Gott soll mich verderben,

Wollt' ich nicht gleich für Fritzen sterben.«

 

 

Prinz Louis Ferdinand

 

Sechs Fuß hoch aufgeschossen,

Ein Kriegsgott anzuschaun,

Der Liebling der Genossen,

Der Abgott schöner Fraun,

Blauäugig, blond, verwegen

Und in der jungen Hand

Den alten Preußendegen –

Prinz Louis Ferdinand.

 

Die Generalitäten

Kopfschütteln früh und spät,

Sie räuspern sich und treten

Vor Seine Majestät,

Sie sprechen: »Nicht zu dulden

Ist dieser Lebenslauf,

Die Mädchen und die Schulden

Zehren den Prinzen auf.«

 

Der König drauf mit Lachen:

»Dank' schön, ich wußt' es schon;

Es gilt ihn kirr zu machen,

Drum: Festungsgarnison;

Er muß in die Provinzen

Und nicht länger hier verziehn,

Nach Magdeburg mit dem Prinzen –

Und nie Urlaub nach Berlin.«

 

Der Prinz vernimmt die Märe,

Saß eben bei seinem Schatz:

»Nach Magdeburg, auf Ehre,

Das ist ein schlimmer Platz!«

Er meldet sich am Orte,

Und es spricht der General:

»Täglich elf Uhr zum Rapporte

Ein für allemal!«

 

O Prinz, das will nicht munden,

Doch denkt er: ›Sei gescheit,

Volle vierundzwanzig Stunden

Sind eine hübsche Zeit.

Relais, viermal verschnaufen,

Auf dem Sattel Nachtquartier,

Und kann's ein Pferd nicht laufen,

So laufen's ihrer vier.‹

 

Hin fliegt er wie die Schwalben,

Fünf Meilen ist Station,

Vom Braunen auf den Falben,

Das ist die Havel schon,

Vom Rappen auf den Schimmel,

Nun faßt die Sehnsucht ihn,

Drei Meilen noch – hilf Himmel,

Prinz Louis in Berlin.

 

Gegeben und genommen

Wird einer Stunde Glück,

Dann, flugs wie er gekommen,

Im Fluge geht's zurück,

Elf Uhr am andern Tage

Hält er am alten Ort,

Und mit dem Glockenschlage

Da steht er zum Rapport. –

 

Das war nur bloßes Reiten,

Doch wer so reiten kann,

Der ist in rechten Zeiten

Auch wohl der rechte Mann;

Schon über Tal und Hügel

Stürmt ostwärts der Koloß –

Prinz Louis sitzt am Flügel

Im Rudolstädter Schloß.

 

Es blitzt der Saal von Kerzen,

Zwölf Lichter um ihn stehn,

Nacht ist's in seinem Herzen,

Und Nacht nur kann er sehn,

Die Töne schwellen, rauschen,

Es klingt wie Lieb' und Haß,

Die Damen stehn und lauschen,

Und was er spielt, ist das:

 

›Zu spät zu Kampf und Beten,

Der Feinde Rosses-Huf

Wird über Nacht zertreten,

Was ein Jahrhundert schuf,

Ich seh' es fallen, enden,

Und wie alles zusammenbricht –

Ich kann den Tag nicht wenden,

Aber leben will ich ihn nicht!‹

 

Und als das Wort verklungen,

Rollt Donner schon der Schlacht,

Er hat sich aufgeschwungen,

Und sein Herze noch einmal lacht,

Vorauf den andern allen

Er stolz zusammenbrach,

Prinz Louis war gefallen,

Und Preußen fiel – ihm nach.

 

 

Berliner Spottvers

 

(1812)

 

Warte

Bonaparte,

Warte Kujon,

Andre Woche, wir kriegen dich schon.

 

Ja der Russe, ja der Russ'

Hat uns gezeigt, wie man's machen muß:

Im ganzen Kremmel

Nicht eine Semmel,

Und auf den Hacken

Immer nur Hunger und Kosaken,

Ja der Russ'

Hat uns gezeigt, wie man's machen muß.

 

Hin ist der Blitz

Deiner Sonne von Austerlitz,

Unterm Schnee

Liegen all deine Corps d'Armee.

Warte

Bonaparte,

Warte Kujon,

Andre Woche, wir kriegen dich schon.

 

 

Die Fahne Schwerins

 

Im Arsenal, dem alten,

Zu Petersburg am Dock,

Zersplittert und zerspalten

Steht ein alter Fahnenstock;

Er steht in seiner Ecken

An die hundert Jahre nun,

Mit den andern Fahnenstöcken

Hat er nichts zu tun.

 

Der Fahnen jüngste schmunzelt:

»He, Kamerad im Eck,

Warum so viel gerunzelt?

Das bringt uns nicht vom Fleck;

Nicht ewig stumm und einsam

Und nicht so steif-apart,

Gesellig hübsch, gemeinsam,

Und etwas Lebensart.«

 

Der drauf: »An Schaftes Runde

Sieh hier den Silberring,

Er deckt die breite Wunde,

Die ich bei Prag empfing,

Zersplittert hat, zerspalten

Die Kugel mich von Erz,

Schwerin, der mich gehalten,

Dem ging sie durch das Herz.

 

Wen solch ein Held getragen

In solcher Preußenstund',

Dem will es nicht behagen

Auf fremdem, russischem Grund,

Der will unter Trommelchören

In Berlin im Zeughaus stehn

Und den ›Dessauer‹ wieder hören,

Und von Hohenfriedberg den.«

 

Im Arsenal, dem alten,

Zu Petersburg am Dock,

Zersplittert und zerspalten,

Sprach so der Fahnenstock.

Die andern nickten leise,

Der Zugwind wehte sacht,

Immer stiller ward's im Kreise; –

Ein Stern schien durch die Nacht1.

Fußnoten

 

1 Die Fahne befindet sich jetzt wieder im Zeughause zu Berlin.

 

 

An den Märzminister Graf Schwerin-Putzar

 

Dein Ahnherr – mit dem Schwerte,

Du selber – mit dem Wort!

So lebt das Ruhmeswerte

Bis auf den Enkel fort.

Was einst in letzter Stunde

Der greise Feldmarschall sprach,

Aufs neu aus deinem Munde

Erklang es uns: »Mir nach!«

 

Du stehst, in Lieb' und Treue,

Zu Thron und Herrscherhaus,

Und baust doch, für das Neue,

Die alten Pfeiler aus.

Nicht trägst du der Verneinung

Im Kampfe die Fahne vor,

Doch für die freie Meinung

Schwingst du sie hoch empor.

 

Du bist von jenen Alten

Im Geiste noch gezeugt,

Die keinem Stirnefalten

Jemalen sich gebeugt.

Du sprichst noch, wie der Zieten

Sonst wohl bei Hofe sprach,

Was dem die Schranzen rieten,

Er fragte nichts danach.

 

Der Zieten, ja, beim Fürsten

Zu Tafel saß er gern,

Einst aber andres Dürsten

Trieb ihn zum Tisch des Herrn;

Erst als er da genossen

Von Christi heil'gem Mahl,

Ernst noch und abgeschlossen

Trat er in Schloß und Saal.

 

Der König sieht den Degen

Und wie so fromm er schaut;

Da ruft er ihm entgegen:

»He, Zieten, schon verdaut?!«

Der hört es; unter Blitzen

Blickt er den König an,

Daß selbst das Aug' des Fritzen

Nicht Stich ihm halten kann.

 

Dann laut: »Für Euch in Nächten

Geblutet hab' ich gern,

Nun will ich auch mal fechten

Für Christum, meinen Herrn!«

Wohl stutzet da und staunet

Das höfische Geschlecht,

Der König aber raunet:

»Still, Zieten, Er hat recht!«

 

So war's und – ist's geblieben

Durch ein Jahrhundert fort:

Die Hohenzollern lieben

Ein freies Manneswort.

Auch du, für heil'ge Rechte

Ficht weiter, sonder Scheu:

Treulos sind alle Knechte,

Der Freie nur ist treu!

 

 

Schleswigs Ostertag 1848

 

Ich denke deiner, Ostertag:

Ein Nebel über Schleswig lag,

Über Schleswig-Stadt, über Schleswig-Land –

Der Däne hielt uns wieder in Hand,

Er hielt Schloß Gottorp, er hielt die Schlei,

Unser kurzer Traum war wieder vorbei;

Ein Nebel über Schleswig lag,

Achtundvierzig, am Ostertag.

 

Und über die Stadt und über den Strom

Die Glocken riefen in den Dom,

Und ehe das erste Lied erscholl,

Von Betern war die Kirche voll,

Betende Männer, betende Fraun,

In schwarzem Festkleid alle zu schaun,

Dazwischen aber (bittre Not)

Leuchtende Punkte von Dänisch-Rot.

 

Und bis an die Kanzel traten wir hin,

Zwischen Hoffen und Bangen ging unser Sinn,

Von Auferstehung der Geistliche sprach,

Wir hingen seinen Worten nach,

Seinem Wort von dem abgewälzten Stein,

Wir mischten viel Weltliches mit ein,

Wenn's Sünde war, es war nicht gewollt –

Horch, es donnert! Wie dumpf es rollt.

 

Ein Ostergewitter? Es kann nicht sein,

Durch die hohen Fenster fällt Sonnenschein,

Er fällt, wie suchend, gedämpft und mild

Auf das eichengeschnitzte Altarbild,

Auf die zwanzigfeldrige breite Wand

Von Meister Brüggemanns eigener Hand,

Der Felder eines schwimmt wie in Gold –

Horch, zum zweiten, es donnert, es rollt.

 

Es rollt wie näher, die Fenster klirrn,

Aller Blicke hinüber, herüber irrn,

Es fragen die Augen bei Freund und Feind,

Ein Flüstern geht leise: »Was ist gemeint?«

Und ehe noch flüsternd die Antwort geht,

Vom Eingang her ein Zugwind weht,

Weit offen die Tür; was gibt's, was ist?

In das Mittelschiff tritt ein dän'scher Hornist,

Und in die Kirche hinein, vom Portal,

Bläst er Genralmarsch, Signal auf Signal.

 

Ein Rasseln, ein Lärmen. Still wieder das Haus,

Die roten Punkte loschen aus,

Was deutsch in Schleswig wollte sein,

War wieder in Schleswigs Dom allein.

Und wie Hilfe suchend und Trost und Ruh,

Den Stufen des Altars drängten wir zu,

Dicht zu; der Geistliche aber spricht:

»Herr, Du bist unsre Zuversicht!

Da ist kein Jäger, der uns schreckt,

Solange uns Dein Fittich deckt,

Ob tausend fallen an unsrer Seit',

Du bist unser Schirm in jedem Streit,

Du stellst Deinen Engel an unsre Tür,

Uns zu behüten für und für,

Wir rufen Deinen Namen an,

Hilf uns, wie Du so oft getan,

Zersplittre unsrer Feinde Spott,

Du bist unsre Burg, Du bist unser Gott,

Blende die Wächter, wälz' ab den Stein« –

Er schwieg. Wie Trommeln klang es herein,

Lustiger preußischer Trommelschlag,

Heller Mittag über Schleswig lag,

Heller Mittag über Schloß und Schlei, –

Ostern war, und das Land war frei.

 

 

Der Tag von Düppel

 

Still!

Vom achtzehnten April

Ein Lied ich singen will.

Vom achtzehnten – alle Wetter ja,

Das gab mal wieder ein Gloria!

Ein »achtzehnter« war es, voll und ganz,

Wie bei Fehrbellin und Belle-Alliance,

April oder Juni ist all einerlei,

Ein Sieg fällt immer in Monat Mai.

 

Um vier Uhr morgens der Donner begann!

In den Gräben standen sechstausend Mann,

Und über sie hin sechs Stunden lang

Nahmen die Kugeln ihren Gang.

Da war es zehn Uhr. Nun alles still,

Durch die Reihen ging es: »Wie Gott will!«

Und vorgebeugt zu Sturm und Stoß

Brach das preußische Wetter los.

 

Sechs Kolonnen. Ist das ein Tritt!

Der Sturmmarsch flügelt ihren Schritt;

Der Sturmmarsch, – ja tief in den Trancheen

Dreihundert Spielleut' im Schlamme stehn.

Eine Kugel schlägt ein, der Schlamm spritzt um,

Alle dreihundert werden stumm –

»Vorwärts!« donnert der Dirigent,

Kapellmeister Piefke vom Leibregiment.

 

Und »vorwärts« spielt die Musika,

Und »vorwärts« klingt der Preußen Hurra;

Sie fliegen über die Ebene hin,

Wer sich besänne, hätt's nicht Gewinn;

Sie springen, sie klettern, ihr Schritt wird Lauf –

Feldwebel Probst, er ist hinauf!

 

Er steht, der erst' auf dem Schanzenrück,

Eine Kugel bricht ihm den Arm in Stück:

Er nimmt die Fahn' in die linke Hand

Und stößt sie fest in Kies und Sand.

Da trifft's ihn zum zweiten; er wankt, er fällt:

»Leb wohl, o Braut! leb wohl, o Welt!«

 

Rache! – Sie haben sich festgesetzt,

Der Däne wehrt sich bis zuletzt.

Das macht, hier ficht ein junger Leu,

Herr Leutnant Anker von Schanze zwei.

Da donnert's: »Ergib dich, tapfres Blut,

Ich heiße Schneider, und damit gut!« –

Der preußische Schneider, meiner Treu,

Brach den dänischen Anker entzwei.

 

Und weiter, – die Schanze hinein, hinaus

Weht der Sturm mit Saus und Braus,

Die Stürmer von andern Schanzen her

Schließen sich an, immer mehr, immer mehr,

Sie fallen tot, sie fallen wund, –

Ein Häuflein steht am Alsen-Sund.

 

Palisaden starren die Stürmenden an,

Sie stutzen; wer ist der rechte Mann?

Da springt von achten einer vor:

»Ich heiße Klinke, ich öffne das Tor!« –

Und er reißt von der Schulter den Pulversack,

Schwamm drauf, als wär's eine Pfeif' Tabak.

Ein Blitz, ein Krach – der Weg ist frei –

Gott seiner Seele gnädig sei!

Solchen Klinken für und für

Öffnet Gott selber die Himmelstür.

 

Sieg donnert's. Weinend die Sieger stehn.

Da steigt es herauf aus dem Schlamm der Trancheen,

Dreihundert sind es, dreihundert Mann,

Wer anders als Piefke führet sie an?

Sie spielen und blasen, das ist eine Lust,

Mit jubeln die nächsten aus voller Brust,

Und das ganze Heer, es stimmt mit ein,

Und darüber Lerchen und Sonnenschein.

 

Von Schanze eins bis Schanze sechs

Ist alles deine, Wilhelmus Rex;

Von Schanze eins bis Schanze zehn,

König Wilhelm, deine Banner wehn.

Grüß euch, ihr Schanzen am Alsener Sund,

Ihr machtet das Herz uns wieder gesund! –

Und durch die Lande, drauß und daheim,

Fliegt wieder hin ein süßer Reim:

»Die Preußen sind die alten noch,

Du Tag von Düppel lebe hoch!«

 

 

Märkische Reime

 

1. Gruß

Blaue Havel, Grunewald,

Grüß' mir alle beide,

Grüß' und sag', ich käme bald,

Und die Tegler Heide.

 

 

2. Vom Fehrbelliner Schlachtfeld

Blumen, o Freundin, dir mitzubringen

Von diesem Feld, es wollt' nicht gelingen.

 

Hafer nur, soweit ich sah,

Hafer, Hafer nur war da.

 

Märkische Rosse gewannen die Schlacht,

Haben das Feld berühmt gemacht.

 

Und das Feld, es zahlt mit Glück

Alte Schulden in Hafer zurück.

 

 

3. Adlig Begräbnis

Ein Zugwind ging durch die Stuben,

Auf standen Hall' und Tor,

Als die Mittelmärk'schen begruben

Ihren alten Otto von Rohr.

 

Sechs Rohrsche Vettern ihn tragen,

Sechs andre nebenher,

Dann folgen drei von der Hagen

Und drei von Häseler.

 

Ein Ribbeck, ein Stechow, ein Zieten,

Ein Rathenow, ein Quast,

Vorüber an Scheunen und Mieten

Auf den Schultern schwankt die Last.

 

Um den Kirchhof her ein Blitzen

Von Herbstessonnenschein,

Die roten Berberitzen

Hängen über Mauer und Stein.

 

Eine dreizehner Landwehrfahne

Der alte von Bredow trug,

Und Hans Rochow von Rekahne

Schloß ab den Trauerzug.

4. Siegesbotschaft

 

(Am Abend des 18. April 1864)

 

Tanz

Ist heut' im Kruge zu Vehlefanz.

Oben, auf rotgestrichner Empore,

Sitzt die Musik in vollem Chore:

Klarinette, Geigen, Contrebaß,

Und vor jedem ein Pult und ein Weißbierglas.

Und unten drehn sich, in Schott'schem und Walzer,

Die Paare, dazwischen ein Juchzer, ein Schnalzer,

Und Zug und Hitze und blakende Lichter,

Am Fenster neugierige Kindergesichter,

Ein Rempeln und Rennen, ein Stoßen und Stemmen,

Und mit eins: »Da kommt ja der Neumann aus Cremmen.

Der Laatsche-Neumann. Was will denn der?

Laatsche-Neumann, hierher, hierher,

Er bringt was, stillgestanden, stramm,

Ich wett', er bringt ein Telegramm.«

Und Neumann, plötzlich steht er oben,

Sie haben ihn auf den Tisch gehoben.

 

»Lesen ...«

»Muß erst zu Puste kommen ...«

»Lesen ...«

»Düppel ist genommen;

Wir Schanze fünf, Garde Schanze sieben,

Feldwebel Probst beim Sturme geblieben.

Verluste wenig. Danske viel ...«

 

Alles sich in die Arme fiel,

Und zu wissen, wie's eigentlich gewesen,

Muß Neumann es immer wieder lesen.

 

Dem aber will es nicht mehr zu Sinn.

»Vehlefanzer, wo denkt ihr hin,

Habe noch andre gute Bekannte ...«

 

»Welche denn, welche?«

»Muß noch nach Schwante.«

 

»Schwante, die lumpigen tausend Schritt,

Hurra, Neumann, da kommen wir mit.«

 

Und hinein in die laue Frühlingsnacht

Ganz Vehlefanz hat sich aufgemacht.

Neumann laatscht nach.

 

Schwante lag schon in Schlaf,

Als aber die Siegesbotschaft es traf,

Ward's wach.

 

Der Mond am Himmel stand,

Und in Jubel stand das Havelland.

 

 

Am Jahrestag von Düppel

 

(18. April 1865)

 

Des Frühlings erste Spitzen

Umsäumen Baum und Strauch,

Im Blau die Wolken blitzen,

Die Ströme blitzen auch;

Ein Keimen allenthalben,

In jedem Mauerriß,

Und kommen nicht heute die Schwalben,

So kommen sie morgen gewiß.

 

Und Frühling kam und Friede

Auch über den Schleswig-Strand,

Wo donnernd die Feuerschmiede

Am Düppeltage stand;

Und wo bei Blitz und Wolke

Erzitterte der Grund,

Ziehn Möwen in flatterndem Volke

Hin über den Alsen-Sund.

 

Ein Friede über den Wellen

Und Friede in Feld und Flur;

Unter all den stillen Stellen

Ist eine stillere nur:

Bei Sturmmarsch-Trommeln und -Blasen

Mußten sie schlafen ein,

Nun grünt der erste Rasen

Über ihren Stein.

 

Ruht sanft; in eurem Grabe

Sei euch die Erde leicht!

Des Lebens beste Habe

Hat euch der Tod gereicht:

Um Sieg und Himmel werben,

So war es euch beschert;

Ihr mußtet frühe sterben,

Doch war es Sterbens wert.

 

 

Berliner Landwehr bei Langensalza

 

(27. Juni 1866)

 

Berliner Landwehr, Gewehr in Hand,

Steht bei Langensalza im Sonnenbrand,

Ein Staub, eine Hitze, es perlt der Schweiß,

Berliner Landwehr, wird dir's zu heiß?

»Is nich!«

 

Die Hannoveraner sprengen heran,

Zweitausend gegen achthundert Mann,

Zweitausend Reiter sprengen her:

Ergib dich, Landwehr, streck das Gewehr!

»Is nich!«

 

Zweitausend Reiter haben gesiegt,

Was hilft's, Hannover unterliegt.

»Trink mit, Kamerad, aus meinem Glas!«

»Wir dachten, ihr trügt uns einen Haß!«

»Is nich!«

 

 

Die Gardemusik bei Chlum

 

(3. Juli 1866)

 

»Was fechten kann, rückt vor auf Chlum,

Unsre Garde dürstet nach neuem Ruhm,

Sie zieht voran und stürmt und ficht –

Wir schleichen nach, 's gefällt mir nicht,

Musik ist nie so recht dabei,

Wenig Wolle und viel Geschrei.«

 

Kapellmeister spricht's. Da blitzt es drunt'

Aus staubiger Wolke, golden und bunt.

»Ung'rische Husaren, wenn recht ich seh';

Ihr Chok gilt uns. Kameraden: Karree!«

 

Karree. Da springen, ohn' Unterschied,

All die großen Bläser ins erste Glied,

Janitschar und Pauke schließen sich an,

Obo, Klarinette, Mann für Mann,

Fagott und Tuba – mehr, immer mehr,

Und nun Kommando: »Fällt das Gewehr!«

Und die Baßposaune, voll kriegrischem Zorn,

Streckt ihre Züge weithin nach vorn.

 

Zu rechter Zeit. Denn schon sind sie da.

»Ergib dich, preußische Musika!«

Kapellmeister aber winkt ab und spricht:

»Die Gardemusik ergibt sich nicht.«

Und keiner wankt und keiner weicht,

Posaun' und Tuba, die zwingt man nicht leicht,

Auch die Pauke hält sich wie ein Turm,

Und siehe, vorüber braust der Sturm.

 

Da hebt sich unsres Kapellmeisters Brust:

»Wer ist gefalln? Wie steht der Verlust?«

»Gefallen keiner; leicht zerhaun

Sind Pauke, Tuba und Posaun',

Gestreift, geschrammt bloß, sonst intakt,

Und nur das Fagott ist wie zerhackt!«

 

»Drei leicht, einer schwer, der Rest gesund –

Das laßt uns preisen zu dieser Stund',

Und fehlt uns auch unser brav Fagott,

Wir blasen doch: ›Danket alle Gott‹

Und blasen es durch und blasen es ganz,

Und zum Schlusse: ›Heil dir im Siegerkranz.‹«

 

 

Einzug

 

(7. Dezember 1864)

 

Wer kommt? wer? –

Fünf Regimenter von Düppel her.

Fünf Regimenter vom dritten Korps

Rücken durchs Brandenburger Tor;

Prinz Friedrich Karl, Wrangel, Manstein,

General Roeder, General Canstein,

Fünf Regimenter, vom Sundewitt

Rücken sie an in Schritt und Tritt.

 

Wer kommt? wer? –

Zuerst die Achter. A la bonne heure!

Die Achter; Hut ab, Sapperment,

Vor dem Yorkschen Leibregiment;

Schanze neun und Schanze drei

Waren keine Spielerei.

Hut ab und Hurra ohne End',

Allemal hoch das Leibregiment!

 

Wer kommt? wer? –

Hurra, die Vierundzwanziger.

Guten Tag, guten Tag und gehorsamster Diener!

Ei, das sind ja meine Ruppiner;

Flinke Kerle, ohne Flattusen,

Grüß' Gott dich, Görschen und Brockhusen!

Möchte manchen von euch umhalsen,

Düppel war gut, besser war Alsen –

's war keine Kunst, euch half ja die Fee,

Die Wasserfee vom Ruppiner See.

 

Wer kommt? wer? –

Hurra, die Vierundsechziger.

Hurra, die sind wieder breiter und stärker,

Das macht, es sind richtige Uckermärker,

Die sind schon mehr für Kolbe und Knüppel,

Conferatur Wester- und Oster-Düppel,

Verstehen sich übrigens auch auf Gewehre,

Siehe Fohlenkoppel und Arnkiel-Öre –

Fünfzig dänische Feuerschlünde

Können nichts gegen Prenzlau und Angermünde.

 

Wer kommt? wer? –

Füsiliere, Funfunddreißiger.

Hurra, das wirbelt und schreitet geschwinder,

Hurra, das sind Berliner Kinder!

Jeder, als ob er ein Gärtner wäre,

Trägt drei Sträußer auf seinem Gewehre.

Gärtner freilich, gegraben, geschanzt,

Dann sich selber eingepflanzt,

Eingepflanzt auf Schanze zwei –

Die flinken Berliner sind vorbei.

 

Wer kommt? wer? –

Hurra, unsre Sechziger.

Oberst von Hartmann, fest im Sitze,

Grüßt mit seiner Säbelspitze.

Hut ab und heraus die Tücher!

Das sind unsere Oderbrücher.

Keine Knattrer und bloße Verschluser,

Lauter Barnimer und Lebuser;

Fest ihr Tritt, frank und frei –

Major von Jena ist nicht mehr dabei.

 

Wer kommt? wer? –

Artillerie und Ingenieur';

Elfte Ulanen, Zieten-Husaren,

Paukenwirbel und Fanfaren.

Halt! – Der ganze Waffenblitz

Präsentiert vor König Fritz.

Alles still, kein Pferdegeschnauf,

Zehntausend blicken zu ihm auf;

Der neigt sich leise und lüpft den Hut:

»Konzediere, es war gut.«

 

 

Einzug

 

(20. September 1866)

 

Viktoria hat heute Dienst am Tor:

›Landwehr, zeig deine Karte vor,

Paßkart' oder Steuerschein,

Eins von beiden muß es sein.«

 

»Alles in Ordnung. Jedenfalls

Zahlten wir Steuer bei Langensalz,

Wir zahlten die Steuer mit Blut und Schweiß« –

 

»Landwehr passier', ich weiß, ich weiß.«

 

Viktoria hat heute Dienst am Tor:

»Linie, zeig deine Karte vor,

Paßkart' oder Steuerschein;

Ein Paß, das wird das beste sein.«

 

»Wir haben Pässe die Hände voll,

Zuerst den Brückenpaß bei Podòll,

Dann Felsenpässe aus West und Ost:

Nachod, Skalitz und Podkòst,

Und wenn die Felsenpässe nicht ziehn,

So nimm noch den Doppelpaß von Gitschin,

Sind allesamt geschrieben mit Blut« –

 

»Linie passier', is gut, is gut.«

 

Viktoria hat heute Dienst am Tor:

›Garde, zeig deine Karte vor,

Preußische Garde, willkommen am Ort,

Aber erst das Losungswort.«

 

»Wir bringen gute Losung heim

Und als Parole 'nen neuen Reim,

Einen neuen preußischen Reim auf Ruhm.«

 

»Nenn' ihn, Garde!«

»Die Höhe von Chlum.«

 

»Ein guter Reim, ich salutier',

Preußische Garde passier', passier'.«

 

Glocken läuten, Fahnen wehn,

Die Sieger drinnen am Tore stehn,

Eine Siegesgasse ist aufgemacht:

Östreich'sche Kanonen zweihundertundacht,

Und durch die Gasse die Sieger ziehn. –

Das war der Einzug in Berlin.

 

 

Einzug

 

(16. Juni 1871)

 

Und siehe da, zum dritten Mal

Ziehen sie ein durch das große Portal;

Der Kaiser vorauf, die Sonne scheint,

Alles lacht und alles weint,

 

Erst die Garde. Brigaden vier,

Garde und Garde-Grenadier':

Elisabether, Alexandriner,

Franziskaner, Augustiner,

Sie nahmen, noch nicht zufrieden mit Chlum,

Bei Privat ein Privatissimum.