Es ist mir noch nie so gut gegangen. Aber ich hatte Angst …«

Der Augenblick war gekommen. Wir horchten gespannt auf. Mein Herz klopfte stark. Wenn der Mann jetzt überhaupt nichts sagte? Wenn er jetzt etwas verschwiege? Wenn das, was er jetzt sagen würde, vollkommen belanglos wäre? Wie könnte ich dann jemals meinen Chef von der Wirkung meiner Erfindung überzeugen? Und wie könnte ich selbst sicher sein? Die Wirkung einer Erfindung, wenn auch noch so gut begründet – ist und bleibt eine Theorie, solange sie nicht erprobt ist. Ich könnte mich geirrt haben.

Dann trat etwas ein, auf das ich nicht vorbereitet gewesen war. Der große, grobe Mann begann heftig zu schluchzen, glitt halb vom Stuhl und hing kraftlos über der Stuhllehne. Er stöhnte. Ich kann diesen schmerzvollen Anblick nicht in Worte kleiden. Ich wußte nicht, wo ich hinschauen sollte. Rissens Beherrschung – das muß ich zugeben – ließ nichts zu wünschen übrig. Er war ebenso unangenehm berührt wie ich, doch verbarg er seine Gefühle besser.

Dieser Zustand dauerte einige Minuten. Ich schämte mich vor meinem Chef, als sei ich dafür verantwortlich, daß er solchen Szenen beiwohnen mußte, und trotzdem konnte ich ja unmöglich im voraus wissen, wie die Versuchsperson reagieren würde. Sie wurden von einer Zentrale im Laboratoriumsviertel geschickt, damit sie für alle umliegenden Versuchsanstalten zur Verfügung stünden.

Endlich beruhigte er sich. Das Schluchzen verebbte, und er nahm wieder eine etwas würdigere Haltung an. Um diesem peinlichen Vorgang ein Ende zu setzen, richtete ich die erste beste Frage an ihn:

»Was ist denn los?«

Er richtete seine Augen auf uns. Man sah sehr wohl, daß er sich unserer Anwesenheit und meiner Frage bewußt war, wenn er vielleicht auch nicht ganz wußte, wer wir waren. Als er antwortete, schaute er uns voll an, wandte sich an uns aber nicht wie an seine Chefs, sondern wie an traumhafte, namenlose Zuhörer.

»Ich bin so unglücklich«, sagte er stumpf, »ich weiß nicht, was ich anfangen soll. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll.«

»Was schaffen?« fragte ich.

»Alles. Ich fürchte mich so. Immer habe ich solche Angst. Nicht gerade jetzt, aber sonst, fast ständig.«

»Vor den Experimenten.«

»Ja gewiß – vor den Experimenten. In diesem Moment verstehe ich nicht recht, wovor ich Angst habe. Entweder tut es weh, oder es schmerzt nicht so schrecklich; entweder wird man ein Krüppel, oder man wird wieder gesund; entweder stirbt man, oder man lebt weiter – wovor hat man denn nun eigentlich Angst? Aber ich habe mich immer so schrecklich gefürchtet – lächerlich, warum eigentlich?«

Die erste Teilnahmslosigkeit hatte nun nachgelassen und einer fast berauschenden Unvorsichtigkeit Platz gemacht. »Und dann«, sagte er und machte beinahe den Eindruck eines Betrunkenen, »dann hat man vor allem noch mehr Angst vor dem, was die andern sagen. Du bist feige, würden sie sagen, und das ist schlimmer als alles andere. Du bist feige. Ich bin nicht feige. Ich will nicht feige sein. Übrigens, was würde es ausmachen, wenn ich feige wäre? Aber wenn ich meine Stelle verliere … dann, dann würde ich wohl auch etwas anderes finden.