Nur selten sandte die Fremde Unerhörtes in die alten Ringmauern. Einst war der Tag einer Ratssitzung, die Mutter hatte gerade eine Gans gebraten und die Kinder erwarteten ungeduldig die Heimkehr des Vaters. Es schlug zwei Uhr, und er kam nicht. Im Hause entstand Aufregung, endlich wurde der älteste Sohn in das Rathaus geschickt, um sich bei den Dienern zu erkundigen. In der Vorhalle standen der Gendarm und einige von den Jüngsten mit ihren großen Säbeln, an der Tür der Ratsstube die Diener, und ihre Gunst erlaubte dem Knaben einen Blick in den ehrwürdigen Raum. Dort sah er sehr Befremdliches. Um den grünen Ratstisch saß der ganze Magistrat in feierlichem Schweigen, der liebe Vater obenan mit strengem Antlitz; auf dem Tisch lag ein ungeheurer Haufen Goldstücke, ein märchenhafter Anblick, und der Kämmerer war mit dem Ratsschreiber beschäftigt, den Schatz auf einer Wiege zu wiegen, in große Leinwandbeutel zu packen und zu versiegeln. Außerhalb der Schranke aber standen unter Bewachung zwei fremde Männer mit braunem Angesicht, schnurrbärtig, rote Mützen mit blauen Quasten auf den Köpfen, dem einen waren die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Dies waren zwei Griechen, oder solche, die sich dafür ausgaben, der eine, welcher etwas deutsch sprach, der Dolmetsch des andern. Sie waren in eigenem Wagen zugereist und hatten am Morgen ihre Pässe dem Vater zum Visieren gebracht. Bei der Durchsicht erinnerte sich dieser, daß er früher einmal den Namen des Fremden in einem Steckbrief des Amtsblattes gelesen hatte, er schlug nach und fand, daß die Verhaftung des Griechen befohlen wurde, weil er unter dem Vorgeben, Lösegeld für seine Familie zu sammeln, die in türkischer Gefangenschaft sei, bettelnd umherzog. Seit dem Erlaß des Steckbriefes waren mehrere Jahre verflossen und der Vater freute sich im stillen seines guten Gedächtnisses. Als nun aber dem Fremden auf dem Rathause mitgeteilt wurde, daß er nicht weiter reisen dürfe, bevor von der Regierung seinetwegen Bescheid eingegangen sei, geriet er in Wut und brachte ganz unsinnig eine Waffe zum Vorschein, mit welcher er den versammelten Rat der Kreisstadt zu bedrohen wagte. Dies auffällige Benehmen machte der Höflichkeit ein Ende und erregte Argwohn, sofort wurde sein Kutscher, auch ein Fremder, verhaftet und der Wagen durchsucht. Es ergab sich sehr Bedenkliches. Der Wagen war eigens zu einem Versteck geheimnisvoller Dinge gebaut, mit doppeltem Boden und verborgenen Behältern, in denen der schon erwähnte Goldschatz lag, Geldstücke aus aller Herren Ländern, wie sie kein Kreuzburger jemals gesehen hatte, außerdem aber Verzeichnisse vornehmer Spender von Geldgeschenken, ebenfalls aus aller Welt, und große Stöße von Briefen und Schriftstücken, sämtlich in griechischer Kurrentschrift, welche am Orte niemand zu deuten wußte. Dies machte den Fall besonders geheimnisvoll und erregte Mutmaßungen.
Die Fremden wurden unter Bewachung in einer Herberge untergebracht, das Gold in der Ratstruhe unter Siegel gelegt, die Ballen mit Papieren aber einer hochlöblichen Regierung nach Oppeln zur Entzifferung nebst dem Berichte zugeschickt. Schleunig kam als Antwort ein Schreiben mit höchster Billigung des Geschehenen und mit Gebot zur strengsten Überwachung der Fremden, dann zog sich die Sache in die Länge, die Griechen saßen als zornige Querulanten und wurden durch unablässige Beschwerden lästig. Endlich nach langer Zeit kam der unerwartete Befehl, man solle dem Fremden alles Geld und seine Papiere zurückgeben und ihn mit Zwangspaß über die Grenze schicken. Jahrelang hatte der Mann durch ganz Europa die griechische Erhebung ausgebeutet; jetzt hatte er entweder verstanden, Schonung zu gewinnen, oder man wußte überhaupt nicht, was man mit ihm und seinem Gelde anfangen sollte. Der Vater hatte Mühe und Ärger umsonst gehabt, Vorteile nur der Gastwirt, über dessen hohe Rechnung der Fremde sich zuletzt noch ungebärdig beschwerte, als er den Staub von seinen Füßen schüttelte. Dies waren die ersten Eindrücke, welche das moderne Hellenentum auf den Knaben machte.
Harmloser waren die Grüße aus aller Welt, welche die wandernde Kunst in die Stadt brachte. Zuweilen reiste ein Maler zu, welcher die Güte hatte, gegen mäßiges Entgelt die Köpfe ansehnlicher Männer und Frauen in Öl abzuschildern. Dann freute sich der ganze Kreis von Bekannten, wenn man die Gemalten zu erkennen vermochte. So kam auch ein schöner großer Mann mit schwarzem Bärtchen, der den Frauen sehr gefiel und deshalb in seiner Kunst achtungsvolle Bewunderung fand, bis ihm die Erfolge dadurch gestört wurden, daß er sich als ein großer Nachtwandler erwies. Denn er sprang in einer Mondscheinnacht mit gellendem Schrei aus dem Oberstock des Gasthauses auf das Pflaster, glücklicherweise ohne sich zu beschädigen, und lief im Hemde nach dem Stadttor, wo ihn endlich der Nachtwächter zum Stehen brachte. Doch beruhigte er sich wieder, verheiratete sich auch in der Stadt und gewann die Nachtruhe eines ehrlichen Bürgers. Häufiger ließ sich die Muse der Musik durch Künstler auf allen möglichen Instrumenten vernehmen vom Brummeisen bis zur Trompete, aber die Gitarre und Flöte waren noch besonders geachtet. Größeren Genuß hatten die Kinder an dem wandernden Volk der Seiltänzer und Kunstreiter; waren diese mit guten Zeugnissen versehen, so erwies sich der Magistrat als wohlwollend. Dann wurde in der polnischen Vorstadt vor dem Salzmagazin eine künstliche Schranke aus Stricken errichtet und darin die Seile gespannt, die kleinen Kinder tanzten auf den niederen Seilen, während Väter und Mütter darunter hingingen, um die etwa fallenden aufzufangen.
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