Dann kommen dichte Wolken und Hagelschauer und verfinstern meine Seele. Drinnen kochen und gären dann wieder zukünftige Gedanken, und wenn ich gerade bei Laune bin, sehe ich selber diesem tollen Wesen zu. Ach! Sonnenschein! Freunde! das ist etwas Großes! Wer hat ihn immer? Und könnte ihn immer brauchen, wenn es uns auch vergönnt wäre? –
Ja, dann, in diesen herrlichen Momenten, bin ich wirklich sehr gescheit, und nicht nur klüger wie die andern Menschen, sondern ich übertreffe mich sogar selbst. Ich habe es oft gesagt, ich hätte es zu etwas Außerordentlichem gebracht, auch in meiner Kunst, wenn es nicht ein Ding mir unmöglich gemacht hätte, und zwar etwas recht Erbärmliches, was die Menschen eine Kleinigkeit nennen, und die es doch wahrlich nicht ist. Aber blind und verworren bleiben sie freilich immer in ihren Bestrebungen.
Und das ist? fragte lächelnd Catharina. Schade ist es doch immer, daß Ihr nicht so vortrefflich geworden seid, wie es Euch, Euren Aussagen gemäß, so nahe lag.
Spottet nur! rief der Alte, Ihr bleibt doch mein Liebchen, und die holdseligste Kreatur, die ich jemals gekannt habe. Um Euch aber die Sache deutlich zu machen, muß ich Euch erzählen, daß ich, wenn mich die Toren auch oft ketzerisch nennen, eine viel zu große Ehrfurcht vor dem Schöpfer, und eine so innige, liebevolle Anbetung seiner Herrlichkeit habe, daß ich dem Gesellen, der ihm gegenüber arbeitet, nicht die Macht und ungeheure Wirkung und Furchtbarkeit zutrauen kann, die ihm die unwissende Menge, aus abergläubischer Angst vor ihrer eigenen Torheit, zuschreiben will. Durch kleine Erbärmlichkeiten macht sich dieser Geist Luft, und hindert freilich auch durch diese das Große und Edle. Wenn ich so recht mit meinem Geiste einverstanden bin und ihm zuhöre, in der Sabbatstille meines ausgeklärten Gemütes immer schönere und feinere Gedanken und Bilder aufsteigen, wenn ich dann mein Sein und Fühlen ausstrecke, weiter, immer weiter, und ich schaue und weiß, jetzt ist das Rechte und Beste unterwegs, und wird gleich in die aufgeräumte Putzstube meiner Seele anlangen – brtsch! ist alles weg, denn ich muß niesen; wenigstens einmal, oft auch in drei Repetitionen. Der Moment nimmt mir das Bewußtsein, ich bin auf einen Augenblick nicht mehr als ein Pfahl oder Stock, – und, wie nüchtern, arm, düster, jammervoll ist es nachher in meinem Innern; alles, was glänzte, liegt wie altes, widerwärtiges Getrödel in einer Polterkammer durcheinander, mit Staub und Spinnweben überzogen, so daß ich keinen der Fetzen, die eben noch Gedanken und Entzückungen waren, aus dem Gerümpel hervorlangen mag, um mir nicht die Hände meines kümmerlichen Bewußtseins zu beschmutzen. Denn meine Dummheit ist wenigstens noch besser als das Denken und Anschauen, was ich jetzt treiben könnte. So ist es mir auch immer beim Malen ergangen. Ich habe mir mehr wie einmal eingebildet, wenn ich vor meiner Tafel saß, ich könnte die Werke meines Freundes Johann, des von Eyck, erreichen; ich war selig in der Arbeit, die Farben wurden immer glänzender, die Mienen immer heller und menschlicher, – nun kommt mit eins jenes verdammte Niesen, aus ist alles, tot; wenn ich die Augen wieder brauchen kann, stehn Fratzen und schmierige Ölflecke auf dem Holze, und alle Anmut ist in dieses hineingeschlagen; ich sehe im Pinsel, den ich noch eben in Freude fliegen ließ, nur einen Teil des unsaubern Schweines, von dem er genommen ist. Das hat immerdar mein Leben verkümmert. So weiß ich nun schon, streckt einmal der Geist sich in mir so aus, daß ich nahe daran bin, die Bande zu zerreißen, so werde ich augenblicklich niesen, – und oft, wenn ich zerstreut bin und an gar nichts denke, so weiß ich am Niesen, wenn es mich befällt, daß soeben in meinem Innern der Festkuchen gebacken wurde, um dem verlornen Sohn in Prozession entgegenzugehen. Nun fällt Kuchen und Kalb, Sohn und Vater, Sünder und Gerechter zugleich in den Brunnen. Man kann wohl auch fragen, ob es nicht selbst so feine, geistige Wahrnehmungen gibt, die ohne weiteres, wie ein zu scharfes Licht, auf die Nase wirken, und sie zum innerlichen Krampfe zwingen. Es kommt aber auf dasselbe hinaus, ob ich es physisch, ob geistig betrachte. Diese Gedanken sind mir einmal nicht gegönnt; statt im Gehirne eine höhere Stelle zu suchen, rennen sie abwärts und erlöschen in jenem Kitzel, der in einem Ton ausbricht, welcher aller Musik sich durchaus feindlich entgegenstellt. – Daß der Fliegengott, Beelzebub, dem Denker und Andächtigen oft eine Fliege sendet, um ihn zu stören und zu empören, das haben selbst fromme Theologen eingesehen und ausgesagt.
Guter, lieber Schwätzer, sagte der alte Ritter, indem er ihm die Hand gab, gehe es Euch recht wohl in den letzten Jahren Eures Lebens, und möge diese krause Laune Euch nie verlassen. Was Eure Zunge bei diesen Erzählungen allein verschuldet, wieviel aus Eurem Herzen kommt, das möchte schwer zu unterscheiden sein.
Er beurlaubte sich von der Wirtin und der übrigen Gesellschaft. Er versteht dich nicht, sagte Friedrich, der gute Vater. Er meint, alles Denken müsse immer geradeaus gehen. Er ist auch kein Freund der Dichtkunst. Deine Gedichte kennt er gar nicht.
Ja, ja, sagte der Maler, die Menschen sind seltsam. Immer nur geradeaus denken! Nicht singen mögen! Meine Gedichte nicht kennen! Wir haben Schlund, Hals, Gaumen, Lippen, Zähne. Es zeigt sich deutlich der Gebrauch von allem, ob der erste, notwendigste der beste, wer kann es sagen? Wir sollen schlingen, kauen, essen, und außerdem vernünftig mit allem diesen Handwerkzeuge sprechen. Gut, wir tun es auch alle. Aber, wenn nun Gaum und Zunge den liebevoll geistigen Wein auf die feine wundersüchtige Problerwaage legt? Und züngelt, schleckert, lippelt, und der Schlund auch zur Zunge wird? Wenn das schon mit bei der Schöpfung ausbedungen ist, wie ich doch glaube, warum soll Kauen des Brotes und Schlucken des Wassers oder Bieres rechtgläubiger sein? Die Lippen schon prüfen den Wein, die Nase riecht seine Geister ahndend, und Gefühl, stummes, ist mehr als Auge und Ohr. Statt zu sprechen, singt nun gar das Maul.
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