November 1632
(Schwedische Sage)
Schwedische Heide, Novembertag,
Der Nebel grau am Boden lag,
Hin über das Steinfeld von Dalarn
Holpert, stolpert ein Räderkarrn.
Ein Räderkarrn, beladen mit Korn;
Lorns Atterdag zieht an der Deichsel vorn,
Niels Rudbeck schiebt. Sie zwingen's nicht,
Das Gestrüpp wird dichter; Niels aber spricht:
»Buschginster wächst hier über den Steg,
Wir gehen in die Irr', wir missen den Weg,
Wir haben links und rechts vertauscht –
Hörst du, wie der Dal-Elf rauscht?«
»Das ist nicht der Dal-Elf, der Dal-Elf ist weit,
Es rauscht nicht vor uns und nicht zur Seit',
Es lärmt in Lüften, es klingt wie Trab,
Wie Reiter wogt es auf und ab.
Es ist wie Schlacht, die herwärts dringt,
Wie Kirchenlied es dazwischen klingt,
Ich hör' in der Rosse wieherndem Trott:
Eine feste Burg ist unser Gott!«
Und kaum gesprochen, da Lärmen und Schrei'n,
In tiefen Geschwadern bricht es herein,
Es brausen und dröhnen Luft und Erd',
Vorauf ein Reiter auf weißem Pferd.
Signale, Schüsse, Rossegestampf,
Der Nebel wird schwarz wie Pulverdampf,
Wie wilde Jagd, so fliegt es vorbei –
Zitternd ducken sich die Zwei.
Nun ist es vorüber ... Da wieder mit Macht
Rückwärts wogt die Reiterschlacht,
Und wieder dröhnt und donnert die Erd',
Und wieder vorauf das weiße Pferd.
Wie ein Lichtstreif durch den Nebel es blitzt,
Kein Reiter mehr im Sattel sitzt,
Das fliehende Tier, es dampft und raucht,
Sein Weiß ist tief in Rot getaucht.
Der Sattel blutig, blutig die Mähn',
Ganz Schweden hat das Roß gesehn –
Auf dem Felde von Lützen am selben Tag
Gustav Adolf in seinem Blute lag.
Schloß Eger
Lärmend, im Schloß zu Eger,
Über dem Ungarwein,
Sitzen die Würdenträger
Herzogs Wallenstein:
Tertschka, des Feldherrn Schwager,
Illo und Kinsky dazu,
Ihre Heimat das Lager,
Und die Schlacht ihre Ruh.
Lustig flackern die Kerzen;
Aber der Tertschka spricht:
»Ist mir's Nacht im Herzen
Oder vorm Gesicht?
Diese Lichter leuchten
Wie in dunkler Gruft,
Und die Wände, die feuchten,
Hauchen Grabesluft.«
Feurig funkelt der Unger;
Aber der Kinsky spricht:
»Draußen bei Frost und Hunger
Schüttelte so mich's nicht,
Hielte lieber bei Lützen
Wieder in Qualm und Rauch;
Wolle Gott uns schützen,
Oder – der Teufel auch.«
Illo nur, Herz wie Kehle
Hält er bei Laune sich,
Dicht ist seine Seele
Gegen Hieb und Stich,
Trägt ein Büffelkoller
Wie sein Körper traun,
Lustiger und toller
War er nie zu schaun.
Und vom Trunke heiser
Ruft er jetzt und lacht:
»Das erst ist der Kaiser,
Wer den Kaiser macht;
Eid und Treue brechen,
Taten wir's allein?
Hoch der König der Tschechen,
Herzog Wallenstein!« –
Burg- und Schloßbewohner
Ruhen ... Da sieh, in Stahl,
Buttlersche Dragoner
Dringen in den Saal;
Buttler selbst, im Helme,
Tritt an den Illo: »Sprich,
Seid ihr Schurken und Schelme
Oder gut kaiserlich?! «
Hei, da fahren die Klingen
Wie von selber heraus,
Von dem Pfeifen und Schwingen
Löschen die Lichter aus;
Weiter geht es im Dunkeln,
Nein, im Dunkeln nicht:
Ihrer Augen Funkeln
Gibt das rechte Licht.
Tertschka fällt; daneben
Kinsky mit Fluch und Schwur;
Mehr um Tod wie Leben
Ficht selbst Illo nur,
Schlägt blindhin in Scherben
Schädel und Flaschen jetzt,
Wie ein Eber im Sterben
Noch die Hauer wetzt.
Licht und Fackel kommen,
Geben düstren Schein:
Ineinander verschwommen
Blinken Blut und Wein;
Überall im Saale
Leichen in buntem Gemisch,
Stumm, vor seinem Mahle,
Sitzt der Tod am Tisch.
Buttler aber, wie Wetter,
Donnert jetzt: »Laßt sie ruhn!
Das sind erst die Blätter,
An die Wurzel nun.«
Bald in Schlosses Ferne
Hört man's krachen und schrei'n; –
Schau nicht in die Sterne,
Rette dich, Wallenstein!
Jan Bart
Jan Bart geht über den Vlissinger Damm.
»Hür', Katrin, wi trecken tosamm;
En Huus, en Boot, 'ne Zieg' un 'ne Kuh,
Wat mienst, Katrin? Sy miene Fru.«
Katrin an ihrem Friesrock zog:
»Ne, Jan, bist mi nich Mynherr 'noog.«
Der nickt und lacht: »Na, denn Adje.«
Und nach Frankreich geht er und sticht in See.
Matrose, Maat, so fängt er an,
Auf der zweiten Reise: Steuermann,
Auf der dritten: Leutnant unter Du Quesne,
Auf der vierten: Flottenkapitän.
Und als es mit England kommt zum Krieg,
Wo Jan Bart erscheint, erscheint der Sieg,
Wie stolz das britische Banner auch weh',
Jan Bart ist Herr und fegt die See.
Heut aber tritt er vor seinen Herrn,
Vor Louis quatorze. Der sieht ihn gern.
»Willkommen, Jan Bart, in diesem Saal,
Ich ernenn' Euch zu meinem Groß-Admiral.«
Jan Bart verneigt sich: »Majestät,
Was klug und recht ist, kommt nie zu spät.«
Alles starrt auf den König, der aber lacht –
Jan Bart hat sich wieder heim gemacht.
Und am Vlissinger Damm, an alter Stell',
Sitzt wieder Katrin auf ihrer Schwell',
Ihren Ältsten hält sie bei der Hand,
Der Jüngste liegt und spielt im Sand.
Er grüßt sie lachend und noch einmal:
»Katrin, ich bin nu Groß-Admiral,
Katrin, w'rüm biste nich mit mi goahn?«
»Joa, wenn ick't wußt hätt', hätt' ick't doahn.«
Bienen-Winkelried
Nur kein Gegrübel,
Was es sei;
Wohl oder Übel –
Der Scherz ist frei.
Die Wespen und die Bienen,
Sie haben sich entzweit:
Guelfen und Ghibellinen,
So stehen sie im Streit.
Schon um die heimische Linde,
Wie um ihr letztes Haus,
Sammelt das Bienengesinde
Sich zum entscheidenden Strauß.
Eine (sie stund auf Wache,
Und das Weinen war ihr nah)
Schwur: »Eine herrliche Sache
Sei dies mori pro patria!
Daß ihr Stand so ein harter,
Freue sie fast zu sehn,
Wie die dreihundert Sparter
Würden sie untergehn.«
Sprach da eine Zweite:
»Wohl, sie stimme dem bei,
Daß zu fallen im Streite
Süß und löblich sei;
Nur sie wäre verwundert,
Daß man auf Sparta säh',
Pforzheim und seine Vierhundert
Hätte man ja in der Näh'.«
Sprach es. Da schwarz am Himmel,
Wie Heuschreckenzug,
Nahte das Wespengewimmel
Sich im Siegesflug.
Solche Schwärme und Flüge
Nimmer der Garten sah,
Wahre Hunnenzüge
Waren's des Attila.
Bald in gebogenem Horne,
Bald in gespitztem Keil
Stürmten sie – aber nach vorne
Immer den Stachelteil;
Ach, die Bienen, in Demut
Wurden sich des bewußt,
Und unendliche Wehmut
Schlich in ihre Brust.
Siehe, da schnell ein Sasse
Tritt hervor aus den Reih'n:
»Mach' euch eine Gasse,
Liebe Genossen mein!«
Und als ob es ihm wäre
Heldischer Zeitvertreib,
Drückt er dreizehn Speere
Sich in Brust und Leib.
Da, die Bienen klammern
Grimm an den Feind sich an,
Alle Wespen jammern:
»Rette sich, wer kann!«
Aber mit Waffen, schartig,
Hummeln und andere mehr
Fallen jetzt landsturmartig
Über die Flüchtigen her.
Abend kommt; es schattet;
Letzte Röte schied;
Siehe, da wird bestattet
Bienen-Winkelried.
Solch ein Gästegedränge,
Alle mußten's gestehn,
Und solch Leichengepränge
Hatten sie nie gesehn.
Rings auf Spitzen und Türmchen
An dem Heckenzaun
Glühten Johanniswürmchen
Hell wie Fackeln traun;
Taghell so beleuchtet
Kam der Zug daher,
Jedes Auge gefeuchtet,
Jedes Herze schwer.
Vorne drei Hummelbrummer
Schritten ernst und barsch,
Trommelten in Kummer
Ihren Trauermarsch;
Dann, mit Ruhm zu melden,
Kam der wächserne Sarg,
Der des Helden der Helden
Irdische Hülle barg.
Vier kohlschwarze Käfer
– Allen wohlbekannt –
Waren, als Rappen, dem Schläfer
Drinnen vorgespannt;
Auf dem Deckel oben
Lagen, Schaft an Schaft,
Alle die dreizehn Proben
Seiner Ritterkraft.
Still des Zuges Spitze
Hat jetzt eingelenkt:
In eine Mauerritze
Wird der Sarg gesenkt.
Dann, wie Kriegsgesinde
Rasch den Gram vertauscht,
Haben im Duft der Linde
Alle sich berauscht.
Die Schlacht am Cremmer-Damm
1334
(Nach dem Alt-Pommerschen)
Und als Herzog Barnim, der vielkleine Mann,
Um mit Markgraf Ludwig zu fechten,
War bis an den Cremmer-Damm heran,
Sprach er zu Rittern und Knechten:
»Das Cremmer Luch ist ein garstig Loch,
Und den Feind daraus zu vertreiben,
Ich denke, Leute, wir lassen's noch
Und wollen diesseits bleiben.
Wir schreiben aus eine große Steu'r,
Und wer sich nicht will bequemen,
Den zwingen wir mit Wasser und Feu'r
Und wollen das Vieh ihm nehmen.«
Der Rat gefiel den Pommern all,
Und verquer an den beiden Ecken
Gruben sie hastig Graben und Wall,
Dahinter sich zu verstecken.
Markgraf Ludwig aber, der tapfere Held,
Drüben sah man ihn reiten,
Er dachte: ›Die Pommern stehen im Feld
Und werden den Damm überschreiten.‹
Als aber keiner sich's unterwand,
Ließ er seinen Trompeter kommen
Und sagte: »Nimm deine Trompet in die Hand
Und blas, bis sie's drüben vernommen.
Und sage dem Herzog Barnim an,
Ich hätte groß Verlangen,
Ihn und seine Ritter, Mann für Mann,
Hier diesseits zu empfangen.
Und wenn es hier diesseits ihm nicht behagt,
So wollt' ich ihm versprechen,
Auch auf dem Luch-Damm unverzagt
Eine Lanze mit ihm zu brechen.«
Drauf der: Er woll' ihm Rede stehn;
Nicht-kommen, das dünk' ihm Sünde,
Sie wollten sich treffen und wollten sehn,
Wer das Spiel am besten verstünde.
Da ging es vom Graben den Damm hinauf,
Drauf standen dicht die Märker,
Die wehrten sich einzeln und zu Hauf,
Aber Herzog Barnim war stärker.
Die Märkischen konnten nicht bestahn,
Das Luch war ihr Verderben,
Und viele mußten da liegen gahn
Und ohne Wunde sterben.
Und mählich wichen sie Schritt für Schritt,
Vor Cremmen weiter zu fechten,
Die Pommern folgten in festem Tritt,
Die Ritter mitsamt den Knechten.
Aber vor Cremmen hielt man an
Und mußte draußen bleiben,
Die Märkischen standen da Mann an Mann
Und waren nicht zu vertreiben.
Sie schossen hinunter aus Turm und Tor
In das pommersche Gedränge,
Dann drängten sie selber wieder vor,
Tote gab es die Menge.
Da sprach Schwerin: »Das tut kein gut,
Laßt uns den Damm erfassen,
Oder wir müssen unser Blut
Hier alle vor Cremmen lassen.«
So zogen sie wieder dem Damme zu,
Heimwärts ohn' Schimpf und Schade,
Zuletzt ging auch der Krieg zu Ruh' –
Gott geb' uns seine Gnade.
Der Quitzowen Fall und Untergang
1414
(Nach dem Alt-Märkischen)
Und Christ im Himmel erbarmte sich:
Da gab er zum Trost uns männiglich
Unseren Markgraf Friederich,
Einen Fürsten lobesamen.
Das ist ein Fürst von eigner Art,
In ihm sind Kraft und Mut gepaart;
Ob Laien oder wohlgelahrt,
Alle preisen seinen Namen.
Zu loben ihn uns wohl ansteht,
Ihn, den so lange die Mark erfleht;
Gott selber in seiner Majestät
Hat ihn uns erwecket.
Seit Kaiser Karl zu Prag uns starb,
Das Land verkam, das Land verdarb,
Bis Friedrich unsre Mark erwarb,
Das hat die Räuber erschrecket.
Und die ihm wollten widerstehn,
Wie der Kuckuck waren sie anzusehn,
Er war der Adler, sie waren die Krähn.
Er zerstäubte sie geschwinde.
Die Quitzowschen schwuren einen Eid:
»Wir machen ihm das Land zu Leid«,
Und dazu waren sie wohl bereit
Mit ihrem Ingesinde.
»Was soll uns der Nürrenberger Tand?
Ist Spielzeug nur in unsrer Hand,
Wir sind die Herren in diesem Land
Und wollen es beweisen.
Und regnet's Fürsten noch ein Jahr,
Das macht nicht Furcht uns und Gefahr,
Er soll uns krümmen nicht ein Haar,
Nach Hause soll er reisen.
Und kommt zu Fuß er oder Pferd,
Mit Büchse, Tartschen oder Schwert,
Uns dünkt es keinen Heller wert,
Er muß dem Land entsagen.
Und will er nicht, es tut nicht gut;
Wir stehen mutig seinem Mut,
Zehn Schlösser sind in unsrer Hut,
Er soll uns nicht verjagen.«
Als das die Fürstenschaft vernahm,
In Hasten alles zusammenkam;
Einem jeden wär' es Schimpf und Scham,
Wär' er da nicht gekommen.
Der Bischof von Magdeburg war zur Hand,
Günter von Schwarzburg war er genannt,
Nach Plaue hat er sich gewandt
Und die »Grete« mitgenommen.
Dann zog heran ein Sachsenhauf',
Herzog Rudolf allen vorauf.
Nach Golzow nahm er Ziel und Lauf
Und stellte sich vor die Feste.
Da ließ er schwenken seine Fahn':
»Ich denke, rasch ist gut getan,
Laßt uns an ein Stürmen gahn,
Und jeder tue das beste.«
Burggraf Friedrich aber vor Friesack zog,
Der Graben war tief, die Mauer war hoch,
Aber die Franken stürmten sie doch,
Alle wollten sie Ritter werden.
Ein Hagel von Pfeilen sie flugs empfing,
Da schützte nicht Schiene, nicht Panzerring,
Mancher Pfeil bis in das Herze ging,
Und viele sanken zu Erden.
Ja, Pfeile flogen und Kugel und Stein,
Da riefen die Franken: »Tritt für uns ein,
Maria, woll' uns gnädig sein,
Auf daß der Hochmut erliege.«
Die heilige Jungfrau, sie war es gewillt,
Sie lieh den Stürmenden ihren Schild,
Ein jeder sah ihr Himmelsbild,
Und so schritten sie zum Siege.
Das Wetter war kraus und ungestalt,
Es regnete, schneite und war kalt,
Die Schlösser kamen in unsre Gewalt,
Weil Gott im Himmel es wollte.
Friesack, Plaue, Rathenow,
Und Golzow und Beuthen ebenso,
Sie huldigen Friedrich, und alle sind froh,
Daß Recht Recht bleiben sollte.
Die Fürsten lenkten heimwärts ein,
Desgleichen die Städte, groß und klein;
Viele waren geschossen durch Hüft' und Bein
Und hinkten nach Haus an Krücken.
Ach, reicher Gott, den Fürsten gut,
Nimm ihn gnädig in deine Hut
Und woll' ihn durch dein heilig Blut
Erquicken und beglücken.
Auch seiner edlen Fraue zart
Sei'n deine Gnaden aufgespart,
Dann sind allbeide wohlbewahrt
In deinem Himmel droben.
In deinem Himmel, nach dem wir schaun,
Auf den wir all in Hoffnung baun,
Um willen Unsrer lieben Fraun,
Die wir rühmen und preisen und loben.
Die Gans von Putlitz und die Erstürmung von Angermünde
25. März 1420
(Nach dem Alt-Pommerschen)
Ein neues Lied gesungen sei:
Nach dem Winter, da kommt der Mai,
Das haben wir wohl vernommen;
Und daß Kettr-Angermünde märkisch ward,
Das soll dem Markgrafen frommen!
Johann von Briesen ließ sich jagen
Von Kettr-Angermünde bis Greifenhagen,
All' Mut war ihm gebrochen;
Da ging er zu Hofe nach Alten-Stettin
Und hat zu dem Herzog gesprochen:
»Gnäd'ger Herre, was zu halten stand:
Kettr-Angermünd und das Stolper Land,
Ist verloren und verdorben;
Der Markgraf hält es jetzt in Hand,
Und doch hieß es: er sei gestorben.«
Da ließ der Herzog entbieten und holen
All seine Mannschaft, Pommern und Polen,
Nach Vierraden ritt man zu Tische;
Da setzten sie sich und hielten Rat
Und aßen süße Fische.
Dann ritten sie weiter, und kaum heran,
Angermünde ward ihnen aufgetan,
Alle haben dem Herzog geschworen,
Und alle riefen: »Stettin, Stettin!«
Und Brandenburg war verloren.
Aber draußen hinter Wall und Graben,
Die Märkischen schon sich gesammelt haben,
Vierhundert Reiter und Knechte;
Die Gans von Putlitz führet sie,
Zischend, auf daß sie fechte.
Ja, die Gans, der wollt' es nicht behagen –
Sie streckte zornig ihren Kragen
Über die Pommern alle;
Da schwebte der märkische Adler hoch,
Und die Greifen kamen zu Falle.
Die Gans aber wuchs im Grimme noch,
Sie schlug mit den Flügeln ein Brescheloch,
Und da stand sie nun zwischen den Steinen,
Und als sie bis zum Markte kam,
Waren sie zehn gegen einen.
Da gingen die Schwerter die Klinker die Klang,
Herr Detleff Schwerin mit dem Putlitz rang
Und wollte den Preis erwerben;
Da mußte Herr Detleff von Schwerin
Für seinen Erbherrn sterben.
Das war des Herzogs schwerster Tag,
Als da Herr Detleff vor ihm lag,
Zerhackt, in Blut und Wunden,
Und er rief: »O hätt' ich über den Damm
Erst wieder zurücke gefunden!«
Er sprach es und ritt im Zuge vorn,
Er gab seinem Rosse Schlag und Sporn
Und suchte die Zügel zu fassen;
So kam er bis an das »hohe Haus«,
Da ward er eingelassen.
Das war zu Vierraden. Auf Schlosses Brück'
Einmal noch sah er zurück, zurück,
Im Herzen voll Weh und Leide:
»Kettr-Angermünde, du vielgute Stadt,
Daß so ich von dir scheide!«
Der aber, der dies Lied euch sang,
Ein Schmiedeknecht ist er schon lang',
Und sie nennen ihn Köne Finken;
Und er führt ein Hämmerchen auf der Hand,
Und Gut-Bierchen mag er trinken.
Der Tod des letzten Grafen von Ruppin
1524
(Nach dem Alt-Märkischen)
Der edle Herr Wichmann zog jagen aus,
Eine »falsche Frau« ließ er zu Haus
Mit ihren vergüldeten Ringen.
»Ach Karsten, mir ist im Herzen so weh,
Laß uns heimziehn, daß ich die Mutter seh',
Ich mag nicht länger reiten.«
Sie machten ihm eine Stube heiß,
Darinnen ein Bett, so weich und weiß,
Drin sollte der Herre ruhen.
Sie schenkten ihm Met und italischen Wein,
Das nahm dem Herrn das Leben sein,
Dem edlen Herrn Wichmanne.
»Großmutter und liebe Schwester mein;
Steckt in meinen Mund ein Tüchelein
Und kühlet meine Zunge.
Daß ich nun von euch scheiden soll, –
Ach, der bittre Tod, der will es wohl!
Und möchte so gern noch leben.«
Einen schwarzen Wagen, drin legten sie ihn,
Sie führten zu Nacht ihn nach Neuen-Ruppin,
Sie begruben ihn in das Kloster.
Sie schossen ihm nach sein' Helm und Schild,
Sie hingen auf sein Wappenbild
Am Pfeiler im hohen Chore.
Die alte Gräfin murmelte still:
»Nun muß ich wollen, was ich nicht will,
Und leben – ich, die Letzte.«
Wangeline von Burgsdorf oder
Die weiße Frau
(Fragment)
Das ist die Sage: Und will Gefahr
Die Hohenzollern umgarnen,
Da wird lebendig ein alter Fluch,
Die weiße Frau im Schleiertuch
Zeigt sich, um zu warnen.
Sie kommt dreimal, geht um dreimal,
Zögernder immer und trüber,
Die Wache ruft ihr Halt-Werda nicht mehr,
Sie weiß, den Gast schreckt kein Gewehr –
Der Schatten schreitet vorüber.
Die Lichter verglühn, im Schloß wird's still,
Nur Eine, die sich noch schmücken will,
Sie tritt an den Spiegel und löst ihr Haar,
Wangeline die schöne, wie schön sie war.
Sie schmückt sich; für wen? Für ihren Galan:
Kurt Jagow hat es ihr angetan;
Sie sahen sich viel, sie küßten sich oft,
Wird heut er kommen? Sie harrt, sie hofft.
Sie hofft und wirft mit schimmernder Hand
Ihr schwarzes Haar übers weiße Gewand,
Sie flüstert: »Ich lieb' ihn mit Seel' und Leib –
Was soll mich kümmern sein gramblaß Weib.
Und ob ihr bräche das Herz in der Brust,
Je blasser die Tote, je röter die Lust,
Feigherzig Gewissen, fahr hin, fahr hin,
Es brennt mein Blut, und es schwindelt mein Sinn.«
Sie spricht es. Da sieh, hellblendender Schein
Fällt von der Tür in den Spiegel hinein;
Sie wendet sich um, auf schreit sie jäh –
Ein trat Kurfürstin Dorothee.
Die zittert selbst. In bebender Hand
Mit bebt die Kerze, halb niedergebrannt ...
Der alte Derffling
Es haben alle Stände
So ihren Degenwert,
Und selbst in Schneiderhände
Kam einst das Heldenschwert;
Drum jeder, der da zünftig
Mit Nadel und mit Scher',
Der mache jetzt und künftig
Vor Derffling sein Honneur.
In seinen jungen Tagen
War das ein Schneiderblut,
Doch mocht' ihm nicht behagen
So Zwirn wie Fingerhut;
Und wenn er als Geselle
So saß und fädelt' ein,
Schien ihm die Schneiderhölle
Die Hölle selbst zu sein.
Einst, als das Nadelhalten
Ihm schier ans Leben ging,
Dacht' er: ›Das Schädelspalten
Ist doch ein ander Ding‹;
Fort warf er Maß und Elle
Voll Kriegslust an die Wand
Und nahm an Nadels Stelle
Den Säbel in die Hand.
Sonst focht er still und friedlich
Nach Handwerksburschen-Recht,
Jetzt war er unermüdlich
Beim Fechten im Gefecht;
Es war der flinke Schneider
Zum Stechen wohl geschickt,
Oft hat er an die Kleider
Dem Feinde was geflickt.
Er stieg zu hohen Ehren,
Feldmarschall ward er gar,
Es mocht' ihn wenig kehren,
Daß einst er Schneider war;
Nur, fand er einen Spötter,
Verstund er keinen Spaß
Und brummte: »Für Hundsfötter
Ist hier mein Ellenmaß.«
Krank lag in seinem Schlosse
Der greise Feldmarschall,
Keins seiner Lieblingsrosse
Kam wiehernd aus dem Stall;
Er sprach: »Als alter Schneider
Weiß ich seit langer Zeit,
Man wechselt seine Kleider –
Auch hab' ich des nicht Leid.
Es fehlt der alten Hülle
In Breite schon und Läng',
Der Geist tritt in die Fülle,
Der Leib wird ihm zu eng;
Gesegnet sei dein Wille,
Herr Gott, in letzter Not!«
Er sprach's und wurde stille –
Der alte Held war tot.
Der alte Dessauer
Ich will ein Lied euch singen!
Mein Held ist eigner Art:
Ein Zopf vor allen Dingen,
Dreimaster, Knebelbart,
Blitzblank der Rock vom Bürsten
Und jeder Knopf wie Gold –
Ihr merkt, es gilt dem Fürsten,
Dem alten Leopold.
All' Wissenschaft und Dichtung
Sein Lebtag er vermied,
Und sprach er je von »Richtung«,
Meint' er in Reih und Glied;
Statt Opern aller Arten
Hatt' er nur einen Marsch,
Und selbst mit Schriftgelahrten
Verfuhr er etwas barsch.
Nicht mocht' er Phrasen türmen
Von Fortschritt, glatt und schön,
Er wußte nur zu stürmen
Die Kesselsdorfer Höhn;
Er hielt nicht viel vom Zweifel
Und wen'ger noch vom Spott,
Er war ein dummer Teufel
Und glaubte noch an Gott.
Ja, ja, er war im Leben
Beschränkt, wie man's so heißt,
Und soll ich Antwort geben,
Warum mein Lied ihn preist?
Nun denn, weil nie mit Worten
Er seine Feinde fraß,
Und weil ihm rechter Orten
So Herz wie Galle saß.
Wir haben viel von Nöten,
Trotz allem guten Rat,
Und sollten schier erröten
Vor solchem Mann der Tat;
Verschnittnes Haar im Schopfe
Macht nicht allein den Mann –
Ich halt' es mit dem Zopfe,
Wenn solche Männer dran.
Der alte Zieten
Joachim Hans von Zieten,
Husarengeneral,
Dem Feind die Stirne bieten,
Er tat's wohl hundert Mal;
Sie haben's all' erfahren,
Wie er die Pelze wusch,
Mit seinen Leibhusaren
Der Zieten aus dem Busch.
Hei, wie den Feind sie bläuten
Bei Hennersdorf und Prag,
Bei Liegnitz und bei Leuthen,
Und weiter Schlag auf Schlag;
Bei Torgau, Tag der Ehre,
Ritt selbst der Fritz nach Haus,
Doch Zieten sprach: »Ich kehre
Erst noch mein Schlachtfeld aus.«
Sie kamen nie alleine,
Der Zieten und der Fritz,
Der Donner war der eine,
Der andre war der Blitz.
Es wies sich keiner träge,
Drum schlug's auch immer ein,
Ob warm', ob kalte Schläge,
Sie pflegten gut zu sein. –
Der Friede war geschlossen,
Doch Krieges Lust und Qual,
Die alten Schlachtgenossen
Durchlebten's noch einmal.
Wie Marschall Daun gezaudert,
Und Fritz und Zieten nie,
Es ward jetzt durchgeplaudert
Bei Tisch, in Sanssouci.
Einst mocht' es ihm nicht schmecken,
Und sieh, der Zieten schlief,
Ein Höfling wollt' ihn wecken,
Der König aber rief:
»Laßt schlafen mir den Alten,
Er hat in mancher Nacht
Für uns sich wach gehalten,
Der hat genug gewacht.« –
Und als die Zeit erfüllet
Des alten Helden war,
Lag einst, schlicht eingehüllet,
Hans Zieten, der Husar;
Wie selber er genommen
Die Feinde stets im Husch,
So war der Tod gekommen
Wie Zieten aus dem Busch.
Seydlitz
1. Herr Seydlitz auf dem Falben
Herr Seydlitz auf dem Falben
Sprengt an die Front heran,
Sein Aug' ist allenthalben,
Er mustert Roß und Mann,
Er reitet auf und nieder
Und blickt so lustig drein,
Da wissen's alle Glieder:
Heut wird ein Tanzen sein.
Noch weit sind die Franzosen;
Doch Seydlitz will zu Ball,
Die gelben Lederhosen,
Sie sitzen drum so prall;
Schwarz glänzen Hut und Krempe,
Im Sonnenschein zumal,
Und gar die blanke Plempe
Blitzt selbst wie Sonnenstrahl.
Sie brechen auf von Halle,
Die Tänzer allbereit,
Bis Gotha hin zu Balle
Ist freilich etwas weit.
Doch Seydlitz, vorwärts trabend,
Spricht: »Kinder, wohlgemut!
Ich denk', ein lust'ger Abend
Macht alles wieder gut.«
Die Nacht ist eingebrochen;
Zu Gotha, auf dem Schloß,
Welch Tanzen da und Kochen
In Saal und Erdgeschoß,
Die Tafel trägt das Beste
An Wein und Wild und Fisch –
Da, ungebetne Gäste
Führt Seydlitz an den Tisch.
Die Witz- und Wortspieljäger
Sind fort mit einem Satz,
Die Schwert- und Stulpenträger,
Sie nehmen hurtig Platz;
Herr Seydlitz bricht beim Zechen
Den Flaschen all' den Hals,
Man weiß, das Hälsebrechen
Verstund er allenfalls.
Getrunken und gegessen
Hat jeder, was ihm scheint,
Dann heißt es: »Aufgesessen
Und wieder nach dem Feind!«
Der möchte sich verschnaufen
Und hält bei Roßbach an,
Doch nur, um fortzulaufen
Mit neuen Kräften dann. –
Das waren Seydlitz' Späße;
Bei Zorndorf galt es Zorn,
Als ob's im Namen säße,
Nahm man sich da aufs Korn;
Das slawische Gelichter –
Herr Seydlitz hoffte traun
Noch menschliche Gesichter
Aus ihnen zuzuhaun.
Des Krieges Blutvergeuden,
Die Fürsten kriegten's satt;
Nur Seydlitz wenig Freuden
An ihrem Frieden hat;
Oft jagt er drum vom Morgen
Bis in die Nacht hinein,
Es können dann die Sorgen
So schnell nicht hinterdrein.
Er kam nicht hoch zu Jahren,
Früh trat herein der Tod:
Könnt' er zu Rosse fahren,
Da hätt's noch keine Not;
Doch auf dem Lager, balde
Hat ihn der Tod besiegt,
Der draußen auf der Halde
Noch lang' ihn nicht gekriegt.
2. Seydlitz und der Bürgermeister von Ohlau
In Ohlau der Bürgermeister der Stadt
Eine weiße Zippelmütze hat;
Gegenüber im Kommandantenhaus
Sieht Seydlitz morgens zum Fenster hinaus.
Und jeden Morgen, unentwegt,
Sich auch Zippelmütz' ins Fenster legt,
Und wenn der Seydlitz drüben schmaucht,
Auch Zippelmütze sein Pfeifchen raucht,
Und wenn der Seydlitz zum Räuspern ruckt,
Hat Zippelmütze schon ausgespuckt.
Das ärgert den Seydlitz. »Philistergesicht.
Affront dazu; das lieb' ich nicht.«
Und er nimmt Pistolen links von der Wand,
Zielt hinüber mit sichrer Hand,
Zielt und schießt auf dreißig Schritt,
Eine zweite Kugel und nun eine dritt',
Es spritzt der Kalk – der drüben heiter
Zieht seine Mütze, raucht aber weiter,
Und Seydlitz lacht: »Verfluchte Visage.
Aber der Kerl hat Courage.«
Das war im Frieden. Nun steht die Schlacht:
Seydlitz wartet und Seydlitz wacht,
An strahlt ihn der Ruhm, er steigt zu Pferde,
Hundert Schwadronen, es donnert die Erde;
Gestern in Ohlau im Fenster liegen,
Heute bei Zorndorf siegen, siegen –
Wie kam der Wandel! Fragt nicht wie.
Klein im Kleinen, im Großen Genie.
3. Und Calcar, das ist Sporn
In Büchern und auf Bänken,
Da war er nicht zu Haus,
Ein Pferd im Stall zu tränken,
Das sah schon besser aus;
An schnallt er die silbernen Sporen,
Blaustählern war der Dorn –
Zu Calcar war er geboren,
Und Calcar, das ist Sporn.
Es sausen die Windmühlflügel,
Es klappern Leiter und Steg,
Da, mit verhängtem Zügel,
Geht's unter dem Flügel weg,
Und bückend sich vom Pferde,
'nen vollen Büschel Korn
Aus reißt er aus der Erde –
Hei, Calcar, das ist Sporn.
Sie reiten über die Brücken,
Und Friedrich scherzt: »Je, nun,
Hie Feind in Front und Rücken,
Seydlitz, was würd' Er tun?«
Der, über die Brückenwandung
Spornt er halblinks nach vorn,
Der Strom schäumt auf wie Brandung –
Ja, Calcar, das ist Sporn.
Und andre Zeiten wieder;
O kurzes Heldentum,
Zu Tode liegt er danieder
Und lächelt: »Was ist Ruhm?
Ich höre nun allerwegen
Eines stärkeren Reiters Horn,
Aber auch ihm entgegen –
Denn Calcar, das ist Sporn.«
Schwerin
Nun aber soll erschallen
Dir Preis und Ruhm, Schwerin,
Der du vor Prag gefallen
Beim Sturme der Batt'rien;
Es lebt in eins verschlungen
»Schwerin« und »Schlacht bei Prag«,
Drum sei dein Lob gesungen
Durch deinen Ehrentag. –
Des sechsten Maies Morgen
Schwebt über Berg und Au,
Der Feind ist wohlgeborgen
Durch Gräben und Verhau;
Es halten seine Flügel
Die Höhen rings besetzt,
Ein feuerspei'nder Hügel
Ist jede Kuppe jetzt.
Hier wird die Schlacht geschlagen!
Steil ist die Bergesbahn,
Doch siegen und nicht wagen,
Das heißt nur halb getan;
Die Grenadiere stürmen,
Kartätschen prasseln drauf,
Und vor den Hügeln türmen
Sich Leichenhügel auf.
Am Boden liegt vernichtet
Schwerins Leibbataillon;
Ein Eichwald, tief gelichtet,
So steht ein zweites schon;
Getroffen sinkt danieder
Gen'ral von Winterfeld,
Und die zerschoßnen Glieder
Nichts mehr im Feuer hält.
Sie fliehn. Die alte Erde
Bebt selbst, als ob ihr's graut,
Da steigt Schwerin vom Pferde:
»Mir nach!« so ruft er laut;
Er faßt die alte Fahne,
Noch nie zur Flucht gewandt,
Daß er den Sieg erbahne
Mit seiner Greisenhand. –
Die Hügel sind erstiegen,
Die Kaiserlichen fliehn,
Doch trauervolles Siegen,
Im Sterben liegt – Schwerin;
Vier Kugeln, erzgegossen,
Sie haben ihn zerfetzt,
Die Fahne, die zerschossen,
Sein Bahrtuch ist sie jetzt.
Die Truppen ziehn vorüber
Mit dumpfem Trommelschlag,
Solch Tag des Glücks ist trüber
Als mancher Unglückstag;
Wie Wetterwolkenschwere
Sieht man's am Himmel ziehn,
Sie ziehen vorauf dem Heere,
Sich lagernd über – Kolin.
Keith
Da, wo der Strom der Schotten,
Der Tay vom Felsen springt,
Wo's noch in Schlucht und Grotten
Von Bruce und Wallace klingt,
Am Tay, wo blut'ge Siege
Jedweden Fleck geweiht,
Dort stand auch deine Wiege,
Feldmarschall Jakob Keith.
Es sang die Hochlandsamme
Mit Schlachten dich in Ruh',
Aus ihrem Clan und Stamme
Pries sie die Helden dazu;
Drum, ehe der Bart am Kinne
Dir sproßte noch hervor,
Standst du, voll Mannessinne,
Schon mit bei Sherifmoor.
Du standest bei den Schwachen,
Die Stuarts mußten fliehn,
Es trug auch dich ein Nachen
Gen Frankreichs Küste hin;
Ein Kunst- und Wanderleben
Hob an, von Land zu Land:
Gastrollen tätst du geben,
Den Degen in der Hand.
Du spieltest alle Rollen,
Den Höfling selbst, mit Glück,
Doch schöpfen aus dem vollen
Ließ dich das Ritterstück;
Das war dein Fach, das Kühne,
Der Mut bis in den Tod,
Und mancher schlechten Bühne
Halfst du aus arger Not. –
Es gab nur eine Truppe
Damals von gutem Ruf,
Das war die glänzende Gruppe,
Die Friedrich um sich schuf;
Es suchte sein Theater
Talente weit und breit,
Und siehe, gewinnen tat er
Auch dich auf Lebenszeit.
Nur immer Musterdramen
Gab's da, mal hier, mal dort:
Vor lauter Handlung kamen
Die Spieler kaum zu Wort;
Abwechselnd zu Fuß und zu Rosse
Gab's Lust- und Trauerspiel,
Bei Roßbach, jene Posse
Vor allen wohlgefiel.
Da kam, voll Tod und Wetter,
Von Hochkirch jene Nacht,
Du mußtest auf die Bretter,
O Keith, eh' du's gedacht,
Das gab kein sichres Spielen,
Nur Wirrwarr und Geschrei,
Und wenn Stichworte fielen,
War's vollends erst vorbei.
Der Vorhang sollte fallen,
Du aber, rings bedroht,
Riefst: »Bestes Stück von allen
Bleibt ehrenvoller Tod!«
Und so, im Kugelregen,
Tratst du vom Schauplatz ab –
Laß auf dein Grab mich legen
Dies Lied zum Feldherrnstab.
Alte Fritz-Grenadiere
1. Auf dem Marsch
»Alter, was schleppst du dich noch mit?
Humpelst und bist aus Schritt und Tritt:
Warum bliebst du nicht zu Haus?
Mit über sechzig is es aus.«
»Nich aus! Ich kann noch im Feuer stehn –
Und wenn dann die Jungen nach mir sehn
Und sehen, der Alte blinzelt nicht
Und rührt kein Haar sich in seinem Gesicht
Und zielt in Ruh und gibt seinen Schuß,
Da machen sie's auch, wie man's machen muß,
Und halten aus in Donner und Blitz –
Im Feuer nicht blinzeln, das kann ich noch, Fritz.«
2. Bei Torgau
Auch die Grenadiere wollen nicht mehr.
Wie ein Rasender jagt der König daher
Und hebt den Stock und ruft unter Beben:
»Racker, wollt ihr denn ewig leben?
Bedrüger ...«
»Fritze, nichts von Bedrug;
Für fünfzehn Pfennig ist's heute genug.«
3. Rekruten-Korporal
In Würzburg, bei den Bischöflichen,
Sind ihm schon sieben Jahre verstrichen;
Seiner Potsdamer Tage, manch liebes Mal
Denkt der alte Korporal.
Auf dem Platze, hart an der Würzburger Brück',
Exerziert er Rekruten vor und zurück,
Zählt und wettert: »Rechten, linken,
Verfluchter Kerl, Speck und Schinken ...«
Ein blutjunger Leutnant, neunzehn schon,
Ärgert sich über den preußischen Ton
Und fährt dazwischen: »Euer Rekrut
Macht alles richtig, macht alles gut.
Ihr versteht nicht den Dienst ...«
Der Alte grient:
»Ich habe dem König von Preußen gedient.«
4. Erstes Bataillon Garde (1780)
Erstes Bataillon Garde. Parad' oder Schlacht
Ihm wenig »Differenzen« macht.
Ob in Potsdam sie trommelnd auf Wache ziehn,
Ob sie stehen und fallen bei Kolin,
Ob Patronenverknattern, ob Kugelpfiff,
Immer derselbe feste Griff,
Dieselbe Ruh'. Jede Miene drückt aus:
»Ich gehör' zur Familie, bin mit vom Haus.«
Ihrer viere sitzen im Knapphans-Zelt.
Eine Kottbuser hat sich jeder bestellt,
Einen Kornus dazu; das Bier ist frisch.
Ein Berliner setzt sich mit an den Tisch,
Ein Berliner Budiker – da währt's nicht lange,
Plappermühl' ist im besten Gange.
»Wahrhaftig, ihr habt die schönste Montur,
Litzen, Paspel, Silberschnur,
Blechmützen wie Gold, gut Traktement,
Und der König jeden von euch kennt.
Erstes Bataillon Garde, Prachtkerle vor all'n,
Solch Götterleben sollt' mir gefall'n.«
Drei schwiegen. Endlich der vierte spricht:
»Ne, Freund Berliner! so is es nicht.
Eine propre Montur, was soll uns die geben?
Unser Götter- is bloß ein Jammerleben.
Potsdam, o du verfluchtes Loch,
Führst du doch heut' in die Hölle noch
Und nähmst Ihn mit mitsamt seinen Hunden,
Da wär' auch Der gleich mit abgefunden,
Ich mein' den da oben, – uns läg' nichts dran,
Is doch bloß ein Quälgeist und Tyrann,
Schont nicht Fremde, nicht Landeskinder,
Immer derselbe Menschenschinder,
Immer dieselbe verfluchte Ravage –
Potsdam, o du große Blamage!«
Das war dem Berliner nach seinem Sinn,
Er lächelte pfiffig vor sich hin:
»Ich sag' das schon lange. Was hat er denn groß?
Große Fenstern hat er, sonst is nich viel los.
Und reden kann er. Na, das kann jeder,
Hier aber, er zieht nicht gerne von Leder.«
Da lachten all' vier, und der eine spricht:
»Ne, Freund Budiker, so geht es nicht.
Zuhören kannst du, wenn wir mal fluchen,
Aber du darfst es nicht selber versuchen,
Wir dürfen frech sein und schimpfen und schwören,
Weil wir selber mit zugehören,
Wir dürfen reden von Menschenschinder,
Dafür sind wir seine Kinder;
Potsdam, o du verfluchtes Loch,
Aber Er, er ist unser König doch,
Unser großer König.
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