Sie aber werden noch immer hier hocken, während ich längst wieder in Maine bin, wo ich dasselbe mache, was Sie hier tun und obendrein noch wie ein Mensch lebe.«
»Höre ich recht? Begönnern Sie tatsächlich jeden, der gerne im nördlichen New Jersey lebt und seinen Stolz dareinsetzt, hier ganze Arbeit zu leisten?«
»In gewisser Hinsicht, ja«, antwortete Hawkeye. »Ode* sagen wie einfach, ich bin dort glücklicher. Himmelherrgott, diese spießige Wohnsiedlung, in die mich jemand gepfercht hat, ist eine Zumutung. Der ganze Kasten stinkt, als hätte einer eine Ziege samt Fell und Innereien gekocht. Da ist mir jede windschiefe Hütte in Maine samt Senkgrube immer noch lieber.«
Jimmy Gargan trank seinen Kaffee und dachte kurz nach, ehe er sagte: »Übrigens soll ich Ihnen vom Chefchirurgen bestellen, daß er es nicht schätzt, ›Dad‹ genannt zu werden.«
»Ja, wer ist denn der Chefchirurg? Ich dachte, Sie sind es.«
»Dr. Rizzo ist der Primarius, wie Sie ganz bestimmt wissen.«
»Welcher dicke Makkaroni ist denn das?«
»Man darf Ihre Bemerkungen anscheinend wirklich nicht auf die Goldwaage legen. Wie dem auch sei, ich hab das Gefühl, wir werden mitsammen auskommen.«
Zwischen Jimmy Gargan und Hawkeye Pierce entstand niemals eine Freundschaft, aber sie schätzten einander. Maxie Neville, der alle zwei Wochen als Konsilarius nach East Orange kam, war von Hawkeye angenehm überrascht.
In den Jahren 1954 und 55, als Hawkeye in East Orange arbeitete, war die Thoraxchirurgie noch eine sehr junge Wissenschaft. 1933 war die erste Lunge erfolgreich von Evarts Graham und J. J. Singer entfernt worden. Nach dieser Pioniertat spezialisierte sich eine Handvoll junger Ärzte auf die Thoraxchirurgie. 1955 waren diese Männer bereits Fünfziger und, obwohl noch nicht alt, immerhin Patriarchen auf einem Gebiet, das erst 1948 als eigenständiges Fach von der Ärztekammer anerkannt worden war. Diese Patriarchen, zu denen auch Maxie Neville zählte, prüften den Nachwuchs ihres Vereins mit äußerster Sorgfalt und regierten ihr Fach mit der Selbstherrlichkeit von Häuptlingen der Cosa Nostra.
Maxie Neville hatte die Figur und den Gang eines Mittelgewichtsboxers, der er auch einmal gewesen war. Er hatte dichtes, lockiges graues Haar und die tiefen Falten eines Menschen, der sich bei jeder Witterung im Freien aufhält. Maxie führte sein Äußeres auf die allwöchentlichen Fahrten mit der Fähre zurück, die ihn ins Public Health Service Hospital auf Staten Island brachte. Maxie trug Halbgläser, aber wenn er sie überhaupt aufhatte, blinzelte er meist über sie hinweg. Seine blauen Augen waren dauernd in Bewegung. Es entging ihnen kaum etwas, am wenigsten weibliche Wesen zwischen zwanzig und fünfzig. In einem Film wäre Jimmy Cagney die richtige Besetzung für Maxie Neville gewesen, aber höchstwahrscheinlich hätte Maxie selbst sich besser gespielt und außerdem kein Double bei den Operationen gebraucht.
Maxie wählte neue Vereinsmitglieder nach einer grundeinfachen Formel aus. Erstens mußten sie ihm wärmstens von jemandem empfohlen sein, den er kannte und achtete. In Hawkeyes Fall kannte er Trapper John, das Wunderkind aus Boston, und Trappers alten Chef Billy Morrow. Zweitens mußte der Bewerber ein Jahr in einem Provinzverein abdienen, wie es zum Beispiel das VA–Spital von East Orange war. Stand der Kandidat acht dieser zwölf Monate durch, zog Maxie ihn ernsthaft für einen einjährigen Dienstvertrag am St.–Lombard–Spital in New York in Betracht. Außer im Krankenhaus hatte sich der Bewerber auch in Maxies Privatpraxis zu beweisen, die in jeder Hinsicht, einschließlich der Preise, erste Klasse war. An Maxie wandten sich viele Patienten aus Europa, Südamerika und jedem der nordamerikanischen Staaten. Da duldete Maxie keinen Assistenten, der seinem Patientenkreis nicht gewachsen war.
Nach Ablauf von acht Monaten knöpfte sich Maxie den jeweiligen Kandidaten also persönlich vor. Diese Begutachtung war als Maxies Abschlußprüfung bekannt, und es waren die wildesten Gerüchte darüber im Umlauf. Die durchgefallenen Aspiranten behaupteten, daß er seine Wahl völlig willkürlich und ohne Rücksicht auf die Fähigkeit, den Fleiß, oder was sonst noch zählen mochte, traf. Maxie begann Hawkeye Pierces Durchleuchtung mit einigen Fragen an Jimmy Gargan.
»Wie macht sich der Muschelfischer aus Maine? Mögen Sie ihn?«
»Er ist mir nicht zuwider.
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