Voll Angst suchte ich Zuflucht in einem niederen Schuppen, der allerdings sich sehr von den schönen Wohnhäusern unterschied, in deren einem ich unterzukommen gemeint hatte. Der Schuppen lehnte sich an ein Bauernhaus, das hübsch und reinlich aussah. Nach den üblen Erfahrungen, die ich machen mußte, wagte ich es aber nicht hineinzugehen. Mein Unterschlupf war aus Holz gefügt, aber so niedrig, daß ich nicht einmal aufrecht darin sitzen konnte. Der Boden war nackt, aber trocken, und wenn auch der Wind durch unzählige Ritzen und Löcher hereinblies, so war ich doch einigermaßen vor den Unbilden der Witterung geborgen.

Ich legte mich nieder, glücklich, wenigstens dieses Unterkommen gefunden zu haben, das mich, so elend es auch war, doch vor Kälte und, was noch schlimmer war, vor der Feindseligkeit der Menschen schützte.

Es war kaum Morgen geworden, als ich aus meinem Schlupfwinkel kroch, um das Bauernhaus zu betrachten, an das sich der Schuppen anlehnte, und auszukundschaften, ob ich wohl in ihm mich längere Zeit würde aufhalten können. Er lag direkt an der Rückwand des Hauses; auf einer Seite befand sich ein Schweinestall, auf der andern ein klarer Teich. Eine Wand des Schuppens fehlte und ich ergänzte sie durch Aufschichten von Steinen und Holz, und zwar so, daß ich leicht aus und ein gelangen konnte.

Nachdem ich dermaßen meine Wohnung eingerichtet hatte, bedeckt ich noch den Boden mit Stroh, zog mich aber dann eilig zurück. Ich hatte nämlich in der Nähe einen Menschen gesehen und wußte aus der Erfahrung in der vorhergehenden Nacht, daß einem solchen nicht zu trauen war. Als Nahrung für diesen Tag hatte ich mir einen großen Laib Brot gestohlen und dazu ein Gefäß, mittels dessen ich aus dem Teich bei meiner Hütte Wasser schöpfen konnte. Der Boden des Schuppens war ein wenig erhöht und deshalb ganz trocken, und die Nähe des Backofens gab hinreichend Wärme.

Ich hatte mich mit dem Nötigsten versehen und beschloß, bis auf weiteres in diesem Schuppen zu bleiben. Es war im Vergleich mit dem finsteren, kalten Walde ein wahres Paradies für mich und ich brauchte wenigstens nicht mehr auf feuchtem Boden unter tropfenden Ästen zu schlafen. Ich aß mit Genuß meine Mahlzeit und wollte eben durch einen Spalt in der Seitenwand mir Wasser aus dem Teiche schöpfen, als ich einen jungen Menschen erblickte, der mit einem Kübel auf dem Kopfe an dem Schuppen vorbeiging. Es war ein junges Mädchen von feinem Wuchse, so ganz anders, als im allgemeinen Bauern und Bauernmägde zu sein pflegen. Sie war einfach gekleidet, ein weiter, blauer Rock und eine Leinenjacke bildeten ihren Anzug; ihr schönes Haar lag geflochten um ihren Kopf und sie sah still und traurig aus. Sie kam dann außer Sicht. Nach etwa einer Viertelstunde kam sie wieder mit ihrem Kübel, der nun zum Teil mit Milch gefüllt war. Während sie das schwere Gefäß dem Hause zutrug, kam ein junger Mann auf sie zu, der noch trauriger aussah als sie. Er sagte einiges zu ihr und nahm ihr dann den Kübel vom Kopfe, um ihn selbst zum Hause zu bringen. Sie folgte ihm und beide verschwanden in der Tür. Kurze Zeit darauf erschien der junge Mann wieder und ging, einige Werkzeuge auf der Schulter, quer über die angrenzenden Felder. Das Mädchen beschäftigte sich abwechselnd im Hause und im Garten.

In der Wand des Hauses, an die sich mein neues Heim anlehnte, befand sich, wie ich bei der Untersuchung derselben feststellte, ein Fenster, das mit Holz verschalt war und durch einen ganz schmalen Spalt einen Blick in das Innere gestattete. Ich konnte ein kleines, reinliches, aber armselig möbliertes Zimmer erkennen. In einem Winkel, nahe am Feuer, saß ein alter Mann, der wie im Kummer sein Gesicht in den Händen barg. Das Mädchen war damit beschäftigt, das Zimmer in Ordnung zu bringen. Plötzlich zog sie etwas aus einer Schublade und gab es dem alten Manne, indem sie sich neben ihm niederließ. Es war ein Instrument, dem er Töne entlockte, die mich mehr entzückten als der Gesang der Drossel oder der Nachtigall. Es war für mich armes Wesen, das ja noch nie etwas Schönes gesehen, ein lieblicher Anblick. Das Silberhaar des Greises und sein gutes Gesicht ließen mich Ehrfurcht empfinden, während das Verhalten des Mädchens mir Liebe einflößte. Die Weise, die der Alte spielte, lockte Tränen in die Augen des lieblichen Kindes; er achtete ihrer aber nicht. Erst als sie laut aufweinte, sprach er einige Worte zu ihr. Sie kniete dann zu seinen Füßen nieder und er streichelte sie zärtlich.