„Als wenn Sie das interessieren würde.“

Elizabeth blinzelte nicht einmal. Sein Selbstmitleid löste keineswegs Mitgefühl in ihr aus. Selbstmitleid gehörte zum Heilungsprozess, es war der allererste Schritt. Dass Kristian Koumantaros bis jetzt nicht darüber hinausgekommen war, sagte ihr, welch langer Weg noch vor ihnen lag. „Es interessiert mich“, erwiderte sie sachlich. Dass der Ruf ihrer Firma, den Kristian Koumantaros fast ruiniert hätte, sie ebenso interessierte, sagte sie natürlich nicht. „Allerdings werde ich nicht wie die anderen nachgeben und Ihnen Ihre Ausflüchte abnehmen, nur weil Sie meinen, sich alles erlauben zu können.“

„Aber Sie dürfen sich alles erlauben?“ Wutentbrannt lenkte er den Rollstuhl in ihre Richtung. Die Reifen fuhren über knirschendes Glas.

„Vorsicht, sonst haben Sie gleich noch einen Platten.“

„Umso besser! Ich hasse diesen Stuhl! Ich hasse es, nicht sehen zu können! Ich verabscheue es, so leben zu müssen!“ Er fluchte unflätig, aber zumindest blieb er mit dem Rollstuhl stehen, sodass der alte Hausdiener hastig die Scherben auffegen konnte.

Kristian saß mit zusammengesunkenen Schultern reglos da.

Verzweiflung. Der große Mann war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Etwas regte sich in ihr. Doch so schnell das Gefühl kam, so schnell verdrängte sie es wieder. Er würde gesund werden. Es gab keinen Grund, warum er nicht gesund werden sollte.

Elizabeth bedeutete dem alten Butler stumm, sich zurückzuziehen. Mit einem Nicken verließ er die Bibliothek, Handfeger und das Kehrblech mit den Scherben in der Hand.

„Also, Mr. Koumantaros“, sagte sie, sobald die Tür leise ins Schloss fiel. „Sie müssen wieder mit Ihrem Rehaprogramm beginnen. Das klappt allerdings nicht, wenn Sie sämtliche Krankenschwestern vergraulen.“

„Sie waren allesamt unfähige, nutzlose …“

„Alle sechs?“ Elizabeth ließ sich auf dem nächsten Stuhl nieder. Er hatte die sechs Pflegerinnen in Rekordzeit verschlissen. Um genau zu sein, sie hatte niemanden mehr, den sie noch einsetzen konnte. Aber Mr. Koumantaros durfte auch nicht sich selbst überlassen werden, und ein alter Butler konnte ihm nicht die nötige medizinische Pflege geben.

„Eine von ihnen war nicht schlecht. In gewisser Hinsicht.“ Er tippte mit einem Finger auf den Metallrahmen des Rollstuhls. „Die jüngste von ihnen, Calista. Aber wenn das die Beste war, mit der Sie aufwarten können …“

„Miss Aravantinos wird nicht mehr zu Ihnen kommen.“ Elizabeth spürte, wie Ärger sich in ihr meldete. Natürlich würde er die Schwester erwähnen, die er gänzlich fertiggemacht hatte. Gerade erst die Ausbildung abgeschlossen, war das Mädchen Wachs in Kristian Koumantaros’ Händen gewesen. Im wörtlichen Sinne. Für einen Mann mit lebensgefährlichen Verletzungen verfügte er über erstaunliche Verführungskünste.

„So hieß sie also?“

„Das war rücksichtslos und abscheulich von Ihnen. Wie alt sind Sie genau …?“ Sie blätterte in der Akte. „Fast sechsunddreißig. Das Mädchen ist noch keine dreiundzwanzig.