Der König ist ein Ding –

GÜLDENSTERN. Ein Ding, gnädiger Herr?

HAMLET. Das nichts ist: Bringt mich zu ihm! Versteck' dich, Fuchs, und alle hinterdrein!

Alle ab.

 

 

Dritte Szene.

Ein andres Zimmer im Schlosse.

Der König tritt auf, mit Gefolge.

 

KÖNIG.

Ich lass' ihn holen, und den Leichnam suchen.

O wie gefährlich ist's, daß dieser Mensch

So frank umhergeht! Dennoch dürfen wir

Nicht nach dem strengen Recht mit ihm verfahren:

Er ist beliebt bei der verworrnen Menge,

Die mit dem Aug', nicht mit dem Urteil wählt,

Und wo das ist, wägt man des Schuld'gen Plage,

Doch nie die Schuld. Um alles auszugleichen,

Muß diese schnelle Wegsendung ein Schritt

Der Überlegung scheinen: wenn die Krankheit

Verzweifelt ist, kann ein verzweifelt Mittel

Nur helfen, oder keins.

 

Rosenkranz kommt.

 

Was ist geschehn?

ROSENKRANZ.

Wo er die Leiche hingeschafft, mein Fürst,

Vermögen wir von ihm nicht zu erfahren.

KÖNIG.

Wo ist er selber?

ROSENKRANZ.

Draußen, gnäd'ger Herr;

Bewacht, um Eu'r Belieben abzuwarten.

KÖNIG.

So bringt ihn vor uns!

ROSENKRANZ.

He, Güldenstern! bringt den gnädigen Herrn herein!

 

Hamlet und Güldenstern kommen.

 

KÖNIG.

Nun, Hamlet, wo ist Polonius?

HAMLET.

Beim Nachtmahl.

KÖNIG.

Beim Nachtmahl?

HAMLET. Nicht wo er speist, sondern wo er gespeist wird. Eine gewisse Reichsversammlung von politischen Würmern hat sich eben an ihn gemacht. So 'n Wurm ist Euch der einzige Kaiser, was die Tafel betrifft. Wir mästen alle andere Kreaturen, um uns zu mästen; und uns selbst mästen wir für Maden. Der fette König und der magre Bettler sind nur verschiedne Gerichte; zwei Schüsseln, aber für eine Tafel: das ist das Ende vom Liede.

KÖNIG. Ach Gott! ach Gott!

HAMLET. Jemand könnte mit dem Wurm fischen, der von einem König gegessen hat, und von dem Fisch essen, der den Wurm verzehrte.

KÖNIG. Was meinst du damit?

HAMLET. Nichts als Euch zu zeigen, wie ein König seinen Weg durch die Gedärme eines Bettlers nehmen kann.

KÖNIG. Wo ist Polonius?

HAMLET. Im Himmel. Schickt hin, um zuzusehn: Wenn Euer Bote ihn da nicht findet, so sucht ihn selbst an dem andern Orte! Aber wahrhaftig, wo Ihr ihn nicht binnen dieses Monats findet, so werdet Ihr ihn wittern, wann Ihr die Treppe zur Galerie hinaufgeht!

KÖNIG zu einigen aus dem Gefolge. Geht, sucht ihn dort!

HAMLET. Er wird warten, bis ihr kommt.

 

Einige aus dem Gefolge ab.

 

KÖNIG.

Hamlet, für deine eigne Sicherheit,

Die uns so wert ist, wie uns innig kränkt,

Was du begangen hast, muß diese Tat

In feur'ger Eile dich von hinnen senden.

Drum rüste dich: das Schiff liegt schon bereit,

Der Wind ist günstig, die Gefährten warten,

Und alles treibt nach England auf und fort.

HAMLET.

Nach England?

KÖNIG.

Ja, Hamlet.

HAMLET.

Gut.

KÖNIG.

So ist es, wenn du unsre Absicht wüßtest.

HAMLET. Ich sehe einen Cherub, der sie sieht. – Aber kommt! nach England! – Lebt wohl, liebe Mutter!

KÖNIG. Dein liebevoller Vater, Hamlet!

HAMLET. Meine Mutter: Vater und Mutter sind Mann und Weib; Mann und Weib sind ein Fleisch: also meine Mutter. Kommt, nach England! Ab.

KÖNIG.

Folgt auf dem Fuß ihm, lockt ihn schnell an Bord;

Verzögert nicht: er muß zu Nacht von hinnen.

Fort! Alles ist versiegelt und geschehn,

Was sonst die Sache heischt. Ich bitt' euch, eilt!

 

Rosenkranz und Güldenstern ab.

 

Und, England! gilt dir meine Liebe was

(Wie meine Macht sie dich kann schätzen lehren,

Denn noch ist deine Narbe wund und rot

Vom Dänenschwert, und deine Ehrfurcht leistet

Uns willig Lehenspflicht), so darfst du nicht

Das oberherrliche Geheiß versäumen,

Das durch ein Schreiben solchen Inhalts dringt

Auf Hamlets schnellen Tod. O tu' es, England!

Denn wie die Hektik rast er mir im Blut:

Du mußt mich heilen! Mag mir alles glücken,

Bis dies geschehn ist, kann mich nichts erquicken.

Ab.

 

 

Vierte Szene.

Eine Ebne in Dänemark.

Fortinbras und Truppen, im Marsch begriffen.

 

FORTINBRAS.

Geht, Hauptmann, grüßt von mir den Dänenkönig;

Sagt ihm, daß Fortinbras auf sein Gestatten

Für den versprochnen Zug durch sein Gebiet

Geleit begehrt, Ihr wißt, wo wir uns treffen.

Wenn Seine Majestät uns sprechen will,

So wollen wir pflichtmäßig ihn begrüßen;

Das meldet ihm!

HAUPTMANN.

Ich will es tun, mein Prinz.

FORTINBRAS.

Rückt langsam vor!

 

Fortinbras und Truppen ab.

Hamlet, Rosenkranz, Güldenstern und andre kommen.

 

HAMLET.

Wes sind die Truppen, lieber Herr?

HAUPTMANN.

Sie sind von Norweg, Herr.

HAMLET.

Wozu bestimmt, ich bitt' Euch?

HAUPTMANN.

Sie rücken gegen Polen.

HAMLET.

Wer führt sie an?

HAUPTMANN.

Des alten Norwegs Neffe, Fortinbras.

HAMLET.

Und geht es auf das ganze Polen, oder

Auf einen Grenzort nur?

HAUPTMANN.

Um wahr zu reden und mit keinem Zusatz,

Wir gehn, ein kleines Fleckchen zu gewinnen,

Das keinen Vorteil als den Namen bringt.

Für fünf Dukaten, fünf, möcht' ich's nicht pachten.

Auch bringt's dem Norweg oder Polen sicher

Nicht mehr, wenn man auf Erbzins es verkauft.

HAMLET.

So wird es der Polack nicht halten wollen.

HAUPTMANN.

Doch; es ist schon besetzt.

HAMLET.

Zweitausend Seelen, zwanzigtausend Goldstück

Entscheiden diesen Lumpenzwist noch nicht.

Dies ist des Wohlstands und der Ruh' Geschwür,

Das innen aufbricht, während sich von außen

Kein Grund des Todes zeigt. – Ich dank' Euch, Herr.

HAUPTMANN.

Geleit' Euch Gott!

 

Ab.

 

ROSENKRANZ.

Beliebt es Euch zu gehn?

HAMLET.

Ich komme gleich euch nach. Geht nur voran!

 

Rosenkranz und die übrigen ab.

 

Wie jeder Anlaß mich verklagt und spornt

Die träge Rache an! Was ist der Mensch,

Wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut

Nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.

Gewiß, der uns mit solcher Denkkraft schuf,

Voraus zu schaun und rückwärts, gab uns nicht

Die Fähigkeit und göttliche Vernunft,

Um ungebraucht in uns zu schimmeln. Nun,

Sei's viehisches Vergessen, oder sei's

Ein banger Zweifel, welcher zu genau

Bedenkt den Ausgang – ein Gedanke, der,

Zerlegt man ihn, ein Viertel Weisheit nur

Und stets drei Viertel Feigheit hat – ich weiß nicht,

Weswegen ich noch lebe, um zu sagen:

»Dies muß geschehn«, da ich doch Grund und Willen

Und Kraft und Mittel hab', um es zu tun.

Beispiele, die zu greifen, mahnen mich:

So dieses Heer von solcher Zahl und Stärke,

Von einem zarten Prinzen angeführt,

Des Mut, von hoher Ehrbegier geschwellt,

Die Stirn dem unsichtbaren Ausgang beut,

Und gibt sein sterblich und verletzbar Teil

Dem Glück, dem Tode, den Gefahren preis,

Für eine Nußschal'.