Es ist
daher sehr begreiflich, daß ich mich der Dienste eines Mannes
versicherte, der zugleich wegen seiner Herzensgüte als auch wegen
des großen Einflusses auf seine Untergebenen bekannt war.
Meine Gefühle kann ich Dir nicht beschreiben, die mich beseelen,
jetzt, wo ich so nahe der Erfüllung meiner Träume bin. Es ist
unmöglich, Dir auch nur annähernd die Empfindungen zu schildern,
die alle meine Reisevorbereitungen begleiten. Ich bin im Begriff,
unerforschte Landstriche zu betreten, die Heimat des Nebels und des
Schnees; aber ich werde nicht nach Albatrossen jagen, deshalb sei
um meine Sicherheit nicht besorgt.
Werde ich Dich erst wiedersehen, wenn ich nach langer Fahrt
durch ungeheure Ozeanweiten einmal an der Südspitze von Afrika oder
Amerika herauskomme? Solche Erfolge darf ich ja gar nicht erwarten;
aber ich bringe es jetzt nicht über das Herz, die Kehrseite der
Medaille zu betrachten. Schreibe mir jedenfalls so oft als es Dir
möglich ist, vielleicht erreichen mich Deine Briefe gerade dann, wenn ich ihrer am notwendigsten
bedarf. Ich habe Dich herzlich lieb. Denke auch Du meiner in Liebe,
wenn es sich treffen sollte, daß wir uns nimmer sehen. Stets Dein
getreuer Bruder
Robert Walton.
An Frau Saville, London
7. Juli 18..
Liebe Schwester! Ich schreibe Dir in aller Eile, um Dich wissen
zu lassen, daß ich wohlauf bin und daß ich schon ein Stück meiner
Reise hinter mir habe. Diesen Brief wird ein Kaufmann von Archangel
aus nach England mitbringen. Der Glückliche! Er kann wieder
Heimatluft atmen, was mir vielleicht auf Jahre hinaus nicht
vergönnt sein wird. Trotzdem bin ich bester Laune. Meine Leute sind
kühn und offenbar zu allem willig; auch die schwimmenden Eisberge,
die unaufhörlich an uns vorbeiziehen und uns die Gefahren
vorausahnen lassen, denen wir entgegengehen, scheinen ihnen keine
Sorge einzuflößen. Wir haben schon eine hohe nördliche Breite
erreicht, aber es ist Hochsommer, und wenn es auch nicht ganz so
warm ist wie in England, so tragen uns doch die Südwinde, indem sie
uns dem heißersehnten Ziele näherbringen, eine wohltuende Wärme zu,
wie ich sie nicht erwartet hätte.
Bisher hat sich noch nichts ereignet, was der Mitteilung wert
wäre. Ein oder zweimal eine steife Brise und einmal ein kleines
Leck, das sind Zufälle, deren ein erfahrener Seemann kaum Erwähnung
tut, und ich will recht zufrieden sein, wenn uns auf der ganzen
Reise nichts Unangenehmeres passiert.
Lebe Wohl, teure Margarete. Sei überzeugt, daß ich um Deinet-
wie um meinetwillen mich nicht allzu kühn der Gefahr aussetzen
werde. Ich will kaltblütig, überlegt und vernünftig sein.
Aber der Erfolg muß mein Werk krönen. Warum
auch nicht? So weit bin ich nun gekommen über die pfadlose See; nur
die Sterne am Himmel sind Zeugen meines Sieges. Warum soll ich
nicht noch weiter fortschreiten auf dem ungezähmten, aber doch
zähmbaren Element? Was wäre imstande, sich auf die Dauer dem
mutigen, willensstarken Manne entgegenzustellen?
Mein Herz ist zu voll, als daß es nicht überlaufen sollte. Aber
ich muß schließen. Gott sei mit Dir, liebe Schwester!
Robert Walton.
An Frau Saville, London
5. August
18..
Etwas sehr Merkwürdiges hat sich ereignet und ich muß es Dir
berichten, wenn ich auch wahrscheinlich eher bei Dir bin, als diese
Zeilen Dich erreichen.
Letzten Montag (31. Juli) waren wir fast ganz von Eis
eingeschlossen, so daß das Schiff kaum mehr den zum Vorwärtskommen
nötigen Platz hatte. Unsere Lage war einigermaßen gefährlich,
besonders deswegen, weil ein dichter Nebel uns einhüllte. Wir
drehten deshalb bei, in der Hoffnung, daß die Witterung endlich
anders werde.
Gegen zwei Uhr lichtete sich der Nebel und wir erblickten, wohin
wir sahen, weite, fast unermeßlich scheinende Eisflächen. Einige
meiner Leute wurden unruhig und auch mich beschlichen trübe,
ängstliche Gedanken, als plötzlich etwas Seltsames unsere
Aufmerksamkeit auf sich zog und uns unsere gefährliche Situation
vergessen ließ. Wir bemerkten einen niedrigen Wagen, der auf
Schlittenkufen befestigt war, von Hunden gezogen wurde und sich in
einer Entfernung von etwa einer halben Meile nordwärts bewegte. Im
Schlitten saß eine Gestalt, die einem Menschen, aber einem solchen
von außergewöhnlicher Größe glich und die
Tiere lenkte. Wir verfolgten mit unseren Fernrohren den Reisenden,
der blitzschnell dahinflog und bald durch Unebenheiten des Eises
unseren Blicken entzogen wurde.
Diese Erscheinung erregte begreiflicherweise unsere Neugierde in
hohem Maße. Wir hatten geglaubt, uns Hunderte von Meilen vom festen
Lande entfernt zu befinden, diese Erscheinung aber schien uns das
Gegenteil zu beweisen. Da wir vom Eise völlig eingeschlossen waren,
war es uns unmöglich, die Spuren des rätselhaften Wesens zu
verfolgen.
Etwa zwei Stunden danach hörten wir die Grunddünung, und ehe es
Nacht wurde, löste sich das Eis und das Schiff wurde frei.
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