Vom ersten Tage unserer Bekanntschaft an hatte ich das Gefühl, ein ernstes, wichtiges Erlebnis für dich zu bedeuten. Mißverstehe mich nicht. Ich habe mir nicht einen Augenblick eingebildet, dir überlegen zu sein. Immer aber hatte ich den bestimmten Eindruck, daß du an meine Überlegenheit glaubst.

FRANZISKA. Bist du mir denn nicht auch überlegen?[23]

DR. HOFMILLER. Aber wieso denn, Franziska?

FRANZISKA. Dadurch, daß du das Leben besser kennst als ich.

DR. HOFMILLER. Allerdings ein Vorzug, auf den ich unmöglich stolz sein kann. – Nein, Franziska, wenn ich nicht die unerschütterliche Überzeugung gehabt hätte, daß du mich vor allen anderen Menschen hochschätzest, dann hätte ich es nie so weit zwischen uns kommen lassen.

FRANZISKA. Warum denn nicht? – Hast du die Mädchen so außerordentlich hochgeschätzt, bei denen du zu Gast warst?

DR. HOFMILLER empört. Franziska! – Wenn ich hätte ahnen können, daß du mich in dieser Weise beschimpfen werdest.

FRANZISKA. Dein Zorn macht dich so begehrenswert. Wenn ich jetzt nur wüßte, was dich zu Tätlichkeiten bringt.

DR. HOFMILLER sich beherrschend. Dabei habe ich nie ein Mädchen gekannt, daß sich, wenn es ihm nötig erscheint, so ahnungslos unschuldig stellen kann wie du.[24]

FRANZISKA. Mich juckt mein Fell.

DR. HOFMILLER. Wäre es dir wirklich eine Freude, wenn ich dich mißhandelte?

FRANZISKA. Du hättest jedenfalls nicht den leisesten Schrei zu fürchten.

DR. HOFMILLER. Das ist widernatürlich.

FRANZISKA. Dann sind Pferde auch widernatürlich.

DR. HOFMILLER. Pferde sind widernatürlich, wenn sie Gedichte schreiben. Menschen sind widernatürlich, wenn sie sich erst beißen müssen, um sich liebhaben zu können.

FRANZISKA. Ich wußte bis jetzt nicht, daß du Gedichte schreibst.

DR. HOFMILLER. Ich schreibe auch keine.

FRANZISKA. Ich dafür um so mehr.