Ich wünsche Ihnen Glück, meine Herren! Jeder von Ihnen kann sich rühmen, daß er den Phönix der Weiber in seinem Hause besitze.
Wer war glücklicher als unsre Abderiten! Sie liefen so schnell, als sie gekommen waren, wieder zurück, fielen ihren erstaunten Weibern um den Hals, erstickten sie mit Küssen und Umarmungen, und bekannten nun freiwillig, was sie getan hatten, um sich von der Tugend ihrer Hälften (wiewohl wir davon schon gewiß waren, sagten sie) noch gewisser zu machen.
Die guten Weiber wußten nicht, ob sie ihren Sinnen glauben sollten. Aber, wiewohl sie Abderitinnen waren, hatten sie doch Verstand genug, sich auf der Stelle zu fassen, und ihren Männern ein so unzärtliches Mißtrauen, als dasjenige war, dessen sie sich selbst anklagten, nachdrücklich zu verweisen. Einige trieben die Sache bis zu Tränen; aber alle hatten Mühe, die Freude zu verbergen, die ihnen eine so unverhoffte Bestätigung ihrer Tugend verursachte; und wiewohl sie, der Anständigkeit wegen, auf den Demokritus schmälen mußten, so war doch keine, die ihn nicht dafür hätte umarmen mögen, daß er ihnen einen so guten Dienst geleistet hatte. Freilich war dies nicht, was er gewollt hatte. Aber die Folgen dieses einzigen unschuldigen Scherzes mochten ihn lehren, daß man mit Abderiten nicht behutsam genug scherzen kann!
Indessen (wie alle Dinge dieser Welt mehr als eine Seite haben) so fand sich auch, daß aus dem Übel, welches unser Philosoph den Abderiten wider seine Absicht zugefügt hatte, gleichwohl mehr Gutes entsprang, als man vermutlich hätte erwarten können, wenn die Froschzungen gewirkt hätten. Die Männer machten die Weiber durch ihre unbegrenzte Sicherheit, und die Weiber die Männer durch ihre Gefälligkeit und gute Laune glücklich. Nirgends in der Welt sah man zufriednere Ehen als in Abdera. Und bei allem dem waren die Stirnen der Abderiten so glatt, und – die Ohren und Zungen der Abderitinnen so keusch, als die von andern Leuten.
Dreizehntes Kapitel
Demokritus soll die Abderitinnen die Sprache der Vögel lehren
Im Vorbeigehen eine Probe, wie sie ihre Töchter bildeten
Ein andermal geschah es, daß sich Demokritus an einem schönen Frühlingsabend mit einer Gesellschaft in einem von den Lustgärten befand, womit die Abderiten die Gegend um ihre Stadt verschönert hatten.
»Wirklich verschönert?« – Dies nun eben nicht: denn woher hätten die Abderiten nehmen sollen, daß die Natur schöner ist als die Kunst, und daß zwischen künsteln und verschönern ein Unterschied ist? – Doch davon soll nun die Rede nicht sein.
Die Gesellschaft lag auf weichen mit Blumen bestreuten Rasen, unter einer hohen Laube, im Kreise herum. In den Zweigen eines benachbarten Baums sang eine Nachtigall. Eine junge Abderitin von vierzehn Jahren schien etwas dabei zu empfinden, wovon die übrigen nichts empfanden. Demokritus ward es gewahr. Das Mädchen hatte eine sanfte Gesichtsbildung und Seele in den Augen. Schade für dich, daß du eine Abderitin bist! dacht' er. Was sollte dir in Abdera eine empfindsame Seele? Sie würde dich nur unglücklich machen. Doch es hat keine Gefahr! Was die Erziehung deiner Mutter und Großmutter an dir unverdorben gelassen hat, werden die Söhnchen unsrer Archonten und Prytanen, und, was diese verschonen, wird das Beispiel deiner Freundinnen zu Grunde richten. In weniger als vier Jahren wirst du ein Abderitin sein wie die andern; und wenn du erst erfährst, daß eine Froschzunge auf dem Herzgrübchen nichts zu bedeuten hat –
Was denken Sie, schöne Nannion? sagte Demokritus zu dem Mädchen.
»Ich denke, daß ich mich dort unter die Bäume setzen möchte, um dieser Nachtigall recht ungestört zuhören zu können.«
Das alberne Ding! sagte die Mutter des Mädchens. Hast du noch keine Nachtigall gehört?
»Nannion hat Recht, sagte die schöne Thryallis; ich selbst höre für mein Leben gern den Nachtigallen zu. Sie singen mit einem solchen Feuer, und es ist etwas so wollüstiges in ihren Modulationen, daß ich schon oft gewünscht habe, zu verstehen, was sie damit sagen wollen. Ich bin gewiß, man würde die schönsten Dinge von der Welt hören. Aber Sie, Demokritus, der alles weiß, sollten Sie nicht auch die Sprache der Nachtigallen verstehen?«
Warum nicht, antwortete der Philosoph mit seinem gewöhnlichen Phlegma; und die Sprache aller übrigen Vögel dazu!
»Im Ernste?«
Sie wissen ja, daß ich immer im Ernste rede.
»O das ist allerliebst! Geschwinde, übersetzen Sie uns was aus der Sprache der Nachtigallen! Wie hieß das, was diese dort sang, als Nannion so davon gerührt wurde?«
Das läßt sich nicht so leicht ins Griechische übersetzen als Sie denken, schöne Thryallis. Es gibt keine Redensarten in unsrer Sprache, die dazu zärtlich und feurig genug wären.
»Aber wie können Sie denn die Sprache der Vögel verstehen, wenn Sie nicht auf Griechisch wiedersagen können, was Sie gehört haben?«
Die Vögel können auch kein Griechisch, und verstehen einander doch?
»Aber Sie sind kein Vogel, wiewohl Sie ein loser Mann sind, der uns immer zum Besten hat.«
Daß man in Abdera doch so gerne Arges von seinem Nächsten denkt! Indessen verdient Ihre Antwort, daß ich mich näher erkläre. Die Vögel verstehen einander durch eine gewisse Sympathie, welche ordentlicher Weise nur unter gleichartigen Geschöpfen statt hat. Jeder Ton einer singenden Nachtigall ist der lebende Ausdruck einer Empfindung, und erregt in der zuhörenden unmittelbar den Unisono dieser Empfindung. Sie verstehet also, vermittelst ihres eignen innern Gefühls, was ihr jene sagen wollte; und gerade auf die nämliche Weise versteh ich sie auch.
»Aber wie machen Sie denn das?« – fragten etliche Abderitinnen.
Die Frage war, nachdem Demokritus sich bereits so deutlich erklärt hatte, gar zu abderitisch, als daß er sie ihnen so ungenossen hätte hingehen lassen können. Er besann sich einen Augenblick.
»Ich verstehe den Demokritus«, sagte die kleine Nannion leise.
»Du verstehst ihn, du naseweises Ding ? – schnarrte sie die Mutter an. – Nun laß hören, Puppe, was verstehst du denn davon?«
»Ich kann es nicht zu Worte bringen; aber ich empfind' es, deucht mich«, erwiderte Nannion.
»Sie ist, wie Sie hören, noch ein Kind, sagte die Mutter; wiewohl sie so schnell aufgeschossen ist, daß viele Leute sie für meine jüngere Schwester angesehen haben. Aber halten wir uns nicht mit dem Geplapper eines läppischen Mädchens auf, das noch nicht weiß was es sagt!«
Nannion hat Empfindung, sagte Demokritus. Sie findet den Schlüssel zur allgemeinen Sprache der Natur in ihrem Herzen, und vielleicht versteht sie mehr davon als –
»O mein Herr, ich bitte Sie, machen Sie mir die kleine Närrin nicht noch einbildischer; sie ist ohnedies naseweis und schnippisch genug –«
Bravo, dachte Demokritus; nur so fortgefahren! Auf diesem Wege möchte noch Hoffnung für den Kopf und das Herz der kleinen Nannion sein.
»Bleiben wir bei der Sache! (fuhr die Abderitin fort, die, ohne jemals recht gewußt zu haben, wie und warum, die unerkannte Ehre hatte, Nannions Mutter zu sein.) Sie wollten uns ja erklären, wie es zuginge, daß Sie die Sprache der Vögel verstehen?«
Wir sind den Abderitinnen die Gerechtigkeit schuldig, nicht zu bergen, daß sie alles, was Demokritus von seiner Kenntnis der Vögelsprache gesagt hatte, für bloße Prahlerei hielten. Aber dies hinderte nicht, daß die Fortsetzung dieses Gesprächs nicht etwas sehr unterhaltendes für sie gehabt hätte: denn sie hörten von nichts lieber reden, als von Dingen, die sie nicht glaubten und doch glaubten; als da ist, von Sphinxen, Meermännern, Sibyllen, Kobolten, Popanzen, Gespenstern, und allem, was in diese Rubrik gehört; und die Sprache der Vögel gehörte auch dahin, dachten sie.
Es ist ein Geheimnis, sagte Demokritus, das ich von dem Oberpriester zu Memphis lernte, da ich mich in den ägyptischen Mysterien initieren ließ. Er war ein langer hagerer Mann, hatte einen sehr langen Namen, und einen noch längern eisgrauen Bart, der ihm bis an den Gürtel reichte.
1 comment