Sei alles, was Euch schmachvoll dünkt, nun auch Naturnotwendigkeit; aber warum Fluch? Alles, was lebt, hat seine Schranken, und lebt nur in diesen; alles, was Ihr ersinnt und denkt, könnt Ihr Euch nur in Bedingung, in Beschränkung denken; das Unbedingte, Schrankenlose ist ein Nichts. In diese Bedingung sich heiter fügen, sogar den Vorteil dieser Schranken verstehn, ist die Aufgabe des Lebens, und die Liebe, wie Ihr auch widerstreiten mögt, gleicht alle diese Widersprüche und Kämpfe am schönsten aus. Wer von den Sinnen und der Sinnlichkeit geringe denken will, der muß auch alle Kunst und Poesie verdammen, und warum soll ihm der Schmuck der Natur und die Farbe der Blumen, der Wohllaut der Musik und alle Schöpfung irgend etwas sein? Schlimm, verehrte Frau, daß gerade das, was ich an Euch hochschätzen mir Euren tiefsten Unwillen zuzieht, indem Ihr es das Verwerfliche, Sündliche nennt.
Wir wollen nicht streiten, sagte sie, denn wir verstehen uns nicht. Aber glaubt mir, ein Verhältnis, wie Ihr es annehmt, hat zwischen mir und Friedrich nie stattgefunden, und kann auch niemals eintreten. Was mir das Leben noch sein kann, die Freuden, die mir noch blühen, sind nicht aus jenem Garten, in welchem mit Euch zu wandeln Ihr mich zwingen wollt. Friedrich ist mein Freund, ebenso, wie Ihr es waret; mein Umgang mit ihm, mein Vertrauen zu ihm war nicht anders, als zu manchem, den ich in meinem Hause gesehen habe, seitdem ich Witwe bin.
Der Dechant sah die Frau mit scharfen Augen an, indem beide still sich gegenüberstanden. Wenn es wahr ist, sagte er dann, wodurch Ihr nicht im mindesten in meiner Achtung steigen würdet, – wozu dann dieser ausgewählte Anzug? Diese Farben, von denen Ihr so genau wißt, wie sie Euch kleiden? Dieser Schmuck um Haupt und Brust? Warum muß diese so reizend, so verräterisch sich blähen, nur halb verhüllt sein, um mit dem Elfenbein der blendenden Schultern zu wetteifern? Warum denn dieser feine, goldverzierte Schuh? Dieser blinkende Gürtel, der so schön Euren edlen und vollen Wuchs bezeichnet? Warum wollt Ihr in jedem, der Auge und Sinne hat, diese Trunkenheit erregen, und sie niemals, wie die tödlichen Sirenen, befriedigen?
Catharina weinte. Was ist Euch? fragte der Dechant erschrocken. Nun ja, sagte sie, so ziemt es sich, so muß es sein, daß derjenige, der am Mißverstehen seine Freude hat, alles mißverstehen muß. Wie die Rose sich bei der Sommerwärme entfalten muß, und schön und immer schöner blühen, bis sie am Sonnenstrahl verblaßt und bald nachher in Staub zerfällt, ebenso in Unschuld wird das Weib sich durch Schmuck, Putz, Zier und Sauberkeit verschönen. Sie will freilich gefallen, sie will es, ohne es sich vorzusetzen oder darüber zu denken. Jene Schroffgesinnten, die mit Bedacht der Zier aus dem Wege gehen, und sich in verwilderter Nachlässigkeit selbst verhäßlichen, sind keine Weiber, und ihrer gibt es nur wenige. Euer Wort erinnert mich, wie bald es mir geziemen wird, vielleicht sollte es jetzt schon geschehen, mich in die Gewänder zu verhüllen, die dem Alter wohl anstehen.
Nein! rief der Geistliche, Ihr seid reizend, und wißt es; noch lange wird sich Eure Schönheit erhalten, denn sie ist großartig und edel, nicht den vergänglichen Zufälligkeiten anvertraut. Aber verwerfen sollt Ihr mich darum nicht, weil ich Euch vergöttere; weil ich Euch nicht glaube, denn auch diese süße, Unschuld und Tugend spielende Lüge ist dem Weibe als Mitgift von der ewigen Natur zur Ausstattung mitgegeben. Opfert mich nicht ganz diesem Friedrich, den ich nicht verdrängen will; beglückt ihn und mich. Noch ist Eure Regierung der Schönheit nicht beschlossen, teilt künftig noch andern Eure Gunst mit, wenn dieser, wenn ich Euch Langeweile machen; aber erkennt den Bund an, den ich als einen solchen anbiete, der uns geziemt, der mein Leben verherrlicht, der erst allen jenen freundlichen Worten, die Ihr mir manchmal gesagt habt, Seele, allen holden Blicken Geist einhaucht.
Catharina wandte sich ab, um sich in ihr Gemach zu begeben. Nein, verlaßt mich nicht so, mit dieser Verachtung nicht, denn diese muß ich für Lüge halten; Ihr bildet Euch ein, jenem Jüngling dadurch treu zu bleiben, und vergiftet so die schönste Region Eures Geistes. Haß erfüllt Euch dann statt Liebe, und dieser könnte aus Eurem Herzen, eben weil ich Euch ganz angehöre, in das meinige herübersprühen. Wahrt Euch, ich bitte, in Eurem Hochmut, und laßt die Klugheit wenigstens das tun, was Neigung versagt. Mäßigt Euch und schont mich mindestens. Es könnte sich, das fühl' ich, eine Hölle in meinem Herzen erzeugen, so sehr ich alle finstern Leidenschaften, die alle aus der Eigenliebe fließen, immer gehaßt habe. Seht Euch vor, überkluges, tugendsames Kindchen. Ihr wollt mit mir spielen und Eurem Stolze ein Fest geben; aber hütet Euch, ich bin kein Jüngling.
Welche Sprache! rief Frau Catharina aus, indem sie sich umwendete; wie ziemt sie Euch zu mir? Wißt, hört, es ist mir gleichgültig, ob Ihr es glaubt: ich habe mir nichts vorzuwerfen. Gott kennt mein Herz und meinen Wandel.
Gut, sagte der Dechant, indem er sich, um fortzugehen, nach dem Garten wendete, die Welt soll also unrecht haben, alle Gerüchte sollen lügen, die Frau Denisel könnte sich einem Gottesgericht unterwerfen. Aber auferstehen werden denn doch vielleicht einmal alle die Sünden, die jetzt im Winkel schlummern und begraben scheinen, die Verführung des jungen Friedrich – – nun? warum seht Ihr mich so zornig an? Den Namen könnt Ihr also hören, und mit Ruhe, – gut, – aber auch, wenn ich Robert ausspreche? –
Er kehrte um, sie aber stürzte blaß in den Sessel und sah nicht, wie er Haus und Garten verließ. – Als sie sich von ihrem Schreck erholt hatte, suchte sie sich durch Tränen zu erleichtern.
Am Nachmittag traf Friedrich seine verehrte Freundin noch weinend und in Schmerz aufgelöset. Sie empfing den Jüngling freundlich, mochte ihm aber jetzt noch nicht anvertrauen, wie sehr sie vom Dechanten gekränkt worden sei, weil sie seine Heftigkeit fürchtete. Sie gedachte aber der Warnungen, die Friedrich ihr noch gestern gegeben hatte, und sie erinnerte sich nun mit Schmerz, wie leichtsinnig sie die Entdeckungen seiner Eifersucht abgewiesen. Friedrich war sehr bekümmert. Er suchte die Geliebte zu trösten und zu beruhigen, aber Catharina war so tief betrübt, daß seine Reden nur wenig Eingang fanden.
Nach einer Pause sagte die Frau: Mein teurer, mein wahrer Freund, ich hatte diese Stunde dazu bestimmt, um Euch etwas von meinen Schicksalen zu erzählen, damit Ihr mich näher kennen lerntet; und sowie ich meinem Gedächtnis das trübe Blatt meines Lebens wieder aufgerollt habe, hat mich ein ungeheurer Schmerz befallen.
1 comment