Dadurch hieltst du[58] mich so unentrinnbar fest in deiner Gewalt. Aber um keinen Preis der Welt, das kann ich schwören, möchte ich heute auch nur für eine Stunde wieder die herzlose, selbstgefällige Egoistin sein, die ich vor unserer Verheiratung war.
FRANZISKA. Das Weib kann nun einmal über die Grenzen seiner Natur nicht hinaus. Sein Glück bleibt immer auf seine Naturbestimmung beschränkt.
SOPHIE. Franz, ich komme auf den Vorschlag zurück, den ich dir vor acht Tagen machte. Hättest du etwas dagegen, wenn wir ein Kind adoptieren?
FRANZISKA. Nicht das geringste. – Ich muß dir etwas erzählen, Sophie. Als Gymnasiast litt ich infolge der Streitigkeiten meiner Eltern viel an Schlaflosigkeit. Mein Vater sprach ein ganzes Jahr lang kein Wort mit mir. Auf der großen Treppe, die durch die Matte zum Schloß hinaufführte, flehte ich in meiner Einfalt dann eines Abends auf den Knien zum Himmel, er möge dem Streit ein Ende machen. Voll Zuversicht ging ich nach Hause und warf mich meinem Vater zu Füßen. Natürlich hatte es nicht das geringste genützt. Ich erzähle das nur, damit du manchmal Nachsicht mit mir hast. Ich glaube, daß ich von jener Zeit her immer noch etwas mit dem Leben zerfallen bin.[59]
SOPHIE. Ich sehe darin nichts anderes als die ersten Äußerungen deiner herzberückenden Künstlernatur. Deshalb wird es dir jetzt so leicht, jede menschenmögliche Leidenschaft vorzuspiegeln, als wärest du ihr mit Leib und Seele ausgeliefert.
FRANZISKA. Mir ist der Gesichtspunkt neu. – Um ein absolut sicheres, unumstößliches Verständnis für die Welt zu finden, trat ich vor einem Jahr zum Katholizismus über. Seitdem fühle ich mich glücklicher.
SOPHIE. Das ist das einzige, Franz, worin ich dir nicht zustimmen kann. Ich bin protestantisch erzogen. Ich glaube überhaupt nichts, aber ich hasse Spitzfindigkeiten. Es läutet im Flur.
FRANZISKA. Das ist mein Versicherungsagent!
SOPHIE will gehen. Ich lasse dich mit dem Herrn allein.
FRANZISKA. Bleib doch! Du bekommst Einblick in eine staunenerregende Art von Weltbeherrschung.[60]
Zweite Szene
Die Tür wird von außen geöffnet und Lydia Höpfl tritt ein.
LYDIA. Wollen Sie mir sagen, verehrter Meister, in welchem Kostüm ich in London die Aretikoru-Tulorimena tanzen soll?
SOPHIE. Franz, ich gehe!
FRANZISKA vorstellend. Fräulein Lydia Höpfl – meine Frau.
LYDIA zu Sophie. Wie beneide ich Sie darum, diesen Halbgott zum Mann zu haben!
SOPHIE. Wenn ich mein Mann wäre, fände ich an Ihnen sicherlich auch mehr Gefallen, als er an mir findet. Ich verachte die Frau, die ihrem Mann eine Freude mißgönnt.
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