Mathieu, an diese Angriffe gewöhnt, die ihm nichts von seiner Heiterkeit nahmen, fuhr fort zu lachen, ohne auch nur zu antworten, als ein Arbeiter eintrat, Vater Moineaud, wie man ihn in der Fabrik nannte, obgleich er kaum dreiundvierzig Jahre zählte, kurz und stämmig, mit rundem Kopf, einem Stiernacken, Gesicht und Hände von mehr als viertelhundertjähriger Arbeit durchfurcht und gegerbt. Er war Monteur, und er kam, um dem Chef über eine Schwierigkeit zu berichten, die sich bei der Aufstellung einer Mähmaschine ergeben hatte. Aber dieser ließ ihm keine Zeit, den Zweck seines Kommens zu erklären, so hitzig war er dabei, sich gegen die zu zahlreichen Familien zu ereifern.

»Und Sie, Vater Moineaud, wieviel Kinder haben Sie?«

»Sieben, Monsieur Beauchêne,« erwiderte der Arbeiter ein wenig verdutzt. »Drei sind mir gestorben.«

»Das würde also zehn machen. Das ist ja recht hübsch. Wie sollen Sie denn da nicht alle miteinander verhungern?«

Auch Moineaud hatte zu lachen angefangen, als richtiger leichtherziger, sorgloser Pariser Arbeiter, dem kein andres Vergnügen erreichbar war, als das seine Frau ihm bot. Die Kleinen, das wuchs so eins nach dem andern hervor, ohne daß er es gar bemerkte, und er fand sogar viel Freude an ihnen, solange sie nicht aus dem Nest ausgeflogen waren. Und dann, das arbeitete auch, das verdiente einiges. Aber er zog es vor, sich mit einem Scherzworte zu entschuldigen.

»Ja, Monsieur Beauchêne, nicht ich kriege die Kinder, sondern meine Frau.«

Alle drei lachten, und nachdem der Arbeiter endlich sein Anliegen vorgebracht hatte, folgten ihm die beiden andern, um zu untersuchen, woran die Schwierigkeit liege. Sie waren im Begriff, in einen Gang einzubiegen, als es dem Chef, der die Tür zu der Frauenwerkstätte offen sah, einfiel, den Weg durch diese zu nehmen, um in gewohnter Weise einen prüfenden Blick in den Arbeitsraum zu werfen. Es war ein langer und weiter Saal, in welchem die Poliererinnen in schwarzen Wollblusen in zwei Reihen vor ihren kleinen Arbeitstischen saßen und die Stücke mit Bimsstein abrieben, um sie dann an die Schleifmühlen weiterzugeben. Fast alle waren jung, manche hübsch, die meisten mit unschönen und gewöhnlichen Gesichtern. Und ein animalischer Geruch vermengte sich mit dem ranzigen Oeles.

Die Hausordnung verlangte absolutes Schweigen während der Arbeit. Alle schwätzten jedoch. Als sie den Chef bemerkten, verstummten sie plötzlich. Nur eine, die, nach der andern Seite blickend, nichts sah, fuhr fort, sich wütend mit einer andern zu zanken. Es waren die zwei Schwestern, gerade die Töchter des Vaters Moineaud: Euphrasie, die jüngere, diejenige, welche schrie, ein siebzehnjähriges mageres Persönchen mit mattem blondem Haar, länglichem Gesichte und spitzen Zügen, unhübsch und boshaft aussehend; und die ältere, Norine, kaum neunzehn, ein hübsches Mädchen, auch eine Blondine, aber mit milchfarbener Haut, kräftig und üppig, mit Schultern und Armen und Hüften, einem leuchtenden Gesichte, verrückten Haaren und schwarzen Augen, von der ganzen sonnigen, reifen Schönheit der Pariserin.

Schadenfroh ließ Norine ihre Schwester weiterzanken, glücklich darüber, daß sie bei einem Vergehen ertappt wurde. Beauchêne mußte dazwischentreten. Er zeigte sich in der Regel sehr streng in der Frauenwerkstätte, ließ keinerlei Nachgiebigkeit walten, denn er hatte bisher an dem Grundsatze festgehalten, daß ein Chef, welcher sich herbeiläßt, mit seinen Arbeiterinnen zu scherzen, verloren ist. Und in der Tat, trotz seines großen Mannsappetits, den er, wie man sagte, außer dem Hause befriedigte, wußte man auch nicht das kleinste Geschichtchen über eine seiner Arbeiterinnen und ihn zu erzählen, er hatte noch keine berührt.

»Nun, Mademoiselle Euphrasie, werden Sie endlich schweigen? Das ist unanständig! Sie werden zwanzig Sous Strafe zahlen, und wenn ich Sie noch einmal höre, so werden Sie auf acht Tage ausgeschlossen.«

Das Mädchen hatte sich erschrocken umgedreht; und halb erstickend vor Wut warf sie ihrer Schwester, welche sie leicht hätte warnen können, einen haßerfüllten Blick zu. Aber diese fuhr fort zu lächeln, mit ihrer diskreten Miene des begehrenswerten hübschen Mädchens dem Chef gerade ins Gesicht sehend, als ob sie sicher wäre, daß sie nichts mehr zu fürchten habe. Ihre Augen trafen sich, vergaßen sich zwei Sekunden lang ineinander; und er fuhr fort, mit geröteten Wangen und zorniger Stimme, an alle gewendet:

»Sowie die Aufseherin den Rücken wendet, schnattert ihr wie die Elstern. Hütet euch, oder ihr habt es mit mir zu tun!«

Moineaud, der Vater, war während der ganzen Szene unbewegt geblieben, als ob die beiden Mädchen, die, welche der Chef ausschalt, und die, welche er verstohlen anblickte, nicht seine Töchter wären. Die drei Männer nahmen ihren Rundgang wieder auf und verließen die Frauenwerkstätte inmitten einer Totenstille, in welcher man nur das Knirschen der kleinen Schleifmaschinen hörte.

Nachdem die Schwierigkeit bei der Montierung behoben war und der Arbeiter seine Weisungen erhalten hatte, ging Beauchêne zu seiner Wohnung hinauf und nahm Mathieu mit sich, welcher Constance die Einladung überbringen wollte, mit der Marianne ihn betraut hatte.