– Es ist nicht anders:
Ich hege Taubenmut, mir fehlt's an Galle,
Die bitter macht den Druck, sonst hätt' ich längst
Des Himmels Gei'r gemästet mit dem Aas
Des Sklaven. Blut'ger, kupplerischer Bube!
Fühlloser, falscher, geiler, schnöder Bube! –
Ha, welch ein Esel bin ich! Trefflich brav,
Daß ich, der Sohn von einem teuren Vater,
Der mir ermordet ward, von Höll' und Himmel
Zur Rache angespornt, mit Worten nur,
Wie eine Hure, muß mein Herz entladen,
Und mich aufs Fluchen legen, wie ein Weibsbild,
Wie eine Küchenmagd!
Pfui drüber! Frisch ans Werk, mein Kopf! Hum, hum!
Ich hab' gehört, daß schuldige Geschöpfe,
Bei einem Schauspiel sitzend, durch die Kunst
Der Bühne so getroffen worden sind
Im innersten Gemüt, daß sie sogleich
Zu ihren Missetaten sich bekannt:
Denn Mord, hat er schon keine Zunge, spricht
Mit wundervollen Stimmen. Sie sollen was
Wie die Ermordung meines Vaters spielen
Vor meinem Oheim: ich will seine Blicke
Beachten, will ihn bis ins Leben prüfen:
Stutzt er, so weiß ich meinen Weg. Der Geist,
Den ich gesehen, kann ein Teufel sein;
Der Teufel hat Gewalt, sich zu verkleiden
In lockende Gestalt; ja und vielleicht,
Bei meiner Schwachheit und Melancholie,
(Da er sehr mächtig ist bei solchen Geistern),
Täuscht er mich zum Verderben: ich will Grund,
Der sichrer ist. Das Schauspiel sei die Schlinge,
In die den König sein Gewissen bringe!
Ab.
Dritter Aufzug.
Erste Szene.
Ein Zimmer in dem Schlosse.
Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz und Güldenstern,
KÖNIG.
Und lockt ihm keine Wendung des Gesprächs.
Heraus, warum er die Verwirrung anlegt,
Die seiner Tage Ruh' so wild zerreißt
Mit stürmischer, gefährlicher Verrücktheit?
ROSENKRANZ.
Er gibt es zu, er fühle sich verstört;
Allein wodurch, will er durchaus nicht sagen.
GÜLDENSTERN.
Noch bot er sich der Prüfung willig dar,
Hielt sich vielmehr mit schlauem Wahnwitz fern,
Wenn wir ihn zum Geständnis bringen wollten
Von seinem wahren Zustand.
KÖNIGIN.
Und wie empfing er euch?
ROSENKRANZ.
Ganz wie ein Weltmann.
GÜLDENSTERN.
Doch tat er seiner Fassung viel Gewalt.
ROSENKRANZ.
Mit Fragen karg, allein auf unsre Fragen
Freigebig mit der Antwort.
KÖNIGIN.
Ludet ihr
Zu irgendeinem Zeitvertreib ihn ein?
ROSENKRANZ.
Es traf sich grade, gnäd'ge Frau, daß wir
Schauspieler unterwegs eingeholt.
Wir sagten ihm von diesen, und es schien,
Er hörte das mit einer Art von Freude.
Sie halten hier am Hof herum sich auf
Und haben, wie ich glaube, schon Befehl,
Zu Nacht, vor ihm zu spielen.
POLONIUS.
Ja, so ist's,
Und mich ersucht' er, Eure Majestäten
Zum Hören und zum Sehn des Dings zu laden.
KÖNIG.
Von ganzem Herzen, und es freut mich sehr,
Daß er sich dahin neigt.
Ihr lieben Herrn, schärft seine Lust noch ferner,
Und treibt ihn zu Ergötzlichkeiten an!
ROSENKRANZ.
Wir wollen's, gnäd'ger Herr.
Rosenkranz und Güldenstern ab.
KÖNIG.
Verlaß uns, liebe Gertrud, ebenfalls!
Wir haben Hamlet heimlich herbestellt,
Damit er hier Ophelien wie durch Zufall
Begegnen mag. Ihr Vater und ich selbst,
Wir wollen so uns stellen, daß wir sehend,
Doch ungesehn, von der Zusammenkunft
Gewiß urteilen und erraten können,
Ob's seiner Liebe Kummer ist, ob nicht,
Was so ihn quält.
KÖNIGIN.
Ich werde Euch gehorchen.
Was Euch betrifft, Ophelia, wünsch' ich nur,
Daß Eure Schönheit der beglückte Grund
Von Hamlets Wildheit sei: dann darf ich hoffen,
Daß Eure Tugenden zurück ihn bringen
Auf den gewohnten Weg, zu beider Ehre.
OPHELIA.
Ich wünsch' es, gnäd'ge Frau.
Königin ab.
POLONIUS.
Geht hier umher, Ophelia! – Gnädigster,
Laßt Platz uns nehmen! –
Zu Ophelia.
Lest in diesem Buch,
Daß solcher Übung Schein die Einsamkeit
Bemäntle. – Wir sind oft hierin zu tadeln –
Gar viel erlebt man's –, mit der Andacht Mienen
Und frommem Wesen überzuckern wir
Den Teufel selbst.
KÖNIG beiseit.
O allzuwahr! wie trifft
Dies Wort mit scharfer Geißel mein Gewissen!
Der Metze Wange, schön durch falsche Kunst,
Ist häßlicher bei dem nicht, was ihr hilft,
Als meine Tat bei meinem glattsten Wort.
O schwere Last!
POLONIUS.
Ich hör' ihn kommen: ziehn wir uns zurück!
König und Polonius ab.
Hamlet tritt auf.
HAMLET.
Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:
Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden, oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden. Sterben – schlafen –
Nichts weiter! – und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil – 's ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –
Schlafen! Vielleicht auch träumen! – Ja, da liegt's:
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir den Drang des Ird'schen abgeschüttelt,
Das zwingt uns still zu stehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg' der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächt'gen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter, und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruh'stand setzen könnte
Mit einer Nadel bloß! Wer trüge Lasten,
Und stöhnt' und schwitzte unter Lebensmüh'?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod –
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt – den Willen irrt,
Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen, als zu unbekannten fliehn.
So macht Gewissen Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. – Still!
Die reizende Ophelia. – Nymphe, schließ'
In dein Gebet all meine Sünden ein!
OPHELIA.
Mein Prinz, wie geht es Euch seit so viel Tagen?
HAMLET.
Ich dank' Euch untertänig: wohl.
OPHELIA.
Mein Prinz, ich hab' von Euch noch Angedenken,
Die ich schon längst begehrt zurückzugeben.
Ich bitt' Euch, nehmt sie jetzo!
HAMLET.
Nein, ich nicht;
Ich gab Euch niemals was.
OPHELIA.
Mein teurer Prinz, Ihr wißt gar wohl, Ihr tatet's,
Und Worte süßen Hauchs dabei, die reicher
Die Dinge machten. Da ihr Duft dahin,
Nehmt dies zurück: dem edleren Gemüte
Verarmt die Gabe mit des Gebers Güte.
Hier, gnäd'ger Herr.
HAMLET. Haha! Seid Ihr tugendhaft?
OPHELIA. Gnädiger Herr?
HAMLET. Seid Ihr schön?
OPHELIA. Was meint Eure Hoheit?
HAMLET. Daß, wenn Ihr tugendhaft und schön seid, Eure Tugend keinen Verkehr mit Eurer Schönheit pflegen muß.
OPHELIA. Könnte Schönheit wohl bessern Umgang haben als mit der Tugend?
HAMLET. Ja freilich: denn die Macht der Schönheit wird eher die Tugend in eine Kupplerin verwandeln, als die Kraft der Tugend die Schönheit sich ähnlich machen kann. Dies war ehedem paradox, aber nun bestätigt es die Zeit. Ich liebte, Euch einst.
OPHELIA. In der Tat, mein Prinz, Ihr machtet mich's glauben.
HAMLET. Ihr hättet mir nicht glauben sollen: denn Tugend kann sich unserm alten Stamm nicht so einimpfen, daß wir nicht einen Geschmack von ihm behalten sollten. Ich liebte Euch nicht.
OPHELIA. Um so mehr wurde ich betrogen.
HAMLET.
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