Ah, mein Prinz--wir Maler rechnen darauf,
daß das fertige Bild den Liebhaber noch ebenso warm findet, als warm
er es bestellte. Wir malen mit Augen der Liebe: und Augen der Liebe
müßten uns auch nur beurteilen.
Der Prinz. Je nun, Conti--warum kamen Sie nicht einen Monat früher
damit?--Setzen Sie weg.--Was ist das andere Stück?
Conti (indem er es holt und noch verkehrt in der Hand hält). Auch ein
weibliches Porträt.
Der Prinz. So möcht' ich es bald--lieber gar nicht sehen. Denn dem
Ideal hier (mit dem Finger auf die Stirne)--oder vielmehr hier (mit
dem Finger auf das Herz) kömmt es doch nicht bei.--Ich wünschte, Conti,
Ihre Kunst in andern Vorwürfen zu bewundern.
Conti. Eine bewundernswürdigere Kunst gibt es, aber sicherlich keinen
bewundernswürdigern Gegenstand als diesen.
Der Prinz. So wett ich, Conti, daß es des Künstlers eigene Gebieterin
ist.--(Indem der Maler das Bild umwendet.) Was seh ich? Ihr Werk,
Conti? oder das Werk meiner Phantasie?--Emilia Galotti!
Conti. Wie, mein Prinz? Sie kennen diesen Engel?
Der Prinz (indem er sich zu fassen sucht, aber ohne ein Auge von dem
Bilde zu verwenden). So halb!--um sie eben wiederzukennen.--Es ist
einige Wochen her, als ich sie mit ihrer Mutter in einer Vegghia traf.
--Nachher ist sie mir nur an heiligen Stätten wieder vorgekommen--wo
das Angaffen sich weniger ziemet.--Auch kenn ich ihren Vater. Er ist
mein Freund nicht. Er war es, der sich meinen Ansprüchen auf
Sabionetta am meisten widersetzte.--Ein alter Degen, stolz und rauh,
sonst bieder und gut!-Conti. Der Vater! Aber hier haben wir seine
Tochter.
Der Prinz. Bei Gott! wie aus dem Spiegel gestohlen! (Noch immer die
Augen auf das Bild geheftet.) Oh, Sie wissen es ja wohl, Conti, daß
man den Künstler dann erst recht lobt, wenn man über sein Werk sein
Lob vergißt.
Conti. Gleichwohl hat mich dieses noch sehr unzufrieden mit mir
gelassen.--Und doch bin ich wiederum sehr zufrieden mit meiner
Unzufriedenheit mit mir selbst.--Ha! daß wir nicht unmittelbar mit den
Augen malen! Auf dem langen Wege, aus dem Auge durch den Arm in den
Pinsel, wieviel geht da verloren!--Aber, wie ich sage, daß ich es weiß,
was hier verlorengegangen und wie es verlorengegangen und warum es
verlorengehen müssen: darauf bin ich ebenso stolz und stolzer, als ich
auf alles das bin, was ich nicht verlorengehen lassen. Denn aus jenem
erkenne ich, mehr als aus diesem, daß ich wirklich ein großer Maler
bin, daß es aber meine Hand nur nicht immer ist.--Oder meinen Sie,
Prinz, daß Raffael nicht das größte malerische Genie gewesen wäre,
wenn er unglücklicherweise ohne Hände wäre geboren worden? Meinen Sie,
Prinz?
Der Prinz (indem er nur eben von dem Bilde wegblickt). Was sagen Sie,
Conti? Was wollen Sie wissen?
Conti. O nichts, nichts!--Plauderei! Ihre Seele, merk ich, war ganz
in Ihren Augen. Ich liebe solche Seelen und solche Augen.
Der Prinz (mit einer erzwungenen Kälte). Also, Conti, rechnen Sie
doch wirklich Emilia Galotti mit zu den vorzüglichsten Schönheiten
unserer Stadt?
Conti. Also? mit? mit zu den vorzüglichsten? und den vorzüglichsten
unserer Stadt?--Sie spotten meiner, Prinz. Oder Sie sahen die ganze
Zeit ebensowenig, als Sie hörten.
Der Prinz. Lieber Conti--(die Augen wieder auf das Bild gerichtet,)
wie darf unsereiner seinen Augen trauen? Eigentlich weiß doch nur
allein ein Maler von der Schönheit zu urteilen.
Conti. Und eines jeden Empfindung sollte erst auf den Ausspruch eines
Malers warten?--Ins Kloster mit dem, der es von uns lernen will, was
schön ist! Aber das muß ich Ihnen doch als Maler sagen, mein Prinz:
eine von den größten Glückseligkeiten meines Lebens ist es, daß Emilia
Galotti mir gesessen. Dieser Kopf, dieses Antlitz, diese Stirne,
diese Augen, diese Nase, dieser Mund, dieses Kinn, dieser Hals, diese
Brust, dieser Wuchs, dieser ganze Bau, sind, von der Zeit an, mein
einziges Studium der weiblichen Schönheit.--Die Schilderei selbst,
wovor sie gesessen, hat ihr abwesender Vater bekommen. Aber diese
Kopie--Der Prinz (der sich schnell gegen ihn kehret). Nun, Conti? ist
doch nicht schon versagt?
Conti. Ist für Sie, Prinz, wenn Sie Geschmack daran finden.
Der Prinz. Geschmack!--(Lächelnd.) Dieses Ihr Studium der weiblichen
Schönheit, Conti, wie könnt' ich besser tun, als es auch zu dem
meinigen zu machen?--Dort, jenes Porträt nehmen Sie nur wieder
mit--einen Rahmen darum zu bestellen.
Conti. Wohl!
Der Prinz.
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