Sie nahmen eine Leine und tollten mit Hott und Hü durch den Garten. Die eine war die Lokomobile und die andere das Pferd, aber jede wollte Lokomobile sein, denn dann bekam sie Vaters schwarzen Hut aufgesetzt – als Schornstein.
Vor dem Schlafengehen hatten sie dem neuen Untier auch schon einen Namen gegeben.
Sie behaupteten, es gliche der dicken Dienstmagd mit dem langen Halse, die vor kurzem wegen ihrer Unsauberkeit entlassen worden war, und nannten es nach ihr »die schwarze Suse«.
Diesen Namen behielt die Lokomobile im Meyhöferschen Hause für alle Zeiten.
Am andern Morgen ging das Hallo von neuem los. Die zehn angeworbenen Arbeiter standen auf dem Hofe und wußten nicht, was sie tun sollten. Meyhöfer wollte die Maschine heizen lassen, aber Löb Levy, der in der Scheune übernachtet hatte, um morgens sogleich zur Hand zu sein, erklärte, er wünsche vorerst den Kaufpreis in Empfang zu nehmen, wie es im Kontrakte abgemacht wäre, denn das Getreide müsse mittags bereits in der Stadt abgeliefert werden.
»Welches Getreide?« fragte die Mutter erbleichend.
Ja, es ließ sich nicht mehr verleugnen. Meyhöfer hatte fast die ganze Ernte, das gedroschene Korn wie das noch auszudreschende, dem Juden für die alte, abgebrauchte Dampfmaschine verkauft. Triumphierend fuhr dieser mit den schönen prallen Säcken von dannen. Und dies galt nur als Abschlagzahlung, gegen Weihnachten wollte er den Rest abholen kommen.
Für einen Moment mochte selbst den leichtsinnigen Meyhöfer eine Regung der Mutlosigkeit anwandeln, als er die hoch aufgetürmten Fuhren hinter dem Walde verschwinden sah, aber im nächsten steckte er trotzig die Hände in die Hosentaschen und befahl, die Maschine ohne Verzug in Bereitschaft zu setzen.
Mit dem Ungetüm zu gleicher Zeit war ein Mann in blauer Bluse und mit einer Schnapsnase auf den Hof gekommen, der sich »Heizer« nannte und der sich dadurch auszeichnete, daß er unaufhörlich Zwiebeln aß. Das sei gut für den Magen, sagte er. Dieser Mann erschien sich als der Held des Tages. Er stand breitbeinig neben der Maschine, nannte sie sein Pflegekind und streichelte mit seiner grauschwarzen, knotigen Hand die rostigen Eisenwände. Das klang, als ob zwei Reibeisen übereinander fahren. Jeden, der herzukam, erklärte er mit einem großen Aufwande von Fremdwörtern die innere Einrichtung der »Luckmanbile,« wie er sein Pflegekind nannte, nur mußte man ihm zu trinken geben, sonst schimpfte er. Erhielt er jedoch den Branntwein, den er sich wünschte, so wurde er gerührt und behauptete, er ließe sich lieber Hände und Füße abhacken, als daß er sich jemals von seinem Pflegekinde trennte. Er habe es liebgewonnen wie sein eigen Fleisch und Blut und halte es tausendmal höher als alle Menschen auf der Welt.
Meyhöfer ging stolz um ihn herum, denn auch diese Perle war ja nun sein Eigentum, und er erklärte einmal über das andere, hier sähe man, was deutsche Treue bedeute.
Als es aber ans Heizen gehen sollte, war der vielgetreue Mann nirgends zu finden. Endlich entdeckte man ihn auf dem Heuschober – schlafend. Als man ihn weckte, nannte er dies Verfahren eine Menschenschinderei und ließ sich nur mit Mühe bewegen, aus seinem Winkel hervorzukommen.
Das Anheizen der Maschine war ein neues Fest. Paul stand vor der Feuerung und starrte träumenden Auges in den glühenden Schlund, der sich gähnend aufsperrte, als wollte er alles Lebendige verschlingen. Er gedachte des alten heidnischen Götzen Moloch, von dem er aus der biblischen Geschichte wußte, und glaubte jeden Augenblick ein paar rotglühende Arme sich ausstrecken zu sehen. – Und dann erhob sich in dem Innern des Ungetüms ein geheimnisvolles Singen, bald dumpf wie fernes Waldesbrausen, bald fein und hoch wie leise Engelsstimmen. In den Ventilen begann es zu zischen – Dampfstrahlen fuhren empor – die eiserne Schaufel klirrte, und rasselnd sanken neue Kohlenhaufen in die Glut. Es war ein Lärm ringsum, daß man sein eigen Wort nicht verstehen konnte. Der Heizer mit der roten Nase stand da wie ein König, trank aus einer schmalbauchigen Flasche und hantierte von Zeit zu Zeit an den Ventilen herum, ein lautes, befehlshaberisches Geschrei ausstoßend wie ein Tierbändiger. Und dann begann sich das große Rad zu drehen – surr, surr, surr – immer rascher, immer rascher. Einem wurde schwindlig vom bloßen Hinsehen – und dann gab es einen Knack – ein Klirren, ein Pfauchen – das große Rad stand still – für immer.
Anfangs freilich tat der Heizer sehr groß und meinte, in einer halben Stunde werde der Schaden vollkommen repariert sein, als Meyhöfer aber nach zweitägiger Arbeit in ihn drang, endlich einmal mit dem Ausbessern ein Ende zu machen, da wurde er grob und erklärte, an diesem alten Gerümpel sei überhaupt nichts auszubessern, das wäre gerade gut genug, an den Trödler als Alteisen verkauft zu werden.
»Pflegekind?« Er bedankte sich für solch ein Pflegekind. Er sei denn doch zu gut dazu, solch einen Rosthaufen zu pflegen. Und dabei kam es heraus: – Löb Levy hatte ihn vor drei Tagen in einer Spelunke aufgelesen und ihn gefragt, ob er für eine Woche wie der Herrgott in Frankreich leben wolle; länger werde der Scherz wohl nicht dauern. Und nur auf diese Zusicherung hin sei er mitgegangen, denn länger wie acht Tage an einem Platze sitzen, das widerstreite seinen Prinzipien.
Darauf wurde er vom Hofe gejagt.
Am andern Tage ließ Meyhöfer den Schlosser aus dem Dorfe holen, damit er sich den Schaden besehe. Dieser arbeitete abermals ein paar Tage an der Maschine herum, aß und trank für dreie und erklärte schließlich, wenn sie jetzt nicht gehen wolle, hätte der Teufel die Hand im Spiel. – Das Anheizen wurde wiederholt, aber die »schwarze Suse« war nicht mehr zum Leben zu erwecken.
Als gegen Weihnachten Löb Levy auf dem Hof erschien, um den Rest des Getreides abzuholen, prügelte ihn Meyhöfer mit seinem eigenen Peitschenstiel durch. Der Jude schrie Gewalt und fuhr schleunigst wieder von dannen.
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