ja selbst, daß keine Familie darin leben kann.«
»Peter de Groodt ist ein Pinsel, ein altes Weib«, sagte der Doktor empfindlich; »ich will dafür thun, daß er nicht die Köpfe des Volks mit solchen Geschichten anfüllt. Es ist dasselbe wie mit seinem Unsinn von dem Geiste, der auf dem Kirchthurme spuken soll, und womit er sich entschuldigte, daß er nicht in der kalten Nacht, als es in Hermann Brinkerhofs Hause brannte, die Glocke läuten ließ. Schicke Claus zu mir.«
Claus Hopper erschien, ein einfacher Bauernlümmel, voll Ehrfurcht, als er sich in dem Studirzimmer des Doktors Knipperhausen befand, und zu verlegen, daß er in die Einzelheiten der Sache hätte eingehen können, die so viel Unruhe veranlaßt hatte. Da stand er, drehte seinen Hut in einer Hand, stützte sich bisweilen auf ein Bein, zuweilen auf das andere, schaute gelegentlich auf den Doktor und warf hier und da einen furchtsamen Blick auf den Todtenkopf, der ihn oben von der Kleiderpresse anzublicken schien.
Der Doktor versuchte jedes Mittel, um ihn zu bereden, wieder nach dem Landgut zurückzukehren, aber Alles war vergebens; er blieb fest auf seiner Weigerung und erwiderte am Schluß eines jeden Beweises oder jeder Bitte kurz und unbeugsam: »Ich kann nicht, mein Herr.« Der Doktor gehörte unter die kleinen Töpfchen, die bald überlaufen; seine Geduld war durch diese fortgesetzten, seine Besitzungen betreffenden Quälereien erschöpft. Der hartnäckige Widerstand Claus Hoppers erschien ihm als offenbare Rebellion; sein Zorn wallte auf, und Claus hatte gerade noch Zeit, ihm durch einen schnellen Rückzug zu entgehen.
Als der Lümmel in das Gemach der Haushälterin kam, traf er da Peter de Groodt und einige andere Gläubige, die ihn aufzunehmen bereit waren. Hier hielt er sich schadlos für die Unbilden, die er in dem Studirzimmer hatte ertragen müssen, und ließ einen Vorrath von Geschichten über das verzauberte Haus ausströmen, daß alle seine Zuhörer in Erstaunen geriethen. Die Haushälterin glaubte an alles, wenn es auch nur war, um den Doktor zu ärgern, weil er ihren Bericht so unanständig aufgenommen hatte. Peter de Groodt stellte sie mit manchen Legenden aus den Zeiten der holländischen Dynastie und des Teufels Treppensteinen zusammen; desgleichen mit dem Seeräuber, der zu Gibbet Island gehängt wurde und des Nachts sich noch schaukelte, lange nachdem der Galgen schon weggenommen war; ferner mit dem Geist des unglücklichen Gouverneurs Leisler, der wegen Verraths gehängt worden war und in der alten Festung und im Gouvernementshause umging. Die Klatschgesellschaft zerstreute sich, alle voll von schrecklichen Geschichten. Der Küster begab sich zu einer kirchlichen Feier, die an dem Tage abgehalten wurde, und die schwarze Köchin verließ die Küche, brachte den halben Tag bei der Straßenpumpe zu, dem Klatschplatz der Dienerschaften, und theilte die Neuigkeiten Allen mit, die Wasser zu holen kamen. In kurzer Zeit war die ganze Stadt voll von Geschichten über das bezauberte Haus. Einige sagten, Claus Hopper habe den Teufel gesehen, während Andere darauf anspielten, es mochten die Geister einiger der Patienten umgehen, die der Doktor aus der Welt spedirt habe, und daß dieß der Grund sei, weßhalb er es nicht wage, selbst darin zu wohnen.
Alles dieses brachte den kleinen Doktor in eine schreckliche Laune. Er schwur Jedem Rache, der den Werth seines Eigenthums schmälerte, dadurch daß er das Volksvorurtheil dagegen aufregte. Er beklagte sich laut, daß er auf solche Weise durch einen bloßen Popanz aus dem Besitz seines Gutes getrieben werde; heimlich aber beschloß er, das Haus von dem Geistlichen durch Exorcismus reinigen zu lassen. Sehr erleichtert fühlte er sich deßhalb, als mitten in seinen Verlegenheiten Dolph sich einstellte und sich erbot das verzauberte Haus zu beziehen. Der Bursche hatte auf alle die Geschichten Claus Hoppers und Peter de Groodts gelauscht; er war ein Liebhaber von Abenteuern, hatte das Wunderbare gern, und seine Einbildungskraft wurde ganz aufgeregt durch diese geheimnißvollen Erzählungen. Uebrigens erging es ihm so schlecht bei dem Doktor, und er war einer so unerträglichen Knechtschaft hingegeben, daß er sich der Aussicht freute, ein Haus für sich selbst zu bewohnen, und wäre es auch ein verzaubertes. Sein Anerbieten wurde begierig angenommen, und es wurde beschlossen, er solle noch in derselben Nacht auf Wache ziehen. Die einzige Bedingung, die er machte, war, daß sein Unternehmen vor seiner Mutter geheim gehalten werde, denn er wußte, die arme Seele würde kein Auge schließen, wenn sie erführe, ihr Sohn lasse sich in den Krieg mit den Mächten der Finsterniß ein.
Als die Nacht anbrach, begann er sein gefährliches Unternehmen. Die alte schwarze Köchin, seine einzige Freundin im Hause, hatte ihn mit etwas für den Abendtisch und einem Binsenlicht versehen; auch band sie um seinen Hals ein Amulet, das ihr ein afrikanischer Zauberer als ein Mittel gegen böse Geister gegeben hatte. Dolph wurde auf seinem Wege von dem Doktor und Peter de Groodt begleitet, welche beschlossen hatten, ihn zu dem Hause zu führen und zu sehen, ob er auch gut logirt sei. Die Nacht war eingebrochen, und es war sehr dunkel, als sie in der Gegend ankamen, die das Haus umgab. Der Küster leuchtete mit der Laterne. Als sie längs der Akazienallee gingen, machte das wechselnde, von Busch zu Busch und von Baum zu Baum wandernde Licht den beherzten Peter stutzig und verursachte, daß er auf seine Nachfolger zurückfiel; der Doktor aber hing sich immer fester an Dolphs Arm, indem er bemerkte, der Boden sei sehr schlüpfrig und uneben. Auf einmal wurden sie von einer Fledermaus, die um die Laterne herumflatterte, in Schrecken gesetzt; und das Zirpen der Insekten von den Bäumen und die Frösche von dem nahen Sumpf verursachten ein sehr trauriges und unangenehmes Koncert.
Die Eingangsthüre des Hauses öffnete sich mit einem knarrenden Geräusch, worauf der Doktor bleich wurde. Sie gingen durch einen ziemlich großen Vorsaal, wie sie in amerikanischen Landhäusern üblich sind, wo sie bei warmem Wetter zum Sitzen dienen. Von da stiegen sie eine breite Treppe hinauf, die bei jedem Fußtritt stöhnte und krachte, so daß jeder Tritt einen besonderen Ton gab, wie die Griffe eines Klaviers. Diese führte zu einem andern Saal im zweiten Stock, von wo sie in das Zimmer traten, in welchem Dolph schlafen sollte.
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