Aber dann will ich auch den Dank, den ich für meine Großmut verdiene. Seelengröße muß Seelengröße bleiben! Bevor ich mir meine eigene Erniedrigung als unerläßliche Pflicht vorschreiben lasse, greife ich zur Waffe und räume die Gefahr, die meinem Glücke droht, aus dem Wege.[61]

FRANZISKA. Aber Sophie, du hast den unvorteilhaften Ausfall gar nicht nötig.

LYDIA. Der Meister unterwies mich bis jetzt nur in den fünf Positionen Sie führt sie aus. erste Position – zweite Position – dritte Position – vierte Position – fünfte Position. Es läutet im Flur.

FRANZISKA. Endlich mein Versicherungsagent! Sie verläßt das Zimmer.

SOPHIE in Lydias Anblick versunken. So also muß man sein!

LYDIA. Ich wäre lieber wie Sie, gnädige Frau.

SOPHIE. Welchen Genuß finden Sie nun darin, einer Frau, die nichts Besseres kennt, ihren Mann wegzuschnappen? Gibt es für Sie nicht unverheiratete Männer genug?

LYDIA. Gnädige Frau dürfen sich vor mir nicht so klein hinstellen.

SOPHIE. Mich vor Ihnen klein hinzustellen, fällt mir gar nicht ein! Sie können tanzen, das kann ich nicht. Aber bringen Sie erst einmal zu irgend etwas all[62] die Liebe auf, die mich für diesen Mann erfüllt und die ich jeden Augenblick zu beweisen bereit bin.

LYDIA. Da hätte ich viel zu tun. Ich werde mich hüten. Mir wär' das viel zu umständlich.

SOPHIE. Das glaube ich. Wenn man soviel Männer kennt, kann es einem ganz gleichgültig sein, ob einer darunter etwas mehr oder weniger auf die Selbstlosigkeit unserer Liebe angewiesen ist.

LYDIA. Alle großen Künstler, die ich getroffen habe, hatten irgend etwas Absonderliches an sich.

SOPHIE. Ich kenne nicht soviel. Aber glauben Sie, wir, die wir das bißchen Zuneigung täglich mit einem übermenschlichen Aufwand von Liebe neu erkämpfen, wir wollen uns dann noch ruhigen Herzens hinterlistig darum bestehlen lassen?!

LYDIA. Verzeihen, gnädige Frau, ich denke Tag und Nacht an nichts anderes, als daß ich in meiner Kunst weiterkomme.

SOPHIE. Wollen Sie denn etwa leugnen, daß Sie mit meinem Mann in Beziehungen stehen?![63]

LYDIA. Künstlerisch gibt es für uns in der ganzen Welt nirgends ein Weiterkommen, wenn wir keine Lebensart haben.

SOPHIE. Also doch! Also doch! Oh, es ist nicht zu ertragen! – Und das nennen Sie Lebensart?

LYDIA. Selbstverständlich müssen wir Lebensart haben. Darauf bilden wir uns sicherlich nichts ein. Unser einziges Ziel ist die Kunst. Wenn eine das nicht hat, dann geht sie ja so wie so zugrunde.

SOPHIE. Ich möchte Sie etwas fragen, mein Fräulein. Tritt ihr näher. Fürchten Sie nicht, ein Kind zu bekommen?

LYDIA. Möglich ist freilich alles, aber ...

SOPHIE.