KLYTÄMNESTRA.
Die Bräuche sag!
Wie brächt ichs dar? ich selber muß –
ELEKTRA.
Nein. Diesmal
gehst du nicht auf die Jagd mit Netz und Beil.
KLYTÄMNESTRA.
Wer denn? wer bringt es dar?
ELEKTRA.
Ein Mann.
KLYTÄMNESTRA.
Ägisth?
ELEKTRA lacht.
Ich sagte doch: ein Mann!
KLYTÄMNESTRA.
Wer? gib mir Antwort.
Vom Hause jemand? oder muß ein Fremder
herbei?
ELEKTRA zu Boden stierend, wie abwesend.
Ja, ja, ein Fremder. Aber freilich
ist er vom Haus.
KLYTÄMNESTRA.
Gib mir nicht Rätsel auf.
Elektra, hör mich an. Ich freue mich,
daß ich dich heut einmal nicht störrisch finde.
Wenn Eltern hart sind, ist es stets das Kind,
das sie zur Härte zwingt. Kein strenges Wort
ist ganz unwiderruflich, und die Mutter,
wenn sie schlecht schläft, denkt lieber sich das Kind
im Ehebett als an der Kette liegen.
ELEKTRA vor sich.
Da gehts dem Kinde umgekehrt: das dächte
die Mutter lieber tot als in dem Bette.
KLYTÄMNESTRA.
Was murmelst du? Ich sage, daß kein Ding
unwiderruflich ist. Geht denn nicht alles
vor unsern Augen über und verwandelt
sich wie ein Nebel? Und wir selber, wir!
und unsre Taten! Taten! Wir und Taten!
Was das für Worte sind. Bin ich denn noch,
die es getan? Und wenn! getan, getan!
Getan! was wirfst du mir da für ein Wort
in meine Zähne! Da stand er, von dem
du immer redest, da stand er und da
stand ich und dort Ägisth, und aus den Augen
die Blicke trafen sich: da war es doch
noch nicht geschehn! und dann veränderte
sich deines Vaters Blick im Sterben so langsam
und gräßlich, aber immer noch
in meinem hängend – und da wars geschehn:
dazwischen ist kein Raum! Erst wars vorher,
dann wars vorbei – dazwischen hab ich nichts
getan.
ELEKTRA.
Nein, die dazwischen liegt, die Arbeit,
die tat das Beil allein.
KLYTÄMNESTRA.
Wie du die Worte
hineinbringst.
ELEKTRA.
Nicht so tüchtig, noch so flink
wie du Axthieb auf Axthieb.
KLYTÄMNESTRA.
Davon will ich
nichts hören. Schweig. Wenn mir dein Vater heute
entgegenkäme – so wie ich mit dir
da rede, könnt ich mit ihm reden. Zwar
kann sein, mich schauderte, doch kann auch sein,
ich könnte zärtlich zu ihm sein und weinen,
wie wenn zwei alte Freunde sich begegnen.
ELEKTRA vor sich.
Gräßlich, sie redet von dem Mord als wärs
ein Zank vorm Nachtmahl.
KLYTÄMNESTRA.
Sag du deiner Schwester,
sie soll nicht so wie ein verschreckter Hund
vor mir ins Dunkel flüchten. Heiß sie, freundlich,
wie sichs geziemt, mich grüßen, und gelassen
mir Rede stehn. Dann weiß ich wahrlich nicht,
was mich verhindern könnte, dich und sie
vor Winter zu vermählen.
ELEKTRA.
Und der Bruder?
Läßt du den Bruder nicht nach Hause, Mutter?
KLYTÄMNESTRA.
Von ihm zu reden hab ich dir verboten.
ELEKTRA.
So hast du Furcht vor ihm?
KLYTÄMNESTRA.
Wer sagt das?
ELEKTRA.
Mutter,
du zitterst ja!
KLYTÄMNESTRA.
Wer fürchtet sich vor einem Schwachsinnigen.
ELEKTRA.
Wie?
KLYTÄMNESTRA.
Es heißt,
er stammelt, liegt im Hofe bei den Hunden
und weiß nicht Mensch und Tier zu unterscheiden.
ELEKTRA.
Das Kind war ganz gesund.
KLYTÄMNESTRA.
Es heißt, sie gaben
ihm eine schlechte Wohnung und die Tiere
des Hofes zur Gesellschaft.
ELEKTRA.
Ah!
KLYTÄMNESTRA mit gesenkten Augenlidern.
Ich schickte
viel Gold und wieder Gold, sie sollten ihn
gut halten als ein Königskind.
ELEKTRA.
Du lügst!
Du schicktest Gold, damit sie ihn erwürgen.
KLYTÄMNESTRA.
Wer sagt dir das?
ELEKTRA.
Ich sehs in deinen Augen.
Allein an deinem Zittern seh ich auch,
daß er noch lebt. Daß du bei Tag und Nacht
an nichts denkst als an ihn. Daß dir das Herz
verdorrt vor Grauen, weil du weißt: er kommt.
KLYTÄMNESTRA.
Lüg nicht. Was kümmert mich, wer außer Haus ist.
Ich lebe hier und bin die Herrin. Diener
hab ich genug, die Tore zu bewachen,
und wenn ich will, laß ich bei Tag und Nacht
vor meiner Kammer drei Bewaffnete
mit offenen Augen sitzen. Was du redest,
das hör ich nicht einmal. Ich weiß auch nicht,
wer dieser ist, von dem du redest.
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