Geh in ein Kloster! Warum wolltest du Sünder zur Welt bringen? Ich bin selbst leidlich tugendhaft; dennoch könnt' ich mich solcher Dinge anklagen, daß es besser wäre, meine Mutter hätte mich nicht geboren. Ich bin sehr stolz, rachsüchtig, ehrgeizig; mir stehn mehr Vergehungen zu Dienst, als ich Gedanken habe sie zu hegen, Einbildungskraft ihnen Gestalt zu geben, oder Zeit sie auszuführen. Wozu sollen solche Gesellen wie ich zwischen Himmel und Erde herumkriechen? Wir sind ausgemachte Schurken, alle: trau' keinem von uns! Geh deines Wegs zum Kloster! Wo ist Euer Vater?

OPHELIA. Zu Hause, gnädiger Herr.

HAMLET. Laßt die Tür hinter ihm abschließen, damit er den Narren nirgends anders spielt als in seinem eignen Hause! Leb wohl!

OPHELIA. O hilf ihm, güt'ger Himmel!

HAMLET. Wenn du heiratest, so gebe ich dir diesen Fluch zur Aussteuer: sei so keusch wie Eis, so rein wie Schnee, du wirst der Verleumdung nicht entgehn. Geh in ein Kloster! Leb wohl! Oder willst du durchaus heiraten, nimm einen Narren; denn gescheite Männer wissen allzugut, was ihr für Ungeheuer aus ihnen macht. In ein Kloster! geh! und das schleunig! Leb wohl!

OPHELIA. Himmlische Mächte, stellt ihn wieder her!

HAMLET. Ich weiß auch von euren Malereien Bescheid, recht gut. Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein andres; ihr schlendert, ihr trippelt und ihr lispelt, und gebt Gottes Kreaturen verhunzte Namen, und stellt euch aus Leichtfertigkeit unwissend. Geht mir! nichts weiter davon! es hat mich toll gemacht. Ich sage, wir wollen nichts mehr von Heiraten wissen: wer schon verheiratet ist, alle außer einem, soll das Leben behalten; die übrigen sollen bleiben, wie sie sind. In ein Kloster! geh! Hamlet ab.

OPHELIA.

Oh, welch ein edler Geist ist hier zerstört!

Des Hofmanns Auge, des Gelehrten Zunge,

Des Kriegers Arm, des Staates Blum' und Hoffnung,

Der Sitte Spiegel und der Bildung Muster,

Das Merkziel der Betrachter: ganz, ganz hin!

Und ich, der Frau'n elendeste und ärmste,

Die seiner Schwüre Honig sog, ich sehe

Die edle, hochgebietende Vernunft

Mißtönend wie verstimmte Glocken jetzt;

Dies hohe Bild, die Züge blüh'nder Jugend,

Durch Schwärmerei zerrüttet: weh mir, wehe!

Daß ich sah, was ich sah, und sehe, was ich sehe!

 

Der König und Polonius treten wieder vor.

 

KÖNIG.

Aus Liebe? Nein, sein Hang geht dahin nicht,

Und was er sprach, obwohl ein wenig wüst,

War nicht wie Wahnsinn. Ihm ist was im Gemüt,

Worüber seine Schwermut brütend sitzt;

Und, wie ich sorge, wird die Ausgeburt

Gefährlich sein. Um dem zuvorzukommen,

Hab' ich's mit schleuniger Entschließung so

Mir abgefaßt: Er soll in Eil' nach England,

Den Rückstand des Tributes einzufodern.

Vielleicht vertreibt die See, die neuen Länder,

Samt wandelbaren Gegenständen ihm

Dies Etwas, das in seinem Herzen steckt,

Worauf sein Kopf beständig hinarbeitend

Ihn so sich selbst entzieht. Was dünket Euch?

POLONIUS.

Es wird ihm wohl tun; aber dennoch glaub' ich,

Der Ursprung und Beginn von seinem Gram

Sei unerhörte Liebe. – Nun, Ophelia?

Ihr braucht uns nicht zu melden, was der Prinz

Gesagt: wir hörten alles. – Gnäd'ger Herr,

Tut nach Gefallen; aber dünkt's Euch gut,

So laßt doch seine königliche Mutter

lhn nach dem Schauspiel ganz allein ersuchen,

Sein Leid ihr kund zu tun; sie gehe rund

Mit ihm heraus: ich will, wenn's Euch beliebt,

Mich ins Gehör der Unterredung stellen.

Wenn sie es nicht herausbringt, schickt ihn dann

Nach England, oder schließt ihn irgendwo

Nach Eurer Weisheit ein!

KÖNIG.

Es soll geschehn:

Wahnsinn bei Großen darf nicht ohne Wache gehn.

Alle ab.

 

 

Zweite Szene.

Ein Saal im Schlosse.

Hamlet und einige Schauspieler treten auf.

 

HAMLET. Seid so gut und haltet die Rede, wie ich sie Euch vorsagte, leicht von der Zunge weg; aber wenn Ihr den Mund so voll nehmt, wie viele unsrer Schauspieler, so möchte ich meine Verse eben so gern von dem Ausrufer hören. Sägt auch nicht zu viel mit den Händen durch die Luft, so – sondern behandelt alles gelinde! Denn mitten in dem Strom, Sturm und, wie ich sagen mag, Wirbelwind Eurer Leidenschaft müßt Ihr Euch eine Mäßigung zu eigen machen, die ihr Geschmeidigkeit gibt. Oh, es ärgert mich in der Seele, wenn solch ein handfester haarbuschiger Geselle eine Leidenschaft in Fetzen, in rechte Lumpen zerreißt, um den Gründlingen im Parterre in die Ohren zu donnern, die meistens von nichts wissen, als verworrnen stummen Pantomimen und Lärm. Ich möchte solch einen Kerl für sein Bramarbasieren prügeln lassen; es übertyrannt den Tyrannen. Ich bitte Euch, vermeidet das!

ERSTER SCHAUSPIELER. Eure Hoheit kann sich darauf verlassen.

HAMLET. Seid auch nicht allzuzahm, sondern laßt Euer eignes Urteil Euren Meister sein: paßt die Gebärde dem Wort, das Wort der Gebärde an; wobei Ihr sonderlich darauf achten müßt, niemals die Bescheidenheit der Natur zu überschreiten. Denn alles, was so übertrieben wird, ist dem Vorhaben des Schauspieles entgegen, dessen Zweck sowohl anfangs als jetzt war und ist, der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten: der Tugend ihre eignen Züge, der Schmach ihr eignes Bild, und dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen. Wird dies nun übertrieben oder zu schwach vorgestellt, so kann es zwar den Unwissenden zum Lachen bringen, aber den Einsichtsvollen muß es verdrießen; und der Tadel von einem solchen muß in Eurer Schätzung ein ganzes Schauspielhaus voll von andern überwiegen. Oh, es gibt Schauspieler, die ich habe spielen sehn und von andern preisen hören, und das höchlich, die, gelinde zu sprechen, weder den Ton noch den Gang von Christen, Heiden oder Menschen hatten, und so stolzierten und blökten, daß ich glaubte, irgendein Handlanger der Natur hätte Menschen gemacht, und sie wären ihm nicht geraten; so abscheulich ahmten sie die Menschheit nach.

ERSTER SCHAUSPIELER.