Es ist so leicht wie lügen. Regiert diese Windlöcher mit Euren Fingern und der Klappe, gebt der Flöte mit Eurem Munde Odem, und sie wird die beredteste Musik sprechen. Seht Ihr, dies sind die Griffe.
GÜLDENSTERN. Aber die habe ich eben nicht in meiner Gewalt, um irgendeine Harmonie hervorzubringen; ich besitze die Kunst nicht.
HAMLET. Nun, seht Ihr, welch ein nichtswürdiges Ding Ihr aus mir macht? Ihr wollt auf mir spielen; (Ihr wollt tun, als kenntet Ihr meine Griffe;) Ihr wollt in das Herz meines Geheimnisses dringen; Ihr wollt mich von meiner tiefsten Note bis zum Gipfel meiner Stimme hinauf prüfen: und in dem kleinen Instrument hier ist viel Musik, eine vortreffliche Stimme, dennoch könnt Ihr es nicht zum Sprechen bringen. Wetter! denkt Ihr, daß ich leichter zu spielen bin als eine Flöte? Nennt mich was für ein Instrument Ihr wollt, Ihr könnt mich zwar verstimmen, aber nicht auf mir spielen.
Polonius kommt.
Gott grüß' Euch, Herr!
POLONIUS. Gnädiger Herr, die Königin wünscht Euch zu sprechen, und das sogleich.
HAMLET. Seht Ihr die Wolke dort, beinah' in Gestalt eines Kamels?
POLONIUS. Beim Himmel, sie sieht auch wirklich aus wie ein Kamel.
HAMLET. Mich dünkt, sie sieht aus wie ein Wiesel.
POLONIUS. Sie hat einen Rücken wie ein Wiesel.
HAMLET. Oder wie ein Walfisch?
POLONIUS. Ganz wie ein Walfisch.
HAMLET. Nun, so will ich zu meiner Mutter kommen, im Augenblick. – Sie närren mich, daß mir die Geduld beinah' reißt. Ich komme im Augenblick.
POLONIUS. Das will ich ihr sagen. Ab.
HAMLET. »Im Augenblick« ist leicht gesagt. Laßt mich, Freunde!
Rosenkranz, Güldenstern, Horatio und die andern ab.
Nun ist die wahre Spükezeit der Nacht,
Wo Grüfte gähnen, und die Hölle selbst
Pest haucht in diese Welt. Nun tränk' ich wohl heiß Blut,
Und täte Dinge, die der bittre Tag
Mit Schaudern säh'. Still! jetzt zu meiner Mutter!
O Herz, vergiß nicht die Natur! Nie dränge
Sich Neros Seel' in diesen festen Busen!
Grausam, nicht unnatürlich laß mich sein;
Nur reden will ich Dolche, keine brauchen.
Hierin seid Heuchler, Zung', und du, Gemüt:
Wie hart mit ihr auch meine Rede schmäle,
Nie will'ge drein, sie zu versiegeln, Seele!
Ab.
Dritte Szene.
Ein Zimmer im Schlosse.
Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.
KÖNIG.
Ich mag ihn nicht, auch steht's um uns nicht sicher,
Wenn freisein Wahnsinn schwärmt. Drum macht euch fertig:
Ich stelle schleunig eure Vollmacht aus,
Und er soll dann mit euch nach England hin.
Die Pflichten unsrer Würde dulden nicht
Gefahr so nah, als stündlich uns erwächst
Aus seinen Grillen.
GÜLDENSTERN.
Wir wollen uns bereiten.
Es ist gewissenhafte, heil'ge Furcht,
Die vielen vielen Seelen zu erhalten,
Die Eure Majestät belebt und nährt.
ROSENKRANZ.
Schon das besondre, einzle Leben muß
Mit aller Kraft und Rüstung des Gemüts
Vor Schaden sich bewahren; doch viel mehr
Der Geist, an dessen Heil das Leben vieler
Beruht und hängt. Der Majestät Verscheiden
Stirbt nicht allein; es zieht gleich einem Strudel
Das Nahe mit. Sie ist ein mächtig Rad,
Befestigt auf des höchsten Berges Gipfel,
An dessen Riesenspeichen tausend Dinge
Gekittet und gefugt sind: wenn es fällt,
So teilt die kleinste Zutat und Umgebung
Den ungeheuren Sturz. Kein König seufzte je
Allein und ohn' ein allgemeines Weh.
KÖNIG.
Ich bitte, rüstet euch zur schnellen Reise:
Wir müssen diese Furcht in Fesseln legen,
Die auf zu freien Füßen jetzo geht.
ROSENKRANZ UND GÜLDENSTERN.
Wir wollen eilen.
Beide ab.
Polonius kommt.
POLONIUS.
Mein Fürst, er geht in seiner Mutter Zimmer.
Ich will mich hinter die Tapete stellen,
Den Hergang anzuhören; seid gewiß,
Sie schilt ihn tüchtig aus, und wie Ihr sagtet, –
Und weislich war's gesagt, – es schickt sich wohl,
Daß noch ein andrer Zeug' als eine Mutter,
Die von Natur parteiisch, ihr Gespräch
Im stillen anhört. Lebet wohl, mein Fürst:
Eh' Ihr zu Bett geht, sprech' ich vor bei Euch
Und meld' Euch, was ich weiß.
KÖNIG.
Dank, lieber Herr!
Polonius ab.
Oh, meine Tat ist faul, sie stinkt zum Himmel,
Sie trägt den ersten, ältesten der Flüche,
Mord eines Bruders! – Beten kann ich nicht,
Ist gleich die Neigung dringend wie der Wille:
Die stärkre Schuld besiegt den starken Vorsatz,
Und wie ein Mann, dem zwei Geschäft' obliegen,
Steh' ich in Zweifel, was ich erst soll tun,
Und lasse beides. Wie? wär' diese Hand
Auch um und um in Bruderblut getaucht:
Gibt es nicht Regen g'nug im milden Himmel,
Sie weiß wie Schnee zu waschen? Wozu dient
Die Gnad', als vor der Sünde Stirn zu treten?
Und hat Gebet nicht die zwiefache Kraft,
Dem Falle vorzubeugen, und Verzeihung
Gefallnen auszuwirken? Gut, ich will
Emporschaun: mein Verbrechen ist geschehn.
Doch oh, welch eine Wendung des Gebets
Ziemt meinem Fall? »Vergib mir meinen schnöden Mord?«
Dies kann nicht sein; mir bleibt ja stets noch alles,
Was mich zum Mord getrieben: meine Krone,
Mein eigner Ehrgeiz, meine Königin.
Wird da verziehn, wo Missetat besteht?
In den verderbten Strömen dieser Welt
Kann die vergold'te Hand der Missetat
Das Recht wegstoßen, und ein schnöder Preis
Erkauft oft das Gesetz.
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