Und doch war es erforderlich, dass es gesagt würde. Das Wort wurde erwartet, es ist auf das trefflichste gewählt worden, Sie haben gesehen, wie es angekommen ist. Ich für mein Teil habe ihm meinen uneingeschränkten Beifall bezeugt.«

»Ihr Freund, Monsieur de Vaugoubert*, der die Annäherung seit Jahren vorbereitete, muss zufrieden gewesen sein.« – »Umso mehr, als Seine Majestät, die mit der Sache wohlvertraut ist, es sich hatte angelegen sein lassen, ihm damit eine Überraschung zu bereiten. Diese Überraschung ist zudem vollständig gewesen für alle, angefangen beim Außenminister, der sie, wie man mir gesagt hat, nicht nach seinem Geschmack gefunden hat. Zu jemandem, mit dem er darüber sprach, habe er sehr deutlich, laut genug, um von den Näherstehenden gehört zu werden, gesagt: ›Ich bin weder hinzugezogen worden noch in Kenntnis gesetzt‹, womit er unmissverständlich verdeutlichte, dass er jegliche Verantwortung für das Ereignis von sich weise. Man muss zugeben, dass das ein schönes Aufsehen erregt hat, und ich würde nicht wagen zu behaupten«, fügte er mit maliziösem Lächeln hinzu, »dass diejenigen meiner Kollegen, denen das oberste Gesetz das des geringsten Widerstandes ist, dadurch nicht in ihrer Ruhe belästigt worden wären. Hinsichtlich Vaugouberts wissen Sie ja, dass er heftig wegen seiner Politik der Aussöhnung mit Frankreich angegriffen worden ist, und er hat umso mehr darunter leiden müssen, als er eine empfindsame, eine einzigartige Person ist. Ich kann dies umso besser bezeugen, als ich, wenn er auch um vieles jünger ist als ich, viel Umgang mit ihm hatte, wir sind Freunde von alters her, und ich kenne ihn gut. [49] Zudem, wer würde ihn nicht kennen?, das ist eine Seele aus Kristall. Das ist auch der einzige Fehler, den man ihm vorhalten könnte, es ist nicht nötig, dass das Herz eines Diplomaten so durchsichtig ist wie das seinige. Das steht jedoch nicht dagegen, dass davon die Rede ist, ihn nach Rom zu entsenden, was ein hübscher Aufstieg wäre, aber auch ein ziemlich harter Brocken. Unter uns gesagt glaube ich, dass Vaugoubert, so fern ihm Ehrgeiz auch liegen mag, durchaus erfreut wäre und keineswegs verlangen würde, dass man diesen Kelch von ihm nehme. Er wird da unten womöglich Wunder vollbringen; er ist der Kandidat der Consulta*, und ich für mein Teil, ich kann mir ihn, der so künstlerisch veranlagt ist, gut im Rahmen des Palazzo Farnese und der Galleria der Carraccis* vorstellen. Es scheint, dass zumindest niemand ihn hassen können dürfte; aber es gibt um König Theodosius eine ganze Camarilla*, die mehr oder weniger auf die Wilhelmstraße* eingeschworen ist, deren Einflüsterungen sie willig folgt und die auf alle nur denkbaren Weisen versucht hat, ihm auf die Hacken zu treten. Vaugoubert hat sich nicht nur den Vorzimmerintrigen stellen müssen, sondern auch den Verleumdungen angeheuerter Pressbengels*, die dann später, feige wie alle gedungenen Journalisten, die ersten waren, den Aman zu erflehen*, aber in der Zwischenzeit nicht davor zurückschreckten, sich lächerliche Anschuldigungen zwielichtiger Existenzen gegen unseren diplomatischen Vertreter zunutze zu machen. Mehr als einen Monat lang tanzten die Feinde Vaugouberts um ihn den Tanz des Skalps«, sagte Monsieur de Norpois und stieß dabei kraftvoll das letzte Wort heraus. »Aber wer einmal gewarnt ist, ist zweimal vorsichtig; diese Verunglimpfungen hat er ihnen in den Hals zurückgestoßen«, fügte er noch energischer hinzu, und mit einem so mörderischen Blick, dass wir einen Augenblick aufhörten zu essen. »Wie sagt doch ein schönes arabisches Sprichwort: ›Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.‹« Nachdem er dieses [50] Zitat hingeworfen hatte, hielt Monsieur de Norpois inne, um uns zu betrachten und die Wirkung abzuschätzen, die es auf uns gemacht hatte. Sie war groß; das Sprichwort war uns bekannt: es hatte in diesem Jahr bei Männern von Stand jenes andere abgelöst: »Wer Wind sät, wird Sturm ernten«, das etwas Ruhe brauchte, da es nicht so belastungsfähig und langlebig war wie: »Für den König von Preußen schuften.«* Denn die Kultur dieser bedeutenden Leute war eine Fruchtwechselkultur, und im allgemeinen im dreijährigen Turnus. Freilich waren Zitate von diesem Schlage, mit deren Gepränge Monsieur de Norpois seine Artikel in der Revue zu verzieren verstand wie kein anderer, ganz und gar nicht nötig, damit diese einen glaubwürdigen und gutinformierten Eindruck machten. Selbst des Zierats entblößt, mit dem er sie ausstattete, genügte es, dass Monsieur de Norpois im richtigen Augenblick schrieb – was zu tun er auch nicht versäumte –, »das Kabinett von Saint-James* war nicht das letzte, die Gefahr zu wittern« oder auch »die Erregung war groß an der Sängerbrücke*, wo man mit beunruhigtem Auge die selbstsüchtige, aber geschickte Politik der doppelköpfigen Monarchie beobachtete«, oder »ein Alarmruf löste sich vom Montecitorio*«, oder auch »jenes nimmer endende doppelte Spiel, das so ganz zu den Gepflogenheiten am Ballplatz passt«.* Bereits bei diesen Formulierungen hatte der lesende Laie den Karrierediplomaten wiedererkannt und freudig begrüßt. Aber was zu der Meinung geführt hatte, er sei mehr als das, er sei von beeindruckender Kultiviertheit, das war der abgewogene Einsatz von Zitaten gewesen, als dessen vollendetstes Muster lange Zeit galt: »›Macht mir eine gute Politik und ich mache euch gute Finanzen‹, wie Baron Louis* zu sagen pflegte.« (Man hatte noch nicht aus dem Osten importiert: »›Der Sieg gehört demjenigen von zwei Gegnern, der eine Viertelstunde länger auszuhalten vermag‹, wie die Japaner sagen.«) Dieser Ruf eines großartig Belesenen in [51] Verbindung mit einem wahrhaften Genius für Intrigen, der sich unter der Maske der Gleichgültigkeit verbarg, hatte Monsieur de Norpois die Aufnahme in die Akademie der Moralischen Wissenschaften eingebracht. Und manche dachten, dass er sogar an der Académie Française nicht fehl am Platz wäre, seit er, um klarzumachen, dass wir gerade durch eine engere Allianz mit Russland zu einer Verständigung mit England kommen würden, nicht gezögert hatte zu schreiben: »Auf dass man es am Quai d’Orsay zur Kenntnis nehme, auf dass man es fortan in alle Geographiebücher, die sich in diesem Punkt noch als unvollständig erweisen, hineinschreibe, auf dass man gnadenlos jedem Kandidaten die Zulassung zur Reifeprüfung verweigere, der nicht zu sagen weiß: ›Wohl führen alle Wege nach Rom, doch die Straße von Paris nach London verläuft unausweichlich über Petersburg.‹«

»Um zusammenzufassen«, fuhr Monsieur de Norpois an meinen Vater gerichtet fort, »Vaugoubert hat sich da einen schönen Erfolg errungen und der sogar den noch übersteigt, den er erhofft hatte. Tatsächlich hatte er sich auf eine Grußadresse im Rahmen der Gepflogenheiten gefasst gemacht (was nach den Schlechtwetterwolken der letzten Jahre schon durchaus schön gewesen wäre), aber auf mehr auch nicht. Mehrere Personen, die zum Kreis der Anwesenden zählten, haben mir versichert, dass man sich durch bloße Lektüre der Grußadresse kein Bild von der Wirkung machen könne, die sie hinterlassen habe, so ausgezeichnet vom König formuliert und pointiert, der ein Meister der Vortragskunst ist und der ganz nebenher die Absichten, die Feinheiten hervorhob. Ich habe mir in dieser Angelegenheit eine ganz reizende Einzelheit berichten lassen und die abermals diese schöne jugendliche Huld des Königs Theodosius hervorhebt, die ihm so trefflich die Herzen gewinnt. Man hat mir versichert, dass Seine Majestät, die die Freude unseres Botschafters voraussah, der darin die verdiente Krönung [52] seiner Bemühungen erblicken musste, man könnte schon sagen, seines Traumes, und, kurz gesagt, seinen Marschallstab, gerade bei dem Wort ›Wahlverwandtschaften‹, das letztlich die große Neuigkeit der Rede war und das, wie Sie sehen werden, noch lange die Stellungnahmen der Staatskanzleien beherrschen wird, sich halb zu Vaugoubert hinwandte und, ihn in diesen so prägnanten Blick der Oettinger* fassend, dieses so wohlgewählte Wort ›Wahlverwandtschaften‹, dieses Wort, das ein wahres Fundstück darstellte, in einem Ton verlautbarte, der für alle klarstellte, dass es mit voller Absicht und in völligem Bewusstsein seiner Folgen verwendet wurde. Es scheint, dass es Vaugoubert nicht leichtfiel, seine Bewegung zu bemeistern, und in gewissem Maße, muss ich bekennen, verstehe ich ihn. Eine ganz und gar glaubwürdige Person hat mir anvertraut, dass der König, als er nach dem Diner Cercle hielt, zu Vaugoubert getreten sei und halblaut zu ihm gesagt habe: ›Sind Sie zufrieden mit Ihrem Schüler, mein lieber Marquis?‹ Es ist gewiss«, schloss Monsieur de Norpois, »dass eine derartige Grußadresse mehr dazu beigetragen hat als zwanzig Jahre Verhandlungen, die ›Wahlverwandtschaften‹, in dem bildhaften Ausdruck von Theodosius II., zwischen den beiden Ländern fester zu knüpfen. Es ist nur ein Wort, wenn Sie so wollen, aber schauen Sie, wie es sein Glück gemacht hat, wie die ganze europäische Presse es wiederholt, welche Aufmerksamkeit es erregt hat, welch neuen Ton es hat erklingen lassen. Es liegt übrigens ganz auf der Linie des Herrschers. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass er alle Tage reine Juwelen wie dieses finde. Doch nur selten geschieht es, dass er nicht seinen ausgefeilten Reden, und mehr noch den Eingebungen der Konversation, durch dieses oder jenes treffende Wort sein Profil verleiht – ich würde fast sagen, sein Siegel aufdrückt. Ich bin im übrigen der Parteilichkeit in dieser Sache umso weniger verdächtig, als ich ein Feind [53] aller Neuerungen dieser Art bin. In neunzehn Fällen von zwanzig sind sie gefährlich.«

»Ja, ich habe mir schon gedacht, dass die Depesche* kürzlich vom deutschen Kaiser kaum nach Ihrem Geschmack gewesen sein dürfte«, sagte mein Vater. Monsieur de Norpois verdrehte die Augen zum Himmel wie um zu sagen: Ach, der! »Zuvörderst ist es ein Akt der Undankbarkeit. Es ist schlimmer als ein Verbrechen, es ist ein Fehler und eine Dummheit*, die ich als pyramidal einstufen möchte! Fernerhin, wenn niemand dem Mann, der Bismarck davongejagt hat und durchaus imstande ist, nach und nach die ganze Bismarcksche Politik zurückzunehmen, Einhalt gebietet, dann ist das der Sprung ins Ungewisse.«

»Und mein Mann hat mir gesagt, mein Herr, dass Sie ihn vielleicht in einem der nächsten Sommer nach Spanien entführen wollen, das würde mich sehr für ihn freuen.« – »Aber ja, das ist ein ausgesprochen reizvolles Vorhaben, dem ich freudig entgegensehe. Es wäre mir ein großes Vergnügen, diese Reise mit Ihnen, mein Lieber, zu machen.