Wir haben sie geweiht

Aristophanischer Unsterblichkeit.

 

Schleiferius! Caprimulgius! Ochsenhorn!

Schlaraff! Der saubre Täufling Pfefferkorn!

 

Wir brachen keck in ihre Zellen ein

Und hausten schlimm in ihrem Bücherschrein.

 

Wir sprachen ihr Latein – ergötzlich Spiel –

Und Briefe schrieben wir im Klosterstil:

 

»Laetificor archiangelice

Cum una speciosa virgine!«

 

Hellauf! Der Narrenglöcklein schriller Schall!

Und heißa, hussa, Jagd und Peitschenknall!

 

Die Pfaffen sprangen über Stock und Stein,

Der Esel bockte, grunzend lief das Schwein.

 

Du Fest der jugendlichen Grausamkeit,

Verklungen bist du längst! Streng ward die Zeit.

 

Als wir im losen Mummenschanz getobt,

Da hat man unsres Witzes Salz gelobt;

 

Doch als die Wahrheit wir im Ernst gesagt,

Da wurden wir, die Jäger, selbst gejagt.

 

Wir irren heimatlos, geächtet, arm

Und essen fremdes Brot in Not und Harm.

 

Die Pfäfflein, denen unsre Hetze galt,

Sie tafeln alle noch gesund und alt.

 

Die Mönchlein, die wir kniffen bis aufs Blut,

Sie bechern alle wieder wohlgemut;

 

Und schneidet eines apfelschälend sich

Und quillt ein Tropfen Bluts bescheidentlich,

 

So stöhnt es: »Würd'ge Brüder, schauet hier!

Das blut'ge Märtertum erleiden wir!«

X

 

Der Vetter Hans

Ein schöner Mensch, mit dem das Glück gedahlt,

Hat dunklem Schicksal schweren Zoll bezahlt.

 

Fortunens Liebling war der Vetter Hans,

Der mich an Lebenskraft verdunkelt ganz.

 

Oft dacht ich, dem die Wange früh gebleicht:

In einem solchen Körper lebt sich's leicht!

 

Das Haupt mit dem gepflegten Bart, er trug's

Siegreich und war von schlankem Edelwuchs.

 

Er ritt und focht und tanzte meisterhaft,

War aller Fraun und Mädchen Leidenschaft.

 

Er freite flink. Das junge Weib gefiel

Dem Herzog und der Teufel trat ins Spiel.

 

Der Herzog sank vor Vetter Hans aufs Knie:

»Dein Weib! Nicht leben kann ich ohne sie!«

 

Das fand der Vetter Hans ein komisch Wort

Und er bespottet's weidlich hier und dort:

 

»Der Herzog wendet an den Rechten sich!

Den Mann ums Weib zu bitten! Lächerlich.«

 

Das Lachen ward dem Herzog hinterbracht

Und Vetter Hans hat sich zu Tod gelacht.

XI

 

Der Ritter ohne Furcht und Tadel

Als in Pavia ich studierte, ward

Mir dort gezeigt der tapfre Held Bayard.

 

Der »Ritter ohne Furcht«, der nie geflohn,

Befehligte die welsche Garnison.

 

Nach längst verschollnen Moden trug er sich,

Er und sein Knappe schritten feierlich.

 

Die abgekommne Cortesie erhob

Er hoch und seufzt': »Das junge Volk ist grob!«

 

Entgegen hielt den Spiegel zücht'ger Zeit

Er unsrer heut'gen Ungebundenheit.

 

Zu Grabe werde, gab er zu verstehn,

Mit ihm der letzte wahre Ritter gehn.

 

Lang, hager, würdevoll, galant mit Fraun,

Dabei ein bißchen komisch anzuschaun,

 

Hob er den Zeigefinger, wann er schalt,

Als eine unvergleichliche Gestalt.

 

Man grüßte tief und raunte sich ins Ohr,

Der »Ritter ohne Tadel« sei ein Tor.

 

Doch, daß ich sein gespottet, reut mich schwer;

Denn, Hutten, bist du nicht ein Tor wie er?

 

Ins Abendgold hat er zurückgeschaut –

Dein Auge späht, wo kaum der Morgen graut.

 

Dein Ohr vernimmt durch Nebel und durch Nacht

Den Siegesjubel einer künft'gen Schlacht.

 

Wie Mittagsglut hast du den Strahl verspürt,

Der kaum der Berge Spitzen noch berührt.

 

Bayard sah das Entschwundene verschönt,

Bayard, den du mit manchem Witz verhöhnt!

 

Er war ein Narr der eignen Phantasie

Die Zukunft aber, Hutten, kennst du die?

 

Wer weiß, erlebst du noch die neue Welt,

Ob sie dem fränk'schen Edelblut gefällt!

 

Wer weiß, ob nicht das Ziel, drob du verscherzt

Der Erde Güter, ist's erreicht, dich schmerzt?

 

Bayard, der ohne Furcht und Tadel war,

Vergib! Reich mir die Hand! Wir sind ein Paar.

 

Wir sind ein fahrend Ritterpaar, Bayard,

Und taugen beide nicht zur Gegenwart.

XII

 

Romfahrt

Erwerben wollt ich fremder Muse Gunst,

Den edlen Kranz der alten Redekunst.

 

Latein gedrechselt hab ich manches Jahr

Und ein Latein, das schlank und zierlich war.

 

Nun blieb mir die Rotunde noch zu sehn,

Als Pilger auf das Kapitol zu gehn.

 

Am Wege traf ich manchen Lorbeerstrauch

Und Myrtenbusch und manchen Fladen auch.

 

Gewölk und schneid'ger Wind und Tannenduft

Bekommt mir besser als die welsche Luft.

 

Die Trümmer sah ich alter Römerpracht

Zur Festung dienen einer Priestermacht.

 

Entartet und verheuchelt sah ich da

Den Kopf des Claudiers und der Claudia.

 

Ich sah ein Weib, das mit sich handeln ließ,

Die man die »allgemeine Kirche« hieß.

 

Ich fand von feiler Schreiberschar entweiht

Die ciceronische Beredsamkeit.

 

Ich sah, wie man in dieser Pfaffenstadt

Uns ohne große Kunst zum Narren hat,

 

Sah unsrer Väter Glauben in der Hand

Ungläub'ger Priester als ein Gängelband.

 

Sag ich es kurz und klassisch, was ich sah

Am Tiberstrom? Cloaca maxima!

 

Mich freute Tempel nicht, noch Monument.

Mein Volk verachtet sehn! Das würgt und brennt!

 

Mir den Geschmack zu bilden hofft ich dort

Und bitter war der Mund mir immerfort.

 

Mir gor das Blut, die Galle regte sich,

Ich sprach: Jetzt, Hutten, schilt! sonst tötet's dich.

 

Vor Petri neuem Tempel höhnt ich laut:

Der Simon hat's mit unserm Geld gebaut!

 

Was soll die übermüt'ge Pfarre da

Mit Zinne, Portikus und Statua?

 

Wir wissen es, wer hier zu Miete saß:

Der unverschämten Hölle frechster Spaß!

 

Der Stier im Wappen sagt: Hie hat gehaust

Der Borgia Lust, davor's dem Teufel graust!

 

Der zehnte Leo nun verkauft den Geist,

Der über seinem roten Käppchen kreist!

 

Du malest, Raffael, zu seinem Glanz?

Freund! Mal ihm einen dreisten Totentanz,

 

Damit der Unfehlbare nicht vergißt,

Daß er, wie wir, ein armer Sünder ist.

 

Ich ging. Mit einem derben Kohlenstrich

Beschrieb des Vatikanes Mauer ich:

 

»In diesen tausend Kammern thront der Trug!

Ein Deutscher kam nach Rom und wurde klug.«

 

 

XIII
Die Ablaßbude

Und, sieh, da wälzte sich das Rad der Zeit,

Wir traten mit der welschen Macht in Streit.

 

Ich schrie: Ihr Männer, geht mir an die Hand:

Des Papstes Ablaßbude wird berannt!

 

Erkaufen Gold und Silber Seelenheil,

So steht es bald auf allen Märkten feil.

 

Die Ware wird von jung und alt gesucht

Und nur der arme Schlucker bleibt verflucht.

 

Die Tasche wende jeder! Ist sie leer,

So trete keck in unser Lager er!

 

Das rat ich dir, du heilsbedürft'ger Mann,

Der keinen Ablaßzettel lösen kann!

 

Wir greifen nach dem Himmel unverwehrt!

Uns wird die Seligkeit umsonst beschert!

 

Ich sprach ein rauhes Deutsch in Hast und Zorn,

Es dröhnte wie vom Turm das Wächterhorn.

 

Antwort erscholl wie Sturm und Meergebraus:

»Herr Hutten, fasset an und räumet aus!«

XIV

 

Lügengeister

Der Zaubrer Faust erschien am Hof zu Mainz,

Er liebt der Kardinäle Purpur, scheint's.

 

Verhangen ward ein Saal und blaß erhellt

Für die Besuche der Gespensterwelt.

 

Der Kurfürst setzte sich. Ihm stand ich links.

Der bleiche Magier harrte seines Winks.

 

Natürlich ging die erste Frage da

Nach der erlauschten Bübin Helena.

 

Er rief der Leda Kind. Es zeigte sich

Ein blanker Fuß und tanzte wunderlich.

 

Das leere Gaukelspiel, das mich verdroß,

Entzückte den vernarrten Pfaffentroß.

 

Was schiert die Metze mich? Herr Nekromant,

Seid Ihr mit edlern Toten nicht bekannt?

 

– »Wen fordert Ihr?« Den Kaiser Konstantin!

Er rief. Ein Purpurtragender erschien.

 

Ich frage Majestät, ob ihr gedenkt,

Daß sie dem Papst die ew'ge Stadt geschenkt?

 

»Ja«, nickte das Gespenst. Wie? Wo? und wann?

Ein Märchen ist's, das Eigennutz ersann!

 

Es ist Betrug und das beweis ich stramm

Mit scharfer Kunst, die nennt man Criticam.

 

Du bist ein Pfaffengeist! Zur Hölle fort!

Der Lügenkaiser schwand vor meinem Wort.

XV

 

Das Hütlein

Es war in Brüssel vor dem Ständehaus.

Die Sage ging: »Der Kaiser reitet aus!«

 

Noch hatt ich nie das junge Haupt geschaut,

Dem wir des Reiches höchstes Amt vertraut.

 

Ein edles Roß ist unsre Zeit. Es stampft.

Es wiehert mutig. Seine Nüster dampft.

 

Ob er die Zügel klug und kühn ergreift?

Ob er's bewältigt? Ob's ihn wirft und schleift?

 

Da wir Poeten abergläubisch sind,

Erdacht ich ein Orakel mir geschwind:

 

Für diesen Kaiser gelte fort und fort

Das erste seinem Mund entfallne Wort!

 

Er kam. Ein Hütlein trug er, meiner Treu,

Mit Reiherfedern, funkelnagelneu!

 

Der Himmel macht' ein mißvergnügt Gesicht,

Sich selber fragend: Regn ich oder nicht?

 

Jetzt klatschten Tropfen auf das Pflaster schwer,

Die junge Stirne legt' in Falten er

 

Und lugte sorgend zu den Wolken auf.

»Mein altes Hütlein!« rief er, »Kämmrer, lauf!«

 

Ich aber sprach zu mir: Das wird nicht gut!

Sein erster Ruf geht nach dem alten Hut.

XVI

 

Das Kindlein in Mainz

O Mainz, du lust'ger Sitz, du traute Stadt,

Die Huttens Feder oft belobet hat!

 

Der Mainzer Albrecht war mir redlich hold

Und bot mir manchen Trunk in purem Gold.

 

Er lauschte meinen kühnen Scherzen gern,

Ich nannt ihn meinen Freund und meinen Herrn.

 

Ich spottete vor seinem Ohre dreist,

Er zürnte nicht, er ist ein freier Geist;

 

Doch in der Stunde der Versuchung, ach,

Der Geist war willig und das Fleisch war schwach.

 

Ihm hielt ich Treue, bis er mich verstieß.

Wo lebt der Freund, den Hutten je verließ?

 

Die Kanzelei von Rom schrieb Brief um Brief,

Bis mich der Albrecht nicht mehr zu sich rief.

 

Geächtet wurde Luther und gebannt...

Ich lebte von der Faust und streift im Land.

 

Ein treuer Rüde, stahl ich wieder hin

Zum Mainzer mich und still umschlich ich ihn.

 

Ich blickt ihm ins Gemach; er saß beim Mahl,

Landfremden Pfaffen bot er den Pokal.

 

Gemunkel ging: mit Luther sei's vorbei,

Der eingetan und aufgehoben sei.

 

Die langen welschen Nasen nickten fein

Und freuten sich an ihren Schelmerein.

 

Er lächelte! Mir gab es einen Stich –

Mein Edelfalke, Gott behüte dich!

 

Ade, mein Albrecht, mein verlorner Hort!..

Ich schlich betrübt mich in die Krone fort,

 

Wo einst bei Becherklang ich manche Nacht

Mit witzigen Gesellen durchgelacht.

 

Hier setzt ich mich zu einem Kruge Bier,

Des Wirtes Kind gesellte sich zu mir.

 

Das Mägdlein, mein ich, stand im vierten Jahr,

Ich fuhr ihm durch das blonde Ringelhaar:

 

Sag mir dein Nachtgebetlein, wie du's weißt!

Das Kind hub an: »Gott Vater, Sohn und Geist,

 

Dein Name sei gelobt! Hüt uns vor drei:

Vor Wassernot und Brand und Kriegsgeschrei!«

 

Den Schiffern gnade Du in Nacht und Sturm!

Sei Bruder Martins Burg und fester Turm!

 

Umschleicht ihn mit dem Dolch ein Mörder wild,

So deck ihn, Herr, mit Deinem starken Schild!

 

Und leidet Dein Gerechter Hungersnot,

So schick ihm Du durch Deine Raben Brot!

 

Wer lehrte dich, mein Kindlein, dies Gebet?

– »Die Mutter heißt mich's beten früh und spät.«

 

Nun mein ich aber, daß kein Leid geschieht

Dem Mann, für den in Mainz ein Kindlein kniet.

XVII

 

Die Mainzerspieße

Sie machten mir ein Kämmerlein bereit,

Doch mied der Schlaf mich drinnen lange Zeit.

 

Ich hörte, wie das Pflaster dumpf erklang:

Die Mainzer Scharwach schritt mit schwerem Gang.

 

Mich heimelt's aus den alten Zeiten an,

Denn oft mit diesem Heer gedieh mir Span,

 

Wann nächtlich ich, vom Humpen übermocht,

Mit ihnen auf der Gasse klirrend focht.

 

Versuchte Männer sind's von Schluck und Hand,

Geworben rings in Hoch- und Niederland.

 

Ich lauscht im Finstern heiter und mir schien:

Die Spieße sangen etwas vor sich hin.

 

Ein alter Bierbaß sang gemütlich vor

Und zehen Bässe brummten nach im Chor:

 

»Das reine Wort sie sollen lassen stan

Und dafür keinen Dank noch Löhnung han.

 

Gerichtet ist der Fürste dieser Welt,

Uns tut er nichts, wie saur er auch sich stellt –«

 

Ich, von den Mainzerspießen auferbaut,

Sang mit in meiner dunkeln Kammer laut:

 

»Drum fürchten wir uns wahrlich nicht zu sehr,

Denn unser Gott ist eine starke Wehr.«

XVIII

 

Die Gebärde

's war in der Krone, daß mich einer fand,

Der mich in meinem ersten Flaum gekannt.

 

Der Ott von Gemmingen. Er drückte sich

Durch das Gelag und rückte neben mich.

 

»He da! Utz! Lieber Utz! Was ward aus dir?

Bist du am Hof von Mainz ein großes Tier?

 

Bist Doctor juris utriusque du?

Des Kaisers Schreiber oder Rat dazu?

 

Nein? Nun, was bist du denn? Des Hofgerichts?«

Ich aber sagte trocken: Ich bin nichts.

 

Jetzt mustert' er mein ausgedient Gewand,

Die hohlen Wangen auch, die magre Hand.

 

»Eins bist du: Siech! Das redet dein Gesicht!«

Ich glaubte mich geheilt und bin es nicht.

 

Da streckt' den Finger er und zog damit

Sich sauber um die Gurgel einen Schnitt.

 

Du rätst...? Er nickte. Drob hab ich gelacht.

Dann hab ich der Gebärde nachgedacht.

 

Unleidlich scheint dem frohen Kind der Welt

Dein Dasein, Hutten – drum verbrauch's als Held!

 

Wovor des kühnsten Mannes Busen zagt,

Das sei von dir in freier Lust gewagt!

XIX

 

Mißverständnis

Der Vater sprach zu mir mit leisem Hohn:

»Verstehst du's, bau mir eine Presse, Sohn!«

 

(Sie nennen Presse dort im Frankenland,

Was andern Ortes Kelter wird benannt.)

 

Sprach's und verritt. Ich ohne viel Geschrei

Berief die Meister schwarzer Kunst herbei.

 

Da ward gesetzt, gedruckt, gepreßt, gedreht,

Viel tausend Blätter flogen rings verweht.

 

Auf einem ward dem Cajetan gedroht:

»Schlagt, fromme Leute, den Legaten tot!«

 

Hier stand: »Und würd ich drüber Lands verjagt,

Ich Hutten breche durch, ich hab's gewagt!«

 

Und dort: »Die harsche Luft der Freiheit weht,

Ich Hutten sporn und stachle früh und spät.«

 

Das war ein heißer und ein zorn'ger Wein,

Den ich gepreßt am Steckelbergerrain.

XX

 

Jacta est alea

Nachdem ich meinen großen Wurf getan,

Da hub der Vater mich zu schelten an:

 

»Du trittst mit Rom in Fehde? Bist du toll?

Mich wundert's, Ulrich, wie das enden soll!

 

Poet war schlimm und klingt erbärmlich schon,

Doch Ketzer ist noch weit ein schlimmrer Ton!

 

Erlebt ich's nicht! Ein Sohn in Bann und Acht,

Der meinen grauen Haaren Schande macht!

 

So, Ulrich, mehrst du deines Stammes Glanz?

Jetzt gehst du halb zerlumpt, bald bist du's ganz!

 

Was kümmert dich, ob unser Haus zerfällt?

Was kümmert irgend noch dich auf der Welt?

 

Wenn nur in Holzschnitt du und Kupferstich

Den Lorbeer trägst – was anders kümmert dich?

 

Du lächelst? Du verziehst den Mund zum Scherz?

Ich wußt es nicht: du hast ein schlechtes Herz.«

 

Der Vater sprach's und blickte finster drein,

Mit Tränen bat das fromme Mütterlein:

 

»Mein süßer Ulrich, laß das böse Spiel!«

Ich gab zur Antwort: Nein! Der Würfel fiel.

 

Mein Mütterlein, behalt mich lieb und gern!

Bleib du mir milde wie der Abendstern!

 

Du kränkst mich, Vater, nicht, so herb du bist!

Hier schlägt ein Herz, das guter Meinung ist.

 

Beleidigt dich mein abgebraucht Gewand,

So laß mich treten aus des Hauses Band!

 

Ich sei ein Fremdling dir! Du bleibst in Ruh,

Mein Gut, du teilst es meinen Brüdern zu.

 

Und ärgre, Vater, dich am Lorbeer nicht,

Der nur im Bildnis mir die Stirn umflicht!

 

Ich selber trage sonder Prunk und Glanz

Im Leben einen schlichten Dornenkranz.

 

Wozu der Lorbeer? Das hat keinen Sinn.

Ein jeder weiß, daß ich der Hutten bin,

 

Den weder Zeit noch Tod noch Acht noch Bann

Vom Herzen seines Volkes scheiden kann!

 

Burg Steckelberg, die von der Höhe schaut,

Von Frankens schönen Hügeln rings umblaut,

 

Die Brücke nieder! öffne mir dein Tor!

Ich reit aus dir zum letztenmal hervor.

 

Blas, Türmer, blas mir noch ein tapfer Stück!

Ich fahr in Kampf und kehre nicht zurück.

XXI

 

Der Edelstein

Als ich gen Zürich ritt im Abendschein,

Da rief ich aus: »Du schmucker Edelstein!«

 

Bei Meister Zwingli lebte man nicht schlecht,

Er deckte mir den Tisch mit einem Hecht.

 

Den hab ich auf der Brücke dann verdaut,

Lustwandelnd nahes Schneegebirg geschaut –

 

Da sah ich einen unterm Volke gehn,

Von dessen Hute Geierfedern wehn.

 

Dem bog ich fluchend aus dem Wege schnell,

Denn Herzog Ulrich war's, der Mordgesell!

 

O blaue Flut, o freier Bergeshauch,

Gibst ein Asyl du dem Tyrannen auch?

XXII

 

Der Komtur

Als ich entlang das helle Seegestad

Nach Pfäffers ritt ins heiße Felsenbad,

 

Wo man in Unterwelt und Wellenguß

An schwankem Seile niederschweben muß,

 

Wo keck zur Hölle fahren Mann und Weib

Und wiederkehren mit geheiltem Leib –

 

Fand ich in Küsnach gastlich Nachtquartier

Und scherzend sagte der Komtur zu mir:

 

»Braucht Ihr Moneten? Tuet nicht verschämt!

Der Pächter brachte zwanzig Gulden. Nehmt!

 

Werft keinen nieder! Hier ist's unerlaubt. Nehmt!

Und Ihr habet bloß den Staat beraubt!

 

Mein teurer Ritter, nehmet ungeziert!

Wir werden morgen säkularisiert

 

Und lieber als dem Staat, der alles frißt,

Gönn Euch ich's, der ein Mensch und Würfler ist.«

 

Ich strich es ein und schwang mich in den Sitz

Und lachte: Herr Komtur, Ihr habet Witz.

 

Und weiter oben, wo sich biegt der See

Und nah und näher tritt der ew'ge Schnee,

 

Bespiegelt' in der Flut ein Eiland sich,

Daran ich leichten Sinns vorüberstrich.

 

Ich ließ es rechts im flücht'gen Wellenspiel

Und ahnte nicht mein letztes Wanderziel.

 

 

Einsamkeit

 

XXIII
Die Flut

In meine Kammer blickt das blaue Licht

Der nahen Flut. Ich widerstehe nicht.

 

Die Mittagssonne rüstet mir das Bad,

Ich schleiche mich verstohlen ans Gestad.

 

Ich hab es eilig. Wär mein Pfleger hier,

Mich hieß' er Waghals und verwehrt' es mir.

 

Zum Strande nieder führt mich diese Schlucht

Und krause Wellchen plätschern in der Bucht.

 

Hinaus! Hinaus! Du abgrundkühle Flut,

Wie tust du meinem heißen Herzen gut.

 

Mit blauen Bannern ziehst du weit heran

Und immer neue Heere seh ich nahn.

 

Die Reihen schlagen mit gelindem Prall

Mir an die Brust und brechen sich am Wall.

 

Noch lob ich meiner Arme Schwung und Zug –

Nur etwas sachter – eben Kraft genug.

 

Die Kunst des Knaben hab ich nicht verlernt,

Doch sind die Ufer weiter hier entfernt.

 

Ich schlug als Kind in übermüt'ger Lust

Den sanften Main und trat ihn auf die Brust.

 

Da hab ich unter mir zu sehn geglaubt

Ein schilfbekränztes, göttlich mildes Haupt.

 

Es war mir immer nur zu nah das Land,

Mich warf der Flußgott scherzend auf den Sand.

 

Was einst des Knaben Spiel und Freude war,

Wird nun dem Mann zur Arbeit und Gefahr.

 

Er weiß es, wenn er ringt und wenn er strebt,

Daß er auf einer Todestiefe schwebt!

XXIV

 

Was die Glocken sagen

Heut geht am See ein endlos Glockenspiel,

Mir scheint, die taufen und begraben viel.

 

Wann Menschenblut in neuen Adern kreist,

Erneuert sich der träge Menschengeist.

 

Das Glöcklein sagt, das dort so kläglich schallt:

Ein Päpstler steigt ins Grab vergilbt und alt.

 

Das Glöcklein sagt, das hier so lustig schellt:

Es kam ein kleiner Protestant zur Welt.

XXV

 

Astrologie

Ihr lieben Sterne tröstet allezeit,

Wer dächte, daß ihr arge Zwingherrn seid!

 

Ihr seid's! Als sich die Erde mir erhellt,

Ward mir ein widrig Horoskop gestellt.

 

Weil, als ich kam, der Widder just geglüht,

Bin ich von unverträglichem Gemüt.

 

Ein flackernd Himmelsirrlicht trägt die Schuld

An meiner Wanderlust und Ungeduld.

 

Gewissen, lasse fürder mich in Ruh!

Den Sternen schreib ich meine Sünden zu.

 

Doch überleg es, Hutten! Dreimal nein!

Ein Sklave willst du nie gewesen sein.

 

Du bist ein Feind von jeder Tyrannei

Und deine Sünden auch begingst du frei!

XXVI

 

Homo sum

Ich halte Leib und Geist in strenger Zucht

Und werde doch vom Teufel scharf versucht.

 

Ich möchte meiner Seele Seligkeit

Und bin mit Petri Schlüsselamt im Streit.

 

Am Tisch der Fugger speist ich dort und hie

Und schimpfe weidlich Pfeffersäcke sie.

 

Den Städterhochmut haßt ich allezeit

Und hätte gern ein städtisch Kind gefreit.

 

Auf ehrenfeste Sitten geb ich viel

Und fröne dem verdammten Würfelspiel.

 

Ich bin des Kaisers treuster Untertan

Und riet dem Sickingen Empörung an.

 

Das plumpe Recht der Faust ist mir verhaßt

Und selber hab ich wohl am Weg gepaßt.

 

Ich bete christlich, daß es Friede sei,

Und mich ergötzen Krieg und Kriegsgeschrei.

 

Der Heiland weidet alle Völker gleich –

Nur meinen Deutschen gönn ich Ruhm und Reich!

 

Das heißt: ich bin kein ausgeklügelt Buch,

Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.

XXVII

 

Ariost

Die Feder leg ich weg. Heut ist ein Tag,

Da keine Zeile mir geraten mag!

 

Wie wend ich ab der Langenweile Fluch?

Ein Buch, Herr Pfarrer! Ein ergötzlich Buch!

 

– »Zu Dienst, Herr Ritter! Wenn Ihr Welsch versteht?«

Ich konnt es einst und meine noch, es geht.

 

Woher das Buch? – »Ein welscher Architekt

Las drinnen hier und hat's nicht eingesteckt.«

 

Roland in Furie. Verse, welscher Gauch?

Nun, Verse machen kann der Hutten auch.

 

Nur keinen Schwulst, mein Dichter, keinen Frost!

Dein Name lautet? Ludwig Ariost.

 

Mir unbekannt. Dein Erstling, junges Blut?

Respekt! Ich bin ein Alter! Zieh den Hut!

 

Du hoffst, daß ich dich lese? Wahn! mein Kind.

Ich sause durch die Blätter, wie der Wind.

 

Verwunschene Prinzessin – Drachenbrut –

Das tolle Zeug ist für die Kinder gut.

 

Was soll uns noch die bunte Wunderzeit?

Wir fußen jetzt in harter Wirklichkeit.

 

Ein frisches Bild! Nun ja – ein feiner Spruch!

Ei Zauber! Üppig Grün entsprießt dem Buch!

 

Da setzen zwei Verliebte sich hinein,

Das Blatt gewendet und sie sind allein.

 

Es kracht! Ein Ritterpaar, das Lanzen bricht!

Die Splitter fliegen auf zum Sonnenlicht

 

Und fallen nieder, schwärzlich angebrannt,

Auf die Behelmten, die sich umgerannt.

 

Hanswurst, gemach! Das lohn der Teufel dir!

Verspottest du das löbliche Turnier?

 

Wes Geistes Kind? Laß sehen! Blättre, Hand!

Ein Feldgeschütz erobert Held Roland

 

Und flucht der Kugel und dem Pulverknall,

Als wären sie des Rittertums Verfall –

 

Der Sickingen erfuhr's, den, ach, ein scharf

Gezielter Schuß zum Sterben niederwarf!

 

Gewiß, viel änderte der Pulverblitz!

Und hier – das ist ein kapitaler Witz –

 

Hier läuft ein Kerl und schwingt die Halebard,

Der's nicht bemerkt, daß er getötet ward!

 

Bei meinem Bart! Das Bild der alten Zeit,

Die noch die Waffe führt und schilt und schreit,

 

Den jungen Tag bekämpft mit Trutz und List

Und nicht bemerkt, daß sie verstorben ist!

 

Ich wittre, Welscher, deinen Schlich und Brauch,

Des Witzes scharfen Bolzen schoß ich auch:

 

Aus wunderbaren Mären seh ich braun

Und lachend eines Schalkes Augen schaun.

 

Vor einer Fabelwelt verbeugst du dich

Und grüßest hübsch – und machst sie lächerlich.

 

Was ich befehdet mit des Herzens Kraft,

Zerstörst du mit des Scherzes Meisterschaft.

 

Ich reich dir über das Gebirg die Hand,

Mein Meister Ludowig im welschen Land!

 

In deines Maskenscherzes Fröhlichkeit

Bist du, wie ich, ein echtes Kind der Zeit.

XXVIII

 

Bin ich ein Dichter?

Das Lied des Welschen wandelt voller Glanz,

Es schwebt wie Musenschritt und Grazientanz.

 

Der Reim des Welschen hat ein hell Geläut –

Ob ich ein Dichter bin? Das plagt mich heut.

 

Du zweifelst, Hutten? Hat dich eines Tags

In Augsburg nicht gekrönt der Kaiser Max?

 

Das gilt!... Auch neben diesem welschen Lied?

Wär ich am Ende bloß ein Verseschmied?

 

Ich bin ein Verseschmied! So nenn ich mich!

Am Feuer meines Zornes schmiedet ich

 

Rüstung und Waffen zu des Tags Bedarf

Und wahrlich, meine Schwerter schneiden scharf!

XXIX

 

Der letzte Humpen

Herr Konrad der Komtur vergaß mich nicht

Und seine Sendung lacht wie Sonnenlicht.

 

Sie ist, ob auch in schlichtes Stroh gehüllt,

Bis oben an den Rand mit Geist gefüllt.

 

Statt eines Briefs hat der Bequeme mir

Geschickt das Fläschchen Rüdesheimer hier.

 

Dank! Einmal solche würz'ge Labe noch!

Ihr Gutes hat die Pfaffengasse doch.

 

Der Arzt verordnet mir den Wasserstrahl,

Wohlan, ich zeche heue zum letztenmal!

 

Nicht brauch ich dich zu schwenken, du bist rein,

Du kommst vom Brunnen, hölzern Becherlein!

 

Herr Rüdesheim, was gibt's am Rhein? Wie geht's

Der Klerisei von Mainz? Sie durstet stets?

 

Erlaucht, auf Schweizerboden keinen Stolz!

Bequemet Euch in dies Gefäß von Holz!

 

Lab ich allein mich aus dem Zauberquell

Liege nirgend hier im Gras ein Zechgesell?

 

Allein zu trinken ist mir schwer verhaßt,

Ein Mönchlein selber wär mir recht als Gast.

 

Ein Mönchlein! Wäre nur der Luther hier,

Mit Feuerzungen sprächen beide wir!

 

Ihn trat der Frundsberg auf der Dornenbahn

Zu Worms mit einem vollen Humpen an

 

Und sprach ihm zu: »Mach dir die Kehle naß!

Dann rede frisch! in vino veritas.«

 

Im Weine Wahrheit! Doch auch du bist hie,

Anmut'ge Lüge, Traum und Poesie!

 

Aus meinem Becher steigt ein Reigen klar

Und lächelnd grüßt mich eine Geisterschar.

 

Voraus die ewig junge Lebenslust,

Sie legt den Lockenkopf mir an die Brust

 

Und schaut zu mir mit hellen Augen auf:

»Du wirst genesen, Hutten! Zähle drauf!«

 

Und hier die Blasse mit dem süßen Schein

Der trauten Blicke muß die Liebe sein!

 

Sie flüstert das beseligende Wort:

»Noch hüte, Hutten, ich dir einen Hort!«

 

Mit beiden Armen winkt sie Heil mir zu:

»Es ist die Schönste, Hutten! Traue du!«

 

Und der Poet in meinem Herzen singe,

Von holder Erdefreuden Chor umringe,

 

In tausend Melodieen ein Getön:

O Erde, du bist lustig, du bist schön!...

 

Verbleiche, Reigen! Sinnentanz, erlisch!

Herr Reformator Hutten, auf vom Tisch!

 

Des Weines Hälfte blieb, die heb ich auf

Dem Freunde, kehrt er müd vom Arzteslauf.

 

Drei Züge noch, das ist die heil'ge Zahl!

Drei Sprüche noch und sonder lange Wahl!

 

Den ersten Trunk dem heil'gen röm'schen Reich!

Möcht es ein weltlich deutsches sein zugleich!

 

Den zweiten meinem Kaiser! Möcht er sein,

Der fünfte Karl, so echt, wie dieser Wein!

 

Den dritten bring ich jedem auf der Welt,

Der sich und seinen Becher wacker hält!

 

 

XXX
Der Uli

Gelassen schreitet dort im Ackerfeld

Ein rüst'ger Mann, der späte Saat bestellt.

 

Schön ist ein jedes Werk das Jahr entlang,

Am liebsten doch ist mir des Säers Gang...

 

Mein wackrer Albrecht Dürer, mal mir heue

Den lieben Heiland, wie er Körner streut,

 

Mit einem deutschen Himmel frisch und klar

Und deutscher Landschaft – für den Fronaltar...

 

Als ich mit Zwingli jüngst am Mahle saß,

Erzählt' er etwas, das ich nicht vergaß.

 

Er sprach: »Das wilde Tal, das mich gebar,

Bringt weder Wein noch Frucht im wärmsten Jahr.

 

So kam's, daß ich gelebt der Jahre zehn,

Bevor ich Egge, Pflug und Saat gesehn.

 

Da nahm der Vater mich zu Tale mit,

Die Säer drunten zählten Schritt um Schritt

 

Und streuten edeln Wurfs, geheimen Winks

Die wundersamen Körner rechts und links.

 

Ich schaute die Gebärden allesamt,

Streng und gemessen, wie beim heil'gen Amt,

 

Und endlich frug ich mit erstauntem Wort:

›Vater! Was tun die Männer Frommes dort?‹

 

Er lachte. ›Solches sahst du nie zu Haus!

Sie streun das Brot des lieben Gottes aus.

 

Was ist dir, Uli? Weinst du? Schäme dich!‹

›Ei, Vater, es ist gar so feierlich.‹«

XXXI

 

Die deutsche Bibel

Ein frommer Tag, da ich, gestreckt ins Gras,

Die »Schrift, verdeutscht durch Martin Luther« las.

 

Gern hör ich deiner Sprache, Luther, zu

Wer braucht das Wort gewaltiger als du?

 

Auf einer grün umwachsnen Burg versteckt,

Hast du die Bibel und das Deutsch entdeckt.

 

Ich las und alte Mär aus Morgenland

In Fleisch und Blut verwandelt vor mir stand.

 

Den Heiland hör ich, der mich traulich lehrt,

Aus einem Fischerboot mir zugekehrt.

 

Und plaudert' hier am Brunn im Schattenraum

Mit einem Weiblein er, mich wundert's kaum.

 

Vielleicht dortüben wandelt am Gestad

Durchs hohe Korn er auf verdecktem Pfad...

 

Der Rittersmann, der Knecht im Bauerkleid

Vernimmt von ihm den Weg zur Seligkeit –

 

Auch seine Henker tragen deutsche Tracht,

Zu Köln wird er im Dornenkranz verlacht

 

Und spottend geht an seinem Kreuz vorbei

Ein Chorherr aus der Mainzerklerisei...

 

Leer steht das Holz. Ein Zettel flattert dran

Mit got'scher Schrift. Es hebt die Predigt an.

 

Die Feuerzungen wehn. Fest Pfingsten flammt.

Martinus tritt in das Apostelamt.

 

Der Sturm erbraust und jede Sprache tönt –

Wie tief das Erz der deutschen Zunge dröhnt!

XXXII

 

Luther

Je schwerer sich ein Erdensohn befreit,

Je mächt'ger rührt er unsre Menschlichkeit.

 

Der selber ich der Zelle früh entsprang,

Mir graut, wie lang der Luther drinnen rang!

 

Er trug in seiner Brust den Kampf verhüllt,

Der jetzt der Erde halben Kreis erfüllt.

 

Er brach in Todesnot den Klosterbann –

Das Große tut, nur wer nicht anders kann!

 

Er fühlt der Zeiten ungeheuren Bruch

Und fest umklammert er sein Bibelbuch.

 

In seiner Seele kämpft, was wird und war,

Ein keuchend hart verschlungen Ringerpaar.

 

Sein Geist ist zweier Zeiten Schlachtgebiet –

Mich wundert's nicht, daß er Dämonen sieht!

XXXIII

 

Die Vorrede

Heut übermochte mich – seit langer Zeit

Zum erstenmal – ein Sturm von Lustigkeit.

 

Ich lag im Gras. Da blitzt' mir durch den Sinn,

Wie mit dem Papst ich umgesprungen bin.

 

Unbändig lacht ich in der grünen Saat

Und freute mich der frechen Jugendtat.

 

In einer Widmung und Praefatio

Schrieb ich an unsern Heil'gen Vater so:

 

»Die dir im Amt vorangegangen sind,

Die taugten nichts. Das weiß ein jedes Kind.

 

Sie fälschten, stahlen, raubten allezeit

Ein beßrer Mensch ist deine Heiligkeit.

 

Sie waren Schelme. Meinst du nicht? Verglich'

Ich dich mit ihnen, es betrübte dich!

 

Du billigst meine Rede, weiß ich schon,

Doch gib es, bitt ich, schriftlich deinem Sohn!

 

Verkünd es aller Christenheit und gib

Ein Breve: ›Ulrich Hutten ist mir lieb!‹«

 

Ich muß es mir bekennen dann und wann:

Nicht völlig ungerecht bin ich im Bann.

XXXIV

 

Erasmus

Frau Schwermut setzt sich heute neben mich

Und raunt mir zu: »Die Menschen lassen dich.

 

Du bist ein halbzertrümmert Kriegsgerät,

An dem man achtungslos vorübergeht.

 

Die Freunde wenden sich von dir mit Scheu,

Nur deine Feinde bleiben dir getreu.

 

Du warst zu kühn, und schreckst du dich erbleicht,

So wird es dir und wird den andern leicht«...

 

Der Schiffer kommt. Freund! Was ist dein Gesuch?

– »Hier, Ritter, bring ich etwas wie ein Buch.«

 

Versiegelt ist's. Von wem? Ich weiß es nicht.

Die Hand, sie zaudert, die das Siegel bricht.

 

Schickt, Büchlein, dich ein Freund, mich zu erfreun?

Ein Feind, mir alte Wunden zu erneun?

 

Ich, sonst so kampfgewöhnt und wetterhart,

Auf dieser stillen Insel werd ich zart,

 

Und dessen Hand so rasch zum Schwerte fuhr,

Friedselig werd ich hier wie die Natur.

 

Wie? Hutten zagt? Enthieltst du Gottes Spruch

Und Urtel selbst, ans Licht, verhülltes Buch!

 

»Erasmus gegen Hutten.