Er
ist sehr groß für sein Alter, hat lachende, blaue Augen, dunkle
Augenbrauen und gelocktes Haar. Wenn er lacht, erscheinen auf
seinen Wangen zwei rosige Grübchen. Er hat bereits einige kleine
Bräute; die liebste von allen ist ihm aber Luise Biron, ein
reizendes Kind von fünf Jahren.
Ich nehme an, daß Dir auch ein kleiner Klatsch über unsere
Genfer Bekannten erwünscht ist. Fräulein Mansfeld hat sich mit
einem jungen Engländer, Herrn John Melbourne, verlobt, während ihre
häßliche Schwester Manon letzten Herbst einen reichen Bankier,
Herrn Duvillard, geheiratet hat. Dein Schulfreund Ludwig Manoir hat
mit viel Mißgeschick zu kämpfen gehabt. Es geht ihm aber jetzt
wieder gut und man erzählt sich, daß er im Begriffe sei, eine
liebenswürdige Französin, Frau Tavernier, zu heiraten. Sie ist
Witwe und viel älter als er; aber sie wird von allen Seiten verehrt
und angebetet.
Während des Schreibens merke ich, daß ich mich selbst damit in
bessere Laune versetzt habe; aber nun, wo ich schließen möchte,
kehrt meine Angst wieder. Schreibe, lieber, guter Viktor, eine
Zeile, ein Wort wird uns reich machen. Henry lassen wir tausendmal
danken für seine Liebe, seine Güte und seine vielen Briefe; wir
werden es ihm nie vergessen. Lebwohl, Lieber; schone Dich recht und
vergiß nicht zu schreiben – ich bitte Dich darum!
Genf, den 18. März
17..
Elisabeth Lavenza.
»Teure, geliebte Elisabeth,« rief ich aus,
nachdem ich den Brief zu Ende gelesen, »ich werde sofort schreiben
und dich von der Angst befreien, die du um mich hast.« Ich schrieb
– allerdings nicht ohne bedeutende Anstrengung; aber meine Genesung
hatte begonnen und machte rasche Fortschritte. Nach weiteren
vierzehn Tagen durfte ich das erste Mal wieder mein Zimmer
verlassen.
Das erste, was ich nach meiner Genesung tat, war, daß ich
Clerval bei verschiedenen Professoren der Universität einführte.
Daß dabei mehrere Wunden meiner Seele wieder aufbrachen, ist nicht
zu verwundern. Seit jener Unglücksnacht, die das Ende meiner Mühen,
aber auch den Anfang meines Elends bildete, hatte ich einen
gewissen Widerwillen schon gegen das Wort Naturphilosophie. Wenn
ich auch gesundheitlich vollkommen wiederhergestellt war, so war
doch schon der Anblick eines der Chemie dienenden Instrumentes
geeignet, von neuem nervöse Erschütterungen hervorzurufen. Henry
hatte das gemerkt und deshalb alle Apparate wegräumen lassen. Er
hatte auch dafür Sorge getragen, daß ich ein anderes Zimmer bezog,
denn er empfand, daß ich ein Grauen vor dem Raume hatte, der mir
bisher als Laboratorium gedient. Aber all die Vorsichtsmaßregeln
halfen nicht, als wir unsere Besuche bei den Professoren machen
mußten. Herr Waldmann verursachte mir Qualen, als er gütig und
ehrlich die erstaunlichen Fortschritte pries, die ich in den
Wissenschaften gemacht hatte. Er fühlte bald heraus, daß mir dieses
Thema unangenehm war; da er aber meine inneren Beweggründe nicht
wissen konnte, schrieb er meine Verlegenheit meiner Bescheidenheit
zu und wechselte das Thema insofern, als er auf die Wissenschaft im
allgemeinen überging, allerdings in der Absicht, mich
herauszustreichen. Was sollte ich tun? Er meinte es gut, tat mir
aber weh. Mir war es wie einem, dem man nach und nach all die
Instrumente vorzeigt, mit denen er dann geschunden und hingerichtet
werden soll. Ich erschauerte bei seinen Worten, konnte aber meine
Pein nicht zeigen. Clerval, der sehr rasch die Gedanken und Gefühle
anderer zu erraten verstand, lenkte dann das Gespräch ab, in dem er seine vollständige
Unkenntnis dieser Dinge entschuldigend erwähnte. Ich dankte meinem
treuen Freunde innerlich, durfte aber doch nicht diesem Gefühle mit
Worten Ausdruck geben. Er war offenbar überrascht, versuchte aber
niemals, mein Geheimnis zu erforschen. Und obschon ich ihn
grenzenlos liebte und verehrte, brachte ich es doch nicht übers
Herz, ihm das Ereignis anzuvertrauen, das immer in meiner Seele
gegenwärtig war und das vielleicht auf einen andern einen noch
tieferen Eindruck machen konnte als auf mich selbst.
Herr Krempe sprach in wesentlich anderer Weise, und in meiner
empfindlichen, seelischen Verfassung taten mir seine rauhen,
ungelenken Lobsprüche noch weher als die feinen, anerkennenden
Worte Waldmanns. »Hol der Teufel den Jungen!« schrie er. »Ich
versichere Ihnen, Herr Clerval, er hat uns alle ausgestochen. Ja,
ja, schauen Sie nur; deswegen ist es doch wahr. Ein junger Dachs,
der noch ein paar Jahre vorher an Cornelius Agrippa glaubte, wie an
das Evangelium, ist nun uns allen an der ganzen Universität voran.
Nun, nun,« fuhr er fort, als er den leidenden Ausdruck in meinem
Gesichte bemerkt hatte, »ich weiß, Herr Frankenstein ist
bescheiden, wie es sich für junge Leute besonders gut ziemt.
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