Ich erinnre mich, daß jemand sagte, es sei kein Salz und Pfeffer in den Zeilen, um den Sinn zu würzen, und kein Sinn in dem Ausdrucke, der an dem Verfasser Ziererei verraten könnte, sondern er nannte es eine schlichte Manier, so gesund als angenehm, und ungleich mehr schön als geschmückt. Eine Rede darin liebte ich vorzüglich: es war des Äneas Erzählung an Dido; besonders da herum, wo er von der Ermordung Priams spricht. Wenn Ihr sie im Gedächtnisse habt, so fangt bei dieser Zeile an: – Laßt sehn, laßt sehn –
»Der rauhe Pyrrhus, gleich Hyrkaniens Leu'n« –
nein, ich irre mich; aber es fängt mit »Pyrrhus« an.
»Der rauhe Pyrrhus, er, des düstre Waffen,
Schwarz wie sein Vorsatz, glichen jener Nacht,
Wo er sich barg im unglückschwangern Roß,
Hat jetzt die furchtbare Gestalt beschmiert
Mit grauserer Heraldik: rote Farbe
Ist er von Haupt zu Fuß; scheußlich geschmückt
Mit Blut der Väter, Mütter, Töchter, Söhne,
Gedörrt und klebend durch der Straßen Glut,
Die grausames, verfluchtes Licht verleihn
Zu ihres Herrn Mord. Heiß von Zorn und Feuer,
Bestrichen mit verdicktem Blut, mit Augen,
Karfunkeln gleichend, sucht der höllische Pyrrhus
Altvater Priamus« –
Fahrt nun so fort!
POLONIUS.
Bei Gott, mein Prinz, wohl vorgetragen: mit gutem
Ton und gutem Anstande.
ERSTER SCHAUSPIELER.
»Er find't alsbald ihn,
Wie er den Feind verfehlt: sein altes Schwert
Gehorcht nicht seinem Arm; liegt, wo es fällt,
Unachtsam des Befehls. Ungleich gepaart
Stürzt Pyrrhus auf den Priam, holt weit aus:
Doch bloß vom Sausen seines grimmen Schwertes
Fällt der entnervte Vater. Ilium
Schien, leblos, dennoch diesen Streich zu fühlen;
Es bückt sein Flammengipfel sich hinab,
Bis auf den Grund, und nimmt mit furchtbar'm Krachen
Gefangen Pyrrhus' Ohr: denn seht, sein Schwert,
Das schon sich senkt auf des ehrwürd'gen Priam
Milchweißes Haupt, schien in der Luft gehemmt.
So stand er, ein gemalter Wüt'rich, da,
Und, wie parteilos zwischen Kraft und Willen,
Tat nichts.
Doch wie wir oftmals sehn, vor einem Sturm,
Ein Schweigen in den Himmeln, still die Wolken,
Die Winde sprachlos, und der Erdball drunten
Dumpf wie der Tod – mit eins zerreißt die Luft
Der grause Donner: so, nach Pyrrhus' Säumnis,
Treibt ihn erweckte Rach' aufs neu' zum Werk;
Und niemals trafen der Zyklopen Hammer
Die Rüstung Mars', gestählt für ew'ge Dauer,
Fühlloser als des Pyrrhus blut'ges Schwert
Jetzt fällt auf Priamus. –
Pfui, Metze du, Fortuna! All ihr Götter
Im großen Rat, nehmt ihre Macht hinweg;
Brecht alle Speichen, Felgen ihres Rades,
Die runde Nabe rollt vom Himmelsberg
Hinunter bis zur Hölle!«
POLONIUS. Das ist zu lang.
HAMLET. Er soll mit Eurem Barte zum Balbier. – Ich bitte dich, weiter! Er mag gern eine Posse oder eine Zotengeschichte, sonst schläft er. Sprich weiter, komm auf Hekuba!
ERSTER SCHAUSPIELER.
»Doch wer, o Jammer!
Die schlotterichte Königin gesehn –«
HAMLET.
Die schlotterichte Königin?
POLONIUS.
Das ist gut; »schlotterichte Königin« ist gut.
ERSTER SCHAUSPIELER.
»Wie barfuß sie umherlief und den Flammen
Mit Tränengüssen drohte; einen Lappen
Auf diesem Haupte, wo das Diadem
Vor kurzem stand; und an Gewandes Statt
Um die von Weh'n erschöpften magern Weichen
Ein Laken, in des Schreckens Hast ergriffen:
Wer das gesehn, mit gift'gem Schelten hätte
Der an Fortunen Hochverrat verübt.
Doch wenn die Götter selbst sie da gesehn,
Als sie den Pyrrhus argen Hohn sah treiben,
Zerfetzend mit dem Schwert des Gatten Leib:
Der erste Ausbruch ihres Schreies hätte
(Ist ihnen Sterbliches nicht gänzlich fremd)
Des Himmels glüh'nde Augen taun gemacht
Und Götter Mitleid fühlen.«
POLONIUS. Seht doch, hat er nicht die Farbe verändert, und Tränen in den Augen! – Bitte, halt' inne!
HAMLET. Es ist gut, du sollst mir das Übrige nächstens hersagen. – Lieber Herr, wollt Ihr für die Bewirtung der Schauspieler sorgen? Hört Ihr, laßt sie gut behandeln, denn sie sind der Spiegel und die abgekürzte Chronik des Zeitalters. Es wäre Euch besser, nach dem Tode eine schlechte Grabschrift zu haben, als üble Nachrede von ihnen, solange Ihr lebt.
POLONIUS. Gnädiger Herr, ich will sie nach ihrem Verdienst behandeln!
HAMLET. Potz Wetter, Mann, viel besser! Behandelt jeden Menschen nach seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher? Behandelt sie nach Eurer eignen Ehre und Würdigkeit: je weniger sie verdienen, desto mehr Verdienst hat Eure Güte. Nehmt sie mit!
POLONIUS. Kommt, ihr Herren!
HAMLET. Folgt ihm, meine Freunde: morgen soll ein Stück aufgeführt werden. – Höre, alter Freund, könnt ihr die Ermordung Gonzagos spielen?
ERSTER SCHAUSPIELER. Ja, gnädiger Herr.
HAMLET. Gebt uns das morgen abend! Ihr könntet im Notfall eine Rede von ein Dutzend Zeilen auswendig lernen, die ich abfassen und einrücken möchte? Nicht wahr?
ERSTER SCHAUSPIELER. Ja, gnädiger Herr.
HAMLET. Sehr wohl. – Folgt dem Herrn, und daß ihr euch nicht über ihn lustig macht!
Polonius und die Schauspieler ab.
Meine guten Freunde, ich beurlaube mich von euch bis abends: ihr seid willkommen zu Helsingör!
ROSENKRANZ UND GÜLDENSTERN. Sehr wohl, gnädiger Herr.
Rosenkranz und Güldenstern ab.
HAMLET.
Nun, Gott geleit' euch. – Jetzt bin ich allein,
Oh, welch ein Schurk' und niedrer Sklav' bin ich!
Ist's nicht erstaunlich, daß der Spieler hier
Bei einer bloßen Dichtung, einem Traum
Der Leidenschaft, vermochte seine Seele
Nach eignen Vorstellungen so zu zwingen,
Daß sein Gesicht von ihrer Regung blaßte,
Sein Auge naß, Bestürzung in den Mienen,
Gebrochne Stimm', und seine ganze Haltung
Gefügt nach seinem Sinn? Und alles das um nichts!
Um Hekuba!
Was ist ihm Hekuba, was ist er ihr,
Daß er um sie soll weinen? Hätte er
Das Merkwort und den Ruf zur Leidenschaft
Wie ich: was würd' er tun? Die Bühn' in Tränen
Ertränken, und das allgemeine Ohr
Mit grauser Red' erschüttern; bis zum Wahnwitz
Den Schuld'gen treiben, und den Freien schrecken,
Unwissende verwirren, ja betäuben
Die Fassungskraft des Auges und des Ohrs.
Und ich,
Ein blöder, schwachgemuter Schurke, schleiche
Wie Hans der Träumer, meiner Sache fremd,
Und kann nichts sagen, nicht für einen König,
An dessen Eigentum und teurem Leben
Verdammter Raub geschah. Bin ich 'ne Memme?
Wer nennt mich Schelm? Bricht mir den Kopf entzwei?
Rauft mir den Bart und wirft ihn mir ins Antlitz?
Zwickt an der Nase mich? und straft mich Lügen
Tief in den Hals hinein? Wer tut mir dies?
Ha! nähm' ich's eben doch.
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