Daher ließen sie nicht ab, ihn, so oft sich die Rede davon gab, zu necken und zu plagen, daß er ihnen etwas davon entdecken sollte. Besonders drückte dieser Vorwitz die Abderitinnen. Sie wollten von ihm wissen – an was für äußerlichen Merkmalen ein getreuer Liebhaber zu erkennen sei? ob Milon von Krotona30 eine sehr große Nase gehabt habe, ob eine blasse Farbe ein notwendiges Zeichen eines Verliebten sei? – und hundert Fragen dieser Art, mit denen sie seine Geduld so sehr ermüdeten, daß er endlich, um ihrer los zu werden, auf den Einfall kam, sie ein wenig zu erschrecken.

Aber das haben Sie sich wohl nicht vorgestellt, sagte Demokritus, daß die Jungferschaft ein unbetrügliches Merkzeichen in den Augen haben könnte?

»In den Augen? riefen die Abderitinnen. O! das ist nicht möglich! Warum just in den Augen?«

Es ist nicht anders, versetzte Demokritus; und was Sie mir gewiß glauben können, ist, daß mir dieses Merkmal schon öfters von den Geheimnissen junger und alter Schönen mehr entdeckt hat, als diese Lust gehabt haben würden, mir von freien Stücken anzuvertrauen31.

Der zuversichtliche Ton, womit er dies sagte, verursachte einige Entfärbungen; wiewohl die Abderitinnen (die in allen Fällen, wo es auf die gemeine Sicherheit ihres Geschlechtes ankam, einander getreulich beizustehen pflegten,) mit großer Hitze darauf bestunden, daß sein vorgebliches Geheimnis eine Schimäre sei.

Sie nötigen mich durch Ihren Unglauben, daß ich Ihnen noch mehr sagen muß, fuhr der Philosoph fort. Die Natur ist voll solcher Geheimnisse, meine schönen Damen; und wofür sollt' ich auch, wenn es sich der Mühe nicht verlohnte, bis nach Aethiopien und Indien gewandert sein? Die Gymnosophisten, deren Weiber – wie Sie wissen – nackend gehen, haben mir sehr artige Sachen entdeckt.

»Zum Exempel?« – sagten die Abderitinnen.

Unter andern ein Geheimnis, welches ich, wenn ich ein Ehmann wäre, lieber nicht zu wissen wünschen würde.

»Ach, nun haben wir die Ursache, warum sich Demokritus nicht verheiraten will«, rief die schöne Thryallis.

»Als ob wir nicht schon lange wüßten, sagte Salabanda, daß es seine äthiopische Venus ist, die ihn für unsre griechische so unempfindlich macht. – Aber Ihr Geheimnis, Demokritus, wenn man es keuschen Ohren anvertrauen darf.«

Zum Beweise, daß man es darf, will ich es den Ohren aller gegenwärtigen Schönen anvertrauen, antwortete der Naturforscher. Ich weiß ein unfehlbares Mittel, wie man machen kann, daß ein Frauenzimmer, im Schlafe, mit vernehmlicher Stimme alles sagt, was sie auf dem Herzen hat.

»O gehen Sie, riefen die Abderitinnen, Sie wollen uns bange machen; aber – wir lassen uns nicht so leicht erschrecken.«

Wer wird auch an Erschrecken denken, sagte Demokritus, wenn von einem Mittel die Rede ist, wodurch einer jeden ehrlichen Frau Gelegenheit gegeben wird, zu zeigen, daß sie keine Geheimnisse hat, die ihr Mann nicht wissen dürfte?

»Würket Ihr Mittel auch bei Unverheirateten?« fragte eine Abderitin, die weder jung noch reizend genug zu sein schien, um eine solche Frage zu tun.

Es würkt vom zehnten Jahre an bis zum achtzigsten, erwiderte Demokritus, ohne Beziehung auf irgendeinen andern Umstand, worin sich ein Frauenzimmer befinden kann.

Die Sache fing an ernsthaft zu werden. – »Aber Sie scherzen nur, Demokritus,« sprach die Gemahlin eines Thesmotheten, nicht ohne eine geheime Furcht des Gegenteils versichert zu werden.

Wollen Sie die Probe machen, Lysistrata?

»Die Probe? – Warum nicht? – Voraus bedungen, daß nichts Magisches dazu gebraucht wird. Denn mit Hülfe Ihrer Talismane und Geister könnten Sie eine arme Frau sagen machen, was Sie wollten.«

Es haben weder Geister noch Talismane damit zu tun. Alles geht natürlich zu. Das Mittel, das ich gebrauche, ist die simpelste Sache von der Welt.

Die Damen fingen an, bei allen Grimassen von Herzhaftigkeit, wozu sie sich zu zwingen suchten, eine Unruhe zu verraten, die den Philosophen sehr belustigte. »Wenn man nicht wüßte, daß Sie ein Spötter sind, der die ganze Welt zum Besten hat – Aber darf man fragen, worin Ihr Mittel besteht?«

Wie ich Ihnen sagte, die natürlichste Sache von der Welt. Ein ganz kleines unschädliches Ding, einem schlafenden Frauenzimmer aufs Herzgrübchen gelegt, das ist das ganze Geheimnis; aber es tut Wunder, dies können Sie mir glauben. Es macht reden, so lange noch im innersten Winkel des Herzens was zu entdecken ist.

Unter sieben Frauenzimmern, die sich in der Gesellschaft befanden, war nur eine, deren Miene und Gebärde unverändert die nämliche blieb wie vorher. Man wird denken, sie sei alt, oder häßlich, oder gar tugendhaft gewesen; aber nichts von allem diesem! Sie war – taub.

»Wenn Sie wollen, daß wir Ihnen glauben sollen, Demokritus, so nennen Sie Ihr Mittel.«

Ich will es dem Gemahl der schönen Thryallis ins Ohr sagen, sprach der boshafte Naturkündiger.

Der Gemahl der schönen Thryallis war, ohne blind zu sein, so glücklich, als Hagedorn einen Blinden schätzt, dessen Gemahlin schön ist. Er hatte immer gute Gesellschaft, oder wenigstens was man zu Abdera so nannte, in seinem Hause. Der gute Mann glaubte, man finde so viel Vergnügen an seinem Umgang, und an den Versen, die er seinen Besuchen vorzulesen pflegte. In der Tat hatte er das Talent, die schlechten Verse, die er machte, nicht übel zu lesen; und weil er mit vieler Begeisterung las: so ward er nicht gewahr, daß seine Zuhörer, anstatt auf seine Verse Acht zu geben, mit der schönen Thryallis liebäugelten.

Kurz, der Ratsherr Smilax war ein Mann, der eine viel zu gute Meinung von sich selbst hatte, um von der Tugend seiner Gemahlin eine schlimme zu hegen.

Er bedachte sich also keinen Augenblick, dem Geheimnis des Demokritus sein Ohr darzubieten.

Es ist weiter nichts, flüsterte ihm der Philosoph ins Ohr, als die Zunge eines lebendigen Frosches, die man einer schlafenden Dame auf die linke Brust legen muß. Aber Sie müssen sich beim Ausreißen wohl in Acht nehmen, daß nichts von den daranhängenden Teilen mit geht, und der Frosch muß wieder ins Wasser gesetzt werden.

»Das Mittel mag nicht übel sein, sagte Smilax leise; nur Schade daß es ein wenig bedenklich ist! Was würde der Priester Strobylus dazu sagen?«

Sorgen Sie nicht dafür, versetzte Demokritus: ein Frosch ist doch keine Diana, der Priester Strobylus mag sagen was er will. Und zudem geht es dem Frosche ja nicht ans Leben.

»Ich darf es also weiter geben?« fragte Smilax.

Von Herzen gerne! alle Mannspersonen in der Gesellschaft dürfen es wissen; und ein jeder mag es ungescheut allen seinen Bekannten entdecken; nur mit der Bedingung, daß es keiner weder seiner Frau noch seiner Geliebten wieder sage.

Die guten Abderitinnen wußten nicht was sie von der Sache glauben sollten. Unmöglich schien sie ihnen nicht; und was sollte auch Abderiten unmöglich scheinen? – Ihre gegenwärtigen Männer oder Liebhaber waren nicht viel ruhiger; jeder setzte sich heimlich vor, das Mittel ohne Aufschub zu probieren, und jeder (den glücklichen Smilax ausgenommen) besorgte, gelehrter dadurch zu werden als er wünschte.

»Nicht wahr, Männchen – sagte Thryallis zu ihrem Gemahl, indem sie ihn freundlich auf die Backen klopfte, du kennst mich zu gut, um einer solchen Probe nötig zu haben?«

»Der meinige sollte sich so etwas einfallen lassen, sagte Lagiska. Eine Probe setzt Zweifel voraus, und ein Mann, der an der Tugend seiner Frau zweifelt –«

– Ist ein Mann, der Gefahr läuft, seine Zweifel in Gewißheit verwandelt zu sehen, setzte Demokritus hinzu, da er sah, daß sie einhielt. Das wollten Sie doch sagen, schöne Lagiska?

»Sie sind ein Weiberfeind, Demokritus, riefen die Abderitinnen allzumal; aber vergessen Sie nicht, daß wir in Thracien sind, und hüten Sie sich vor dem Schicksal des Orpheus!«

Wiewohl dies im Scherz gesagt wurde, so war doch Ernst dabei. Natürlicher Weise läßt man sich nicht gerne ohne Not schlaflose Nächte machen; eine Absicht, von welcher wir den Philosophen um so weniger frei sprechen können, da er die Folgen seines Einfalles notwendig voraussehen mußte. Wirklich gab diese Sache den sieben Damen so viel zu denken, daß sie die ganze Nacht kein Auge zutaten; und da das vorgebliche Geheimnis des Demokritus den folgenden Tag in ganz Abdera herumlief, so verursachte er dadurch etliche Nächte hinter einander eine allgemeine Schlaflosigkeit.

Indessen brachten die Weiber bei Tage wieder ein, was ihnen bei Nacht abging; und weil verschiedene sich nicht einfallen ließen, daß man ihnen das Arcanum, wenn sie unter Tages schliefen, eben so gut applicieren könne als bei Nacht, und daher ihr Schlafzimmer zu verriegeln vergaßen: so bekamen die Männer unverhofft Gelegenheit, von ihren Froschzungen Gebrauch zu machen. Lysistrata, Thryallis, und einige andere, die am meisten dabei zu wagen hatten, waren die ersten, an denen die Probe, mit demjenigen Erfolg, den man leicht voraussehen kann, gemacht wurde. Aber eben dies stellte in kurzem die Ruhe in Abdera wieder her. Die Männer dieser Damen, nachdem sie das Mittel zwei oder dreimal ohne Erfolg gebraucht hatten, kamen in vollem Sprunge zu unserm Philosophen gelaufen, um sich zu erkundigen, was dies zu bedeuten hätte. So? rief er ihnen entgegen; hat die Froschzunge ihre Wirkung getan? Haben Ihre Weiber gebeichtet? – Kein Wort, keine Sylbe, sagten die Abderiten. Desto besser, rief Demokritus; triumphieren Sie darüber! Wenn eine schlafende Frau mit einer Froschzunge auf dem Herzen nichts sagt, so ist es ein Zeichen, daß sie – nichts zu sagen hat.