Ich war dafür besorgt, daß auch der Hauswart unterschrieb, daß er von der Einladung wußte und die Zeitdauer des Besuches kontrollieren werde. Dann mußte nur noch alles dem Distriktkontrolleur vorgelegt werden, der die Besuchsliste aufstellte und sie an die betreffenden Personen weitersandte.

So aßen Linda und ich schnell unsere Mahlzeit und begaben uns, jeder in einer anderen Richtung, zum Militärdienst, der immer strenger wurde. Während der darauffolgenden Tage war meine Arbeitszeit im Laboratorium die am wenigsten anstrengende, viel verantwortungsvoller dagegen mein Abend- und Nachtdienst, der oft in bewaffneten Übungen bestand. Ein Glück, daß meine Erfindung abgeschlossen war. Hätte ich ein wenig langsamer gearbeitet, wäre sie wohl nie vollendet worden, bestimmt nicht, wenn meine Abende immer so mit andern Arbeiten ausgefüllt gewesen wären. Nach so anstrengenden Stunden hätte ich nie mehr die Kraft gehabt, mich auf meine Arbeit voll zu konzentrieren. Jetzt galt es glücklicherweise, nur noch die letzte, praktische Anwendung zu erproben, und das ging von selbst, besonders da mich Rissens Gegenwart wachhielt. Auch ihm merkte man Müdigkeit an. Da er aber um einiges älter war, wurde er nicht ganz so streng gedrillt, und jedenfalls konnte ich ihm nie eine Nachlässigkeit bei der Arbeit nachweisen.

Infolge der vielen Anzeigen schienen die Experimente jedoch nicht recht vorwärtszukommen. Wir mußten immer wieder neue Gruppen bilden und inzwischen mit Versuchen, wie jenen vom ersten Tage, fortfahren.

Als wir das Gruppenexperiment zum dritten Male wiederholt hatten, ohne daß ein einziger Mann oder eine einzige Frau mit ihrer Anzeige lange genug gewartet hätte, um verhaftet zu werden – und es läßt sich nicht beschreiben, wie beschwerlich es war, verheiratete Versuchspersonen ausfindig zu machen, das letzte Mal mußten wir drei Tage warten, bevor wir eine ausreichende Anzahl zusammenbekamen –, hatte ich endlich meinen wöchentlichen freien Abend. Keine Vorstellung hätte mich mehr locken können als die, mich ein paar Stunden früher als gewöhnlich ins Bett zu legen. Die Kinder waren schon eingeschlafen, das Hausmädchen gegangen, ich hatte den Wecker gestellt und streckte mich ein letztes Mal, bevor ich mich ausziehen wollte, als die Türglocke schrillte.

»Kadidja Kappori!« dachte ich sofort und verfluchte mein Entgegenkommen, das mich dazu veranlaßt hatte, die unnötige Besuchseingabe zu unterschreiben. Das Schlimmste war, daß ich mich obendrein noch allein zu Hause befand. Linda hatte ihren freien Abend der Zusammenkunft eines Komitees opfern müssen, das ein Fest zu Ehren des jetzt pensionsberechtigten Chefs aller Lebensmittelfabriken der Stadt und gleichzeitig für den neueintretenden vorzubereiten hatte. Als ich die Tür öffnete, stand eine ältere Frau draußen, groß und robust, mit einem nicht allzu intelligenten Gesicht.

»Mitsoldat Leo Kall?« fragte sie. »Ich bin Kadidja Kappori. Sie haben die Güte gehabt, mir eine Unterredung zu gewähren!«

»Es tut mir sehr leid, aber ich bin zufällig gerade allein zu Hause«, sagte ich, »und kann Ihnen deshalb nicht zu Diensten stehen. Es ist mir unangenehm, daß Sie heute abend vielleicht einen langen Weg haben zurücklegen müssen, aber Sie wissen, daß es Angeklagten in vielen Fällen äußerst schwergefallen ist, ihre Unschuld zu beweisen, weil keine Zeugen zugegen waren und die Polizei den betreffenden Raum zufällig gerade nicht überwacht hatte …«

»Aber von einer Herausforderung kann keine Rede sein«, sagte sie bittend, »ich versichere Ihnen, daß ich mit den ehrlichsten Absichten komme.«

»Ich mißtraue Ihnen natürlich nicht persönlich«, antwortete ich, »aber Sie müssen selber zugeben, daß jedermann das behaupten kann. Am sichersten ist für mich jedenfalls, Sie nicht hereinzulassen. Ich kenne Sie nicht, und niemand weiß, was Sie nachher über mich erzählen könnten.« Ich hatte die ganze Zeit ziemlich laut gesprochen, um vor den Nachbarn meine Unschuld zu bezeugen. Das brachte sie wohl auf eine Idee.

»Wäre es nicht möglich, einen Nachbarn als Zeugen herbeizubitten?« fragte sie, »obwohl ich zugeben muß, daß ich am liebsten mit Ihnen allein gesprochen hätte.«

Das war allerdings eine Lösung. Ich klingelte an der nächsten Tür. Dort wohnte ein Personalarzt, welcher den Speiseräumen der Versuchslaboratorien zugeteilt war; ich wußte von ihm nur, wie er aussah und daß er sich mit seiner Frau oft etwas zu laut in Anbetracht der dünnen Zwischenwände des Hauses zankte. Als ich schellte, öffnete er selbst mit finster zusammengezogenen Augenbrauen. Ich brachte mein Anliegen vor. Die Falten glätteten sich, er schien neugierig zu werden und willigte endlich ein. Auch er war allein zu Hause. Einen Augenblick bereute ich mein Vorgehen und fragte mich, ob ich wohl richtig gehandelt hätte. Aber eigentlich war kein Grund anzunehmen, daß er in eine Art Verschwörung mit Kadidja Kappori verwickelt sein könnte.

Wir gingen alle zusammen in den Elternraum, wo ich schnell die aufgeklappten Betten wieder zurückschob, um mehr Platz zu machen und um dem Raum ein wohnlicheres Aussehen zu geben.

»Sie wissen natürlich nicht, wer ich bin«, begann sie, »die Sache ist so: ich bin mit Togo Bahara vom Freiwilligen Opferdienst verheiratet.«

Unwille stieg in mir auf. Ich gab mir jedoch Mühe, ihn zu verbergen.