In diesem Moment stürzten sich halbangezogene Leute auf ihn.

»Ein Dieb«, schrie der eine.

»Er sitzt fest«, sagte der andere.

»Holt die Polizei!«

Bald erkannte Michel unter den Zeugen seines Mißgeschicks auch Monsieur Casmodage und den Cousin Athanase.

»Sie«, schrie der eine.

»Er!« schrie der andere.

»Sie wollten meine Kasse aufbrechen!«

»Das fehlte gerade noch!«

»Sicher ein Schlafwandler«, sagte jemand.

Zur Ehre des jungen Dufrénoy schloß sich die Mehrheit der anwesenden Männer im Hemd dieser Meinung an. Der Gefangene wurde entkäfigt, ein unschuldiges Opfer perfektionierter Registrierkassen, die sich ganz allein verteidigen.

Mit seinen ausgestreckten Armen hatte Michel in der Finsternis die Wertpapierkasse gestreift, die genauso empfindsam und schamhaft war wie ein junges Mädchen; sofort hatte sich eine Sicherheitsvorrichtung eingeschaltet. Der Boden öffnete sich mittels beweglicher Dielen, während die Büroräume beim Krachen der laut zuschlagenden Türen elektrisch beleuchtet wurden. Die von schrillen Alarmglocken geweckten Angestellten stürzten zu dem Käfig, der bis ins Kellergeschoß hinuntergefahren war.

»Das wird Ihnen eine Lehre sein«, sagte der Bankier zu dem jungen Mann, »hier herumzuspazieren, wo Sie nichts verloren haben.«

Der beschämte Michel wußte nicht, was er antworten sollte.

»Na, bitte! Was für ein wohldurchdachter Apparat«, rief Athanase.

»Nichtsdestoweniger«, entgegnete ihm Monsieur Casmodage,

»wird er erst dann vollkommen sein, wenn der in einen Sicherheitswaggon gesetzte Dieb mit der Kraft einer Sprungfeder direkt auf die Polizeipräfektur befördert wird!«

»Und vor allem«, dachte Michel, »wenn die Maschine ganz von alleine den für Einbruchsdiebstahl gültigen Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch auf ihn anwendet!«

Doch diese Überlegung behielt er für sich und lief unter dem lauten Gelächter der anderen Hals über Kopf davon.

Sechstes Kapitel

Wo Quinsonnas in den luftigen Höhen des

Großen Hauptbuches erscheint

Am nächsten Tag ging Michel mitten durch das ironische Geflüster der Kommis zu den Büros der Buchhaltung; sein nächtliches Abenteuer lief von Mund zu Mund, und man hatte keinerlei Hemmungen, darüber zu lachen.

Michel trat in einen riesengroßen Saal, den eine Rauchglaskuppel überwölbte; in der Mitte ragte auf einem einzigen Fuß ein Meisterwerk der Mechanik, das Hauptbuch des Bankhauses, empor. Es verdiente das Attribut Groß mit mehr Recht als Ludwig XIV.; es war zwanzig Fuß hoch; ein intelligenter Mechanismus erlaubte, es wie ein Teleskop auf alle Punkte am Horizont auszurichten; ein geistreich angeordnetes System von leichten Laufstegen senkte oder hob sich je nach den Bedürfnissen des Schreibers.

Auf drei Meter breiten weißen Seiten entfalteten sich in drei Zoll großen Buchstaben die täglichen Operationen des Hauses.

Der Anblick dieser in Goldtinte hervorgehobenen Kassen für Diverses, Diversen Kassen und Abschlußkassen bereitete all jenen Leuten Vergnügen, deren Geschmack entsprechend ausgebildet war.

Andere Tinten verschiedenster Farben unterstrichen grell die Vorträge sowie die Seitennummerierung; was die in den Additionsspalten prachtvoll übereinander getürmten Zahlen betrifft, so stachen die Francs in Scharlachrot heraus, und die bis auf die dritte Dezimale berechneten Centimes hoben sich in Dunkelgrün ab.

Michel war beim Anblick dieses Monuments wie vor den Kopf geschlagen. Er verlangte nach Monsieur Quinsonnas.

Man verwies ihn an einen jungen Mann, der auf dem höchsten Laufsteg hockte; er nahm die Wendeltreppe und in wenigen Augenblicken gelangte er zum Gipfel des Großen Hauptbuches.

Monsieur Quinsonnas war gerade dabei, mit unvergleichlicher Geschicklichkeit ein großes, drei Fuß langes F zu formen.

»Monsieur Quinsonnas«, sagte Michel.

»Bemühen Sie sich doch herein«, antwortete der Buchführer;

»mit wem habe ich die Ehre?«

»Mit Monsieur Dufrénoy.«

»Sind Sie der Held eines Abenteuers, das ...«

»Ich bin dieser Held«, antwortete Michel kühn.

»Das gereicht Ihnen zum Lob«, fuhr Quinsonnas fort, »Sie sind ein Ehrenmann; ein Dieb hätte sich nicht erwischen lassen. Das ist meine Meinung.«

Michel starrte seinen Gesprächspartner an; machte sich dieser über ihn lustig? Das erschreckend ernste Gesicht des Buchhalters ließ diese Vermutung jedoch nicht zu.

»Ich stehe zu Ihrer Verfügung«, sagte Michel.