»Und ich hab' eine Häsin mit drei jungen Häslein gesehn.«
»O je«, staunt Hafia, »wo?«
»Im Klee.«
»Und du wirst sie im Herbst erschießen?«
Stefan mit schrägem Blick auf Hordubal: »Na, ich weiß nicht.«
Ein braver Mensch, denkt Juraj erleichtert, das Kind hat ihn gern, zu mir käme sie nicht so. Ach was, das Kind wird sich gewöhnen; aber daß sie die Bildchen gar nicht erwähnt hat, die ich ihr aus Amerika mitgebracht habe. Ich sollte dem Stefan etwas geben, fallt es Hordubal ein, und er sucht mit den Augen seinen Holzkoffer.
»Deine Sachen sind auf dem Bänkchen geordnet«, sagt Polana – immer war sie so fürsorglich, denkt Juraj, und geht mit ernster Miene auf das Häuflein Amerika zu. »Also, das ist für dich, Hafia, die Bildchen und hier der Teddybär –«
»Was ist das, Onkel?« haucht Hafia.
»Das ist ein Bär«, erklärt Manya. »Hast du schon einmal einen lebenden Bären gesehen? Dort hinten in den Bergen gibt es welche.«
»Und du hast sie gesehn?« drängt Hafia.
»Nu freilich, sie machen brumbrum.«
»Das hier, Polana, ist für dich«, murmelt Hordubal zaghaft. »Es sind Dummheiten, nun, aber ich hab' nicht gewußt, was ...« Juraj wendet sich ab und kramt herum, welche von seinen Sachen er wohl für Manya auswählen solle. »Und das da, Stefan«, sagt er verlegen, »könnte vielleicht für dich passen: ein amerikanisches Messer und ein Pfeifchen aus Amerika –«
»Ach, du«, stößt Polana mit erstickter Stimme hervor, Tränen füllen ihre Augen, und sie eilt hinaus – na, Polana, was gibt's?
»Danke höflich, Herr«, verneigt sich Manya, läßt alle Zähne sehen und reicht Juraj die Hand. Ei du, welche Kraft in deiner Hand! War' wohl der Mühe wert, sich mit dir zu messen. Na, Gott sei gelobt, atmet Hordubal auf das wäre überstanden.
»Laß mich das Messer sehn, Onkel«, bettelt Hafia.
»Da schau her«, rühmt Stefan, »das ist ein Messer bis aus Amerika; damit werd' ich dir eine amerikanische Puppe schnitzen, willst du?«
»Ach ja, Onkel«, jauchzt Hafia, »aber bestimmt!«
Juraj lacht breit und selig.
VI
Aber noch ist nicht alles erledigt, Juraj weiß, was sich schickt. Wenn man aus Amerika zurückkommt, muß man sich in der Schenke zeigen, die Nachbarn begrüßen und Branntwein offerieren: soll doch ein jeder sehen, daß man nicht mit leerem Beutel und nicht mit Schande heimgekehrt ist. Hej, Wirtshaus! Für jeden ein Gläschen und gut eingeschenkt, kennst wohl den Hordubal nicht und bin ich nicht ein miner aus Amerika? Das ganze Dorf soll wissen, wer da heimgekommen ist, ej, laßt uns hingehn, den Hordubal ansehn, – Frau, Rock und Hut her – –
»Ich bin bald wieder zurück, Polana, geh nur schlafen und warte nicht«, redet ihr Juraj zu und marschiert breitbeinig und großartig durch das schwarze Dorf auf die Schenke zu. Nach wie vielen Dingen duftet das Dorf: nach Holz und Kühen, Stroh und Heu, und dies ist der Geruch der Gänse, und das duftet nach Kamillen und Brennesseln. In der Schenke ist nicht mehr der alte Salo Berkowitsch, ein fuchsroter Jude erhebt sich vom Tisch und fragt mißtrauisch: »Der Herr wünscht?«
Einer sitzt im Winkel, wer könnte das sein, es könnte Pjosa sein, meiner Treu, Andrej Pjosa, genannt der Husar, glotzt Juraj an, als wollte er schreien: Bist du's, Juraj? Und ob ich's bin, Andrej Husar, wie du mich hier siehst.
Nun, Pjosa hat nicht geschrien, er starrt; und Hordubal, um zu zeigen, daß er ein Hiesiger ist: »Wirt, lebt der alte Berkowitsch noch?«
Der sommersprossige Jude stellt ein Gläschen Schnaps auf den Tisch. »Sechs Jahre ist es her, seit man ihn begraben hat.« Sechs Jahre? ech, Pjosa, eine lange Zeit; was bleibt von einem Menschen übrig nach sechs Jahren – und was nach acht Jahren? Acht Jahre, Schankwirt, hab' ich keinen Branntwein getrunken; ach Gott, manchmal hätt' ich ihn trinken mögen – den Kummer ersaufen, auf die Fremde spucken, weißt du? Aber sie haben den Branntwein verboten in Amerika. So hab' ich wenigstens der Polana mehr Dollars geschickt; und weißt du, Pferde hat sie gekauft und die Felder verkauft. Lauter Gestein, sagt sie. Und du, Husar, du hast die Felder nicht verkauft? Nun ja, man sieht, du bist nicht in Amerika gewesen.
Der Jude steht hinterm Pult und starrt Juraj an. Soll ich mich mit ihm in ein Gespräch einlassen? denkt der Jude. Gesprächig ist er wohl nicht, er schaut so so drein, werde mich lieber nicht mit ihm einlassen; welcher von den Hiesigen könnte es denn sein? Matwjej Pagurka hat einen Sohn irgendwo, vielleicht ist es Matwjejs Sohn; oder wäre es etwa Hordubal, der Mann der Polana Hordubal, der, was in Amerika ist –
Juraj hat mit den Augen geblinzelt. Der Jude wendet sich ab, er muß die Gläser auf dem Pult in Ordnung bringen; und was ist mit dir, Pjosa, warum versteckst du immer die Augen unter den Brauen? Soll ich dich beim Namen rufen? Das ist nun mal so, Andrej Pjosa: der Mensch gewöhnt sich gleich das Reden ab, sein Mund wird hölzern, aber – nun ja, selbst ein Pferd, selbst eine Kuh will ein menschliches Wort hören. Wahr doch, Polana war immer so still, und acht Jahre machen das Reden nicht leicht, die Einsamkeit lehrt nicht sprechen; ich weiß ja selber nicht, wo anfangen; fragt sie nicht – so sag' ich nichts, sagt sie nichts – so will ich nicht fragen. Ach was, Stefan ist ein guter Knecht, selbst das Reden besorgt er für die Bäuerin. Die Felder hat die Bäuerin verkauft, eine Pußta in der Ebene hat sie sich gekauft, und fertig. Hordubal trinkt und wackelt mit dem Kopf; das Luderzeug brennt, aber man wird sich daran gewöhnen. Stefan – scheint ein guter Junge zu sein; kennt sich in Pferden aus und hat Hafia gern; und was Polana anbelangt – auch die Frau wird sich gewöhnen, und es wird von selber kommen, was kommen soll. Eh, Pjosa, wie steht's mit der Deinigen – ist sie manchmal wunderlich? Nun, wirst sie halt verprügeln, aber Polana, die ist – wie eine Edelfrau, Andrej: so ist's. Klug ist sie, fleißig und sauber – Gott sei gelobt. Ei wahr, doch wunderlich ist sie. Und hält sich, Bruderherz, wie keine andre im ganzen Ort. Ich versteh's nicht mit ihr, Husar.
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