Kränze trugen sie.
Den einen kannt' ich wohl und ward von ihm erkannt:
Mein Blutsverwandter, welcher jüngst geschwunden war
Aus dieser Erde Staub nach einem reinen Lauf.
Der sprach mich an: ›Ich grüße dich, Thespesius!‹
›Wozu der neue Name, wundersamer Ohm?
Wie nennst du mich? Dein Aridäus bin ich ja!‹
Die Locken schüttelt' leis er, die ambrosischen,
Und abermals: ›Ich grüße dich, Thespesius!‹...
Jetzt wacht ich wirklich auf. Am Hange lag
Ich blutbefleckt, von gier'gen Raben schon umschwärmt.
Was mehr? Ich ward ein andrer. Nicht mit kleinem Kampf!
Der Kampf ist groß! Mein neuer Name stärkte mich,
Der makellose, der so rein und göttlich klang!
Hab gute Fahrt!« – »Fahr wohl auch du, Thespesius!«[125]
Der trunkene Gott
Weiße Marmorstufen steigen
Durch der Gärten laub'ge Nacht,
Schlanke Palmenfächer neigen
In des Himmels blaue Pracht.
Über Tempeln, Hainen, Grüften
Zecht in abendweichen Lüften
Alexanders Lieblingsschar;
Knieend bietet ihm ein Knabe,
Daß der Erde Herr sich labe,
Wein in edler Schale dar.
Herrlich ist's, den Wein zu schlürfen,
Lagernd in der Götter Rat,
Zwischen schwelgenden Entwürfen
Und der wundergleichen Tat!
Goldne Becher überquellen,
Ruhmesgeister mit den hellen[125]
Helmen tauchen aus der Flut –
Goldne Schalen überschäumen,
Geister, die gebunden träumen,
Steigen auf in Zornesglut.
Kleitos neben Philipps Sohne
Furcht die Stirne kummervoll,
Der benarbte Mazedone
Schlürft im Weine Gram und Groll:
Er gedenkt der Heergenossen,
Die die erste Phalanx schlossen
In den Bergen kühl und fern –
Seinen dunkeln Mut zu kränken
Lüstet es den schönen Schenken
Lagernd an dem Knie des Herrn.
Die erhabne Stirn und Braue
Träumt den Zug ins Inderland,
Lauschend liest den Traum das schlaue
Kind, den Blick emporgewandt:
»Bacchus bist du, der belaubte,
Mit dem schwärmerischen Haupte,
Der ins Land der Sonne zieht!
Ohne Heer kannst du bezwingen,
Nur den Thyrsus darfst du schwingen,
Winke nur und Indien kniet!«
Finster grollt der alte Streiter:
»Durch der Wüste heißen Sand?
Immer ferner, immer weiter?
Nach des Indus Fabelstrand?
Kann ein Wink dir Sieg erwerben,
Warum bluten, warum sterben
Wir für dich? Zu deinem Spott?
Lebende kannst du belohnen,
Deine toten Mazedonen,
Wecke sie, bist du ein Gott!« –
– »Welchen dampfenden Altares
Freust du auf der Erde dich?
Bist du die Gewalt des Ares,[126]
Helmumflattert, fürchterlich?
Herr, bevor den niedern Talen
Du dich nahtest ohne Strahlen,
Welches war dein himmlisch Amt?
Bist du Zeus? Bist du ein andrer?
Bist du Helios, der Wandrer,
Dessen Stirne sonnig flammt?«
Grimmig neigt der graue Fechter
Sich zum Ohr des Gottes hin,
Mit unseligem Gelächter
Rührt er an der Schulter ihn:
»Gast des Himmels, warum sinken
Haupt und Schulter dir zur Linken?1
Lastet dir der Erde Raub?
Mit den Göttern willst du zechen?
Spotten hör ich dein Gebrechen:
Alexander, du bist Staub!«
Eine zürnende Gebärde!
Blitz und Sturz! Ein Gott in Wut!
Ein Erdolchter an der Erde
Windet sich in seinem Blut...
In den Abendlüften Schauer,
Ein verhülltes Haupt in Trauer,
Ausgerast und ausgegrollt!
Marmorgleich versteinte Zecher,
Und ein herrenloser Becher,
Der hinab die Stufen rollt.[127]
Fußnoten
1 Alexander war schief, seine rechte Schulter etwas höher als die schwächere linke.
Der Botenlauf
Blicke gen Himmel gewandt, gebreitete flehende Arme!
Murmeln und schallender Ruf knieender Mädchen und Fraun:
»Götter, beflügelt den Boten! Entscheidung, lieber als Bangnis!
Seit sich die Sonne erhob, ringen die Stadt und Tarquin.
Siehe, die Sonne versinkt! Mitkämpfer, Castor und Pollux,
Denkt der verlassenen Fraun, sendet den Boten geschwind!«[127]
Horch! Achthufig Geklirr bergan. Zwei befreundete Reiter!
Schon am heiligen Quell spülen die Waffen sie rein.
Dann, zwei gewaltige Jünglinge, stehn auf der ragenden Burg sie,
Gegen die schauernden Fraun hat sich der eine gekehrt:
»Freude, knospendes Mädchen! Entschlossene Römerin, Freude!
Herrlicher Sieg ist erkämpft! Geht ihr entgegen dem Heer?«
Einer spricht's und der andere lauscht, zu dem Bruder gewendet.
Jetzt in das bleichende Licht springen die Rosse empor.
Einer der Jünglinge schwindet im Abend, es schwindet der andre,
Denn wie ein liebendes Paar lassen die Brüder sich nicht.
Über der römischen Feste gewaltigem, dunkelndem Umriß
Hebt sich in dämmernder Nacht seliges Doppelgestirn.[128]
Der Gesang der Parze
In der Wiege schlummert ein schönes Römerkind,
Die graue Parze sitzt daneben und spinnt.
Sie schweigt und spinnt. Doch ist die Mutter fort,
So singt die Parze murmelnd ein dunkles Wort:
»Jetzt liegst du, Kindlein, noch in der Traumesruh.
Bald, kleine Claudia, spinnest am Rocken du –
Du wachsest rasch und entwächst den Kleidlein bald!
Du wachsest schlank! Du wirst eine Wohlgestalt!
Die Fackel lodert und wirft einen grellen Schein,
Sie kleiden dich mit dem Hochzeitsschleier ein!
Die Knaben hüpfen empor am Festgelag
Und scherzen ausgelassen zum ernsten Tag.
Eine Herrin wandelt in ihrem eignen Raum,
Und ihre Mägd und die Sklaven atmen kaum.
Ihr ziemt, daß all die Hände geflügelt sind.
Ihr ziemt, daß all die Lippen gezügelt sind.
Die blühenden Horen schwingen im Reigen sich:
Dir ward ein Knabe, Julier, freue dich!
Doch wann die Freude schwebt und die Flöte schallt,
Dann« – singt die Parze – »kommt der Jammer bald,.[128]
Der Tiber flutet und überschwemmt den Strand,
Das bleiche Fieber steigt empor ans Land,
Der Rufer ruft und kündet von Haus zu Haus:
›Vernehmt! Den Julier tragen sie heut hinaus!‹
Jetzt, kleine Claudia, trägst du unträglich Leid!
In strenge Falten legst du dein Witwenkleid.
Dein Römerknabe springt dir behend vom Schoß,
Und grüßt dich helmumflattert herab vom Roß...
Die Tuben blasen Schlacht und sie blasen Sieg...
Da naht's. Da kommt's, was empor die Stufen stieg:
Vier Männer und die Bahre, Claudia, sind's
Mit der bekränzten Leiche deines Kinds!
Jetzt, kleine Claudia, bist du zu Tode wund« –
Das Kindlein lächelt. Es klirrt ein Schlüsselbund.
Die Mutter tritt besorgt in die Kammer ein
Und die Parze bleicht im goldenen Morgenschein.[129]
Der Ritt in den Tod
»Greif aus, du mein junges, mein feuriges Tier!
Noch einmal verwachs ich zentaurisch mit dir!
Umschmettert mich, Tuben! Erhebet den Ton!
Den Latiner besiegte des Manlius Sohn!
Voran die Trophän! Der latinische Speer!
Der eroberte Helm! Die erbeutete Wehr!
Duell ist bei Strafe des Beiles verpönt...
Doch er liegt, der die römische Wölfin gehöhnt!
Liktoren, erfüllet des Vaters Gebot!
Ich besitze den Kranz und verdiene den Tod –
Bevor es sich rollend im Sande bestaubt,
Erheb ich in ewigem Jubel das Haupt!«
Das Joch am Leman
»Die einen liegen tot mit ihren Wunden,
Die andern treiben wir daher gebunden!
Den Römeraar der Zwillingslegion,
Im Männerkampf, im Roßgestampf entrissen
Der eingegarnten Wölfin scharfen Bissen,
Schwingt Divico, der Berge Sohn!« –
Weit blaut die Seeflut. Scheltend jagen Treiber
Am Ufer einen Haufen Menschenleiber,
Die nackte Schmach umjauchzt Triumphgesang,
Ein Jüngling kreist auf einem falben Pferde
Um die zu zwein gepaarte Römerherde
Die Krümmen des Gestads entlang.
Er schleudert auf den Aar mit stolzem Schreie
Er schickt den Ruf empor zur Firnenreihe –
Die Grät und Wände blicken groß und bleich –
»Hebt, Ahnen, euch vom Silbersitz, zu schauen
Die Pforte, die wir für den Räuber bauen,
Der sich verstieg in euer Reich!
Wir bauen nicht mit Mörtel noch mit Steinen,
Zwei Speere pflanzt! Querüber bindet einen!
Zwei Römerköpfe drauf! Es ist getan!« –
Das Joch umstehn verwogne Kriegsgesellen
Mit Auerhörnern und mit Bärenfellen
Und schauen sich das Bauwerk an.
Die Hörner dröhnen. Zu der blut'gen Pforte
Strömt her das Volk aus jedem Tal und Orte,
Groß wundert sich am Joch die Kinderschar,
Ein Mädelreigen springt in heller Freude
Um das von Schande triefende Gebäude,
Den blühnden Veilchenkranz im Haar.
Der Manlierstirn verzogne Brauen grollen,
Des Claudierkopfs erhitzte Augen rollen –
Der Hirtenknabe geißelt wie ein Rind[130]
Den Brutusenkel. Sich durchs Joch zu bücken,
Krümmt jetzt das erste Römerpaar den Rücken
Und gellend lacht das Alpenkind.
Mit starren Zügen blickt, als ob er spotte,
Ein Felsenblock, der eigen ist dem Gotte,
Drauf hoch des Landes Priesterinnen stehn:
Ein hell Geschöpf in sonnenlichten Flechten,
Und eine Drude mit geballter Rechten,
Und rabenschwarzer Haare Wehn.
Die Dunkle höhnt: »Geht, Römer! Schneidet Stecken!
Mit Lumpen gürtet euch und Bettelsäcken!
Euch peitsch ein wildes Wetter durch die Schlucht!
Verflucht der Steg, darüber ihr gekommen,
Und wen ihr euch zum Führer habt genommen,
Er sei am ganzen Leib verflucht!«
Die Lichte fleht: »Du blitzest in den Lüften,
Umschwebst die Spitzen, hausest in den Klüften!
Behüte, Geist der Firn, uns lange noch!«
Die beiden singen starke Zauberlieder –
Ein Geier hangt im Blau und stößt danieder,
Und setzt sich schreiend auf das Joch.[131]
Das Geisterroß
Durch den dreigeteilten Bogen,
Des Triumphes prangend Tor,
Durch die lauten Menschenwogen
Dort zum Kapitol empor
Lenkt den Tanz der weißen Pferde
Cäsars lässige Gebärde.
Hinter des Triumphes Wagen
Duldend oder grollend gehn
Überwundne. Ketten tragen
Cäsars lebende Trophän.
»Dieser!« höhnt es im Gedränge,
»Dieser Trotz'ge!« zischt die Menge.[131]
Unberührt vom Hohn der Stunde,
Starren, traumgefüllten Blicks,
Geht, ein Singen auf dem Munde,
Ruhig Vercingetorix –
Fremde Weise, fremde Worte,
Mit dem Geist an fremdem Orte:
»Cäsar, blendend weiße Rosse
Hat Hispanien dir gebracht!
Ellid, edler Ahnen Sprosse,
Dunkel ist er wie die Nacht –
Deine Schimmel, deine viere,
Tauscht ich nicht mit meinem Tiere...
Ellid heißt der wackre Jager
Stark von Wuchs und fest im Bug
Welcher mich ins Römerlager
Mit gewalt'gen Sprüngen trug...
Der zum Opfer ich gegeben
Mich für meines Volkes Leben!
Dreimal flog ich um im Kreise,
In der Faust des Schwertes Blitz,
Noch im Lauf, nach Gallier Weise,
Sprang ich ab vor Cäsars Sitz...
Schwarzer Ellid, zu den Toten
Send ich dich als meinen Boten!
Wie er mir ins Antlitz schnaubte,
Stieß ich, Blick versenkt in Blick,
Hinter seinem mächt'gen Haupte
Stracks das Schwert ihm durchs Genick...
Daß mir eines Rosses Ehre
Mangle nicht im Geisterheere.
Ellid sprengt seit langen Jahren
Mitten in der bleichen Jagd,
Wann daheim die Toten fahren
Durch die Wälder, bis es tagt...
Sehn sie meinen led'gen Renner,
Wundern sich die stillen Männer...[132]
Lange Jahre lag gebunden
Ich in feuchter Kerkergruft –
Kettenschwere, dumpfe Stunden –
Endlich wieder Tag und Luft –
Ellid, schwarzer Ellid, spute
Dich! Du witterst, wo ich blute!
Heute endlich! Endlich heute!
Wann der Kahle schwelgt am Mahl,
Würgt er seine Siegesbeute.
Mit dem letzten müden Strahl,
Wann die Sonne niedergleitet,
Wird mir Block und Beil bereitet.
Henker, nimm das Beil zu Händen!
Nicht das Beil?... So nimm den Strang!
Droßle mich! Nur enden, enden!
Letzte Schmach! Sie währt nicht lang...
Ellids kurzes Hufgestampfe
Dröhnt in meinem Todeskampfe!
Sterbend pack ich Ellids Haare,
Ein Befreiter spring ich auf,
Fahre, schwarzer Ellid, fahre!
Nach der Heimat nimm den Lauf!
Wogen tosen! Rhodans Stimme!
In den Strom, mein Tier, und schwimme!«
Cäsars Schimmel blähn die Nüstern.
»Ave Triumphator!« schallt.
Des Gebundnen Lippen flüstern:
»In der Heimat bin ich bald!
Ellid mit gestrecktem Jagen
Wird mich nach der Heimat tragen!«[133]
Das verlorene Schwert
Der Gallier letzte Burg und Stadt erlag
Nach einem letzten durchgekämpften Tag
Und Julius Cäsar tritt in ihren Hain,
In ihren stillen Göttertempel ein.[133]
Die Weihgeschenke sieht gehäuft er dort,
Von Gold und Silber manchen lichten Hort
Und edeln Raub. Doch über Hort und Schatz
Hangt ein erbeutet Schwert am Ehrenplatz.
Es ist die Römerklinge kurz und schlicht –
Des Juliers scharfer Blick verläßt sie nicht,
Er haftet auf der Waffe wie gebannt,
Sie deucht dem Sieger wunderlich bekannt!
Mit einem Lächeln deutet er empor:
»Ein armer Fechter, der sein Schwert verlor!«
Da ruft ein junger Gallier aufgebracht:
»Du selbst verlorest's im Gedräng der Schlacht!«
Mit zorn'ger Faust ergreift's ein Legionar –
»Nein, tapfrer Strabo, laß es dem Altar!
Verloren ging's in steilem Siegeslauf
Und heißem Ringen. Götter hoben's auf.«[134]
Das Heiligtum
Waldnacht. Urmächt'ge Eichen, unter die
Des Blitzes greller Strahl geleuchtet nie!
Dämmernde Wölbung, Ast in Ast verwebt,
Von keines Vogels Lustgeschrei belebt!
Ein brütend Schweigen, nie vom Sturm gestört,
Ein heilig Dunkel, das dem Gott gehört,
Darin, umblinkt von Schädel und Gebein,
Sich ungewiß erhebt ein Opferstein...
Es rauscht. Es raschelt. Schritte durch den Wald!
Das kurze römische Kommando schallt.
Geleucht von Helmen! Eine Kriegerschar!
Vorauf ein Gallier und ein Legionar:
»Die Stämme können dienen. Beil in Schwung!
Cäsar braucht Widder zur Belagerung!«1
Erbleichend spricht der Gallier ein Gebet,
Den Römer selbst ergreift die Majestät
Des Orts, doch hebt gehorchend er die Axt –
Der Gallier flüstert: »Weißt du, was du wagst?
Die Stämme – diese Riesen – sind gefeit,[134]
Hier wohnt ein mächt'ger Gott seit alter Zeit,
In dessen Nähe nur der Priester tritt,
Ein totenblasses Opfer schleppt er mit.
Versehrtest nur ein Blatt du freventlich,
Stracks kehrte sich die Waffe wider dich!«...
Die heil'gen Eichen drohen Baum an Baum,
Die Römer lauschen bang und atmen kaum,
Schwer, schwerer wird der Hand des Beiles Wucht
Und ihr entsinkt's. Sie stürzen auf die Flucht.
»Steht!« und sie stehn. Denn es ist Cäsars Ruf,
Der ihre Seelen sich zu Willen schuf!
Er ist bei seiner Schar. Er deutet hin
Auf eine Eiche. Sie umschlingen ihn,
Sie decken ihn wie im Gedräng der Schlacht,
Sie flehn. Er ringt. Er hat sich losgemacht,
Er schreitet vor. Sie folgen. Er ergreift
Ein Beil, hebt's, führt den Schlag, der saust und pfeift...
Sank er verwundet von dem frevlen Beil?
Er lächelt: »Schauet, Kinder, ich bin heil!«
Erstaunen: Jubel! Hohngelächter! Spott!
Soldatenwitz: »Verendet hat der Gott!«
Die Rinde fliegt! Des Stammes Stärke kracht!
Vom Laub zu dunklerm Laube flieht die Nacht.
Die Beile tun ihr Werk. Die Wölbung bricht
Und Riesentrümmer überströmt das Licht.[135]
Fußnoten
1 Von Massilia.
Die wunderbare Rede
Auf der Appierstraße zieht ein Heer
Schnellen Schrittes, weit umwölkt von Staub.
Weiß am Horizont das Häusermeer –
»Rom ist morgen euer!« zeigt Sever.
»Flieget, Adler! Stoßt auf euren Raub!«
Morgen? Rom sorgt sich um morgen nicht.
»Die Gladiatoren spielen heut!«
Weiber schmücken sich. Orestes ficht!
Manch unheimlich brennend Augenlicht
Blitzt im Spiegel, den die Sklavin beut.[135]
Sänften hasten zum Theater schon,
Von Gewitterwolken überjagt,
Schwüle Blicke, die wie Fackeln lohn!
Ungeduldig finstre Brauen drohn:
»Eilet, Sklaven!« Spiel ist angesagt!
Über Dach und Zinne ragt empor
Himmelhoch ein riesenstarker Bau,
Der ein Volk empfängt durch manches Tor.
Hinter seinem Mauerkranz hervor
Steigt es schwarz und schwärzer auf im Blau.
Drinnen drängen sie sich Sitz an Sitz,
Jede Stufe strotzt und wogt und schwillt.
Auf der Bühne züngeln hell und spitz
Kurze Schwerter. Schimmernd flirrt ein Blitz
Und ein erster Sprudel Blutes quillt.
Starren Blickes, blaß vor Leidenschaft,
Lauert vorgeneigt die Römerin
Auf die Sterbewunde – eine gafft
Lüstern, eine sinnt dämonenhaft,
Eine lauscht mit hartem Mördersinn.
An der rasch gedrehten Klingen Spiel
Haften Seelen gierig, ohne Zahl –
Traf der Stoß? Er saß. Ein Fechter fiel,
Wälzt sich um im Sand und ist am Ziel
Nach der kurz empfundnen Sterbequal.
Mark und Herz erschütternd gellt ein Schrei!
Dort auf dem Balkon ein Weib im Traum:
Um die Schultern wehn die Haare frei
Und als ob sie die Sibylle sei,
Ruft sie ehern durch den vollen Raum:
»Wehe morgen! Fechter, du bist tot!
Gute Fahrt! Dir tun sie nichts zuleid!
Morgen wehe! Horch! Die Tuba droht!
Eine weite Flamme weht und loht!
Wehe! Sie zerreißen mir das Kleid!«[136]
In das Morgen blickt sie voller Graun,
Schaudernd wie vor Blutes tiefem Strom,
Denn ihr Auge kann das Künft'ge schaun –
Es ist keine von den ird'schen Fraun!
Es ist Rom! Es ist die Göttin Rom!
Vor dem Volk auf hoher Stufe ragt
Rom die Herrin in versteintem Schmerz,
Rom, vor welcher einst die Welt gezagt,
Jetzt die wunde, die geschlagne Magd!
Leid und Mitleid füllen jedes Herz.
Durch die Menge geht ein Flüstern leis,
Eine Rede schwirrt und irrt und rauscht,
Flutet höher, höher stufenweis,
Braust wie Meeresbrandung, füllt den Kreis,
Jeder spricht sie mit und jeder lauscht:
»Schande! Brandmal! Striemen! Sklavenjoch!
Wehe! Sie zerreißen dir das Kleid!
Ach wie lange noch, wie lange noch?
Stürbest, Göttin Roma, stürbst du doch!
Aber du bist voll Unsterblichkeit!«[137]
In einer Sturmnacht
Es fährt der Wind gewaltig durch die Nacht,
In seine gellen Pfeifen bläst der Föhn.
Prophetisch kämpft am Himmel eine Schlacht
Und überschreit ein wimmernd Sterbgestöhn.
Was jetzt dämonenhaft in Lüften zieht,
Eh das Jahrhundert schließt, erfüllt's die Zeit –
In Sturmespausen klingt das Friedelied
Aus einer fernen, fernen Seligkeit.
Die Ampel, die in leichten Ketten hangt,
Hellt meiner Kammer weite Dämmerung.
Und wann die Decke bebt, die Diele bangt,
Bewegt sie leise sich in sachtem Schwung.[137]
Mir redet diese Flamme wunderbar
Von einer windbewegten Ampel Licht,
Die einst geglommen für ein nächtlich Paar,
Ein greises und ein göttlich Angesicht.
Es sprach der Friedestifter, den du weißt,
In einer solchen wilden Nacht wie heut:
»Hörst, Nikodeme, du den Schöpfer Geist,
Der mächtig weht und seine Welt erneut?«[138]
Alle
Es sprach der Geist: Sieh auf! Es war im Traume.
Ich hob den Blick.
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