Sie waren so viehisch gemein, so niedrig und heimtückisch, nicht nur Fremden, sondern auch einander gegenüber, so schäbig unterwürfig, wenn sie die Untergebenen und so unverschämt oder roh und tyrannisch, wenn sie die Vorgesetzten waren, daß ich dachte, sie hätten etwas an sich, was meine ganze Natur empörte. Dazu kommt, daß es für einen Engländer natürlich ist, Feiglinge zu hassen – all das trug dazu bei, daß ich gegen einen Portugiesen die gleiche Abneigung wie gegen den Teufe l empfand.
Wer aber, wie das englische Sprichwort sagt, mit dem Teufel an Bord geht, muß mit ihm segeln; ich befand mich unter ihnen und richtete mich ein, so gut ich konnte. Mein Herr hatte sich damit einverstanden erklärt, daß ich dem Kapitän, wie oben beschrieben, in der Speisekammer zur Hand ging, aber da ich später erfuhr, daß dieser ihm monatlich einen halben Moidor für meine Dienste zahlte und meinen Namen auch in der Musterrolle verzeichnet hatte, erwartete ich, daß mein Herr, wenn die Mannschaft in Indien die Heuer für vier Monate ausgezahlt erhielte, wie es anscheinend üblich ist, mir etwas davon überlassen würde.
Da hatte ich mich jedoch in meinem Mann getäuscht, denn zu der Art gehörte er nicht; er hatte mich in einer Notlage aufgelesen, und sein Anliegen war, mich darin zu halten und soviel er nur konnte, an mir zu verdienen. Ich begann anders darüber zu denken als zuerst, denn zu Beginn hatte ich geglaubt, er unterhalte mich aus reiner Barmherzigkeit, da er meine elende Lage sah, und als er mich an Bord brachte, zweifelte ich nicht daran, daß ich für meine Dienste einen Lohn erhalten solle.
Er war jedoch anscheinend ganz anderer Meinung darüber, und nachdem ich jemand bewogen hatte, in Goa, als die Mannschaft ausbezahlt wurde, mit ihm darüber zu sprechen, geriet er in größte Wut, nannte mich einen englischen Hund, einen jungen Ketzer und drohte, mich vor die Inquisition zu bringen. Von all den Namen, die sich mit vierundzwanzig Buchstaben zusammenstellen lassen, hätte er mich wirklich keinen Ketzer nennen dürfen, denn weil ich über die Religion nichts wußte und weder die protestantische von der papistischen noch jede der beiden von der mohammedanischen zu unterscheiden vermochte, konnte ich niemals ein Ketzer sein. Ich entging jedoch, so jung ich war, nur mit knapper Not einer Ladung vor die Inquisition, und hätte man mich dort gefragt, ob ich Protestant oder Katholik sei, hätte ich das erste, was sie erwähnten, bejaht. Wenn sie zuerst nach dem Protestanten gefragt hätten, wäre ich gewiß zum Märtyrer für etwas geworden, was ich gar nicht kannte.
Aber gerade der Priester oder Schiffskaplan, wie wir ihn nennen, den sie auf dem Schiff mitführten, rettete mich; da er sah, daß ich ein in der Religion völlig unwissender Junge und bereit war, alles zu tun oder zu sagen, was man von mir forderte, stellte er mir einige Fragen darüber und fand, ich beantwortete sie so naiv, daß er es auf sich nahm, ihnen zu erklären, er verbürge sich dafür, daß ich ein guter Katholik sein werde, und hoffe, er würde zum Werkzeug der Rettung meiner Seele. Es gefiel ihm, daß dies für ihn eine verdienstvolle Aufgabe war, und so machte er innerhalb einer Woche einen so guten Papisten aus mir, wie es kaum einer von ihnen war. Nun berichtete ich ihm von meiner Sache mit meinem Herrn; es stimme zwar, daß er mich in einer elenden Lage an Bord eines Kriegsschiffs in Lissabon aufgelesen habe und ich ihm Dank schuldig sei, weil er mich hier an Bord gebracht habe, denn wenn ich in Lissabon geblieben wäre, hätte ich vielleicht verhungern müssen oder etwas ähnliches, deshalb sei ich willens, ihm zu dienen, hätte jedoch gehofft, er werde mir irgendeine kleine Entlohnung dafür geben oder mich wissen lassen, wie lange er erwartete, daß ich ihm unentgeltlich diente.
Es nützte nichts, weder der Priester noch sonst jemand vermochte ihn davon abzubringen, daß ich nicht sein Diener, sondern sein Sklave sei; er habe mich auf dem algerischen Schiff aufgelesen und ich sei ein Türke, der nur vorgab, ein englischer Knabe zu sein, um meine Freiheit zu erhalten, er werde mich als Türken vor die Inquisition bringen.
Das erschreckte mich maßlos, denn ich hatte niemanden, der bezeugen konnte, wer ich war und woher ich kam; aber der gute Padre Antonio, denn so hieß er, befreite mich auf eine Weise, die ich nicht verstand, von dieser Anklage, denn eines Morgens kam er mit zwei Matrosen zu mir und erklärte mir, sie müßten mich untersuchen, um zu bezeugen, daß ich kein Türke sei. Ich war erstaunt über sie und verängstigt; ich verstand sie nicht und konnte mir auch nicht vorstellen, was sie mit mir zu tun beabsichtigten. Nachdem sie mich nackt ausgezogen hatten, waren sie jedoch bald zufriedengestellt, und Padre Antonio forderte mich auf, guten Muts zu sein, sie könnten alle bezeugen, daß ich kein Türke war. So entging ich diesem Teil der Grausamkeit meines Herrn.
Von da an beschloß ich, ihm davonzurennen, sobald ich konnte, dort aber war dies nicht möglich, denn in jenem Hafen lagen keine Schiffe, gleich welcher Nationalität der Welt, außer zwei, drei persischen Fahrzeuge n aus Hormus, und hätte ich es unternommen, von ihm fortzulaufen, dann hätte er mich an Land ergreifen und gewaltsam wieder an Bord bringen lassen, so daß mir nichts übrigblieb, als nur Geduld zu üben. Und auch die war bald erschöpft, denn danach begann er mich schlecht zu behandeln und nicht nur meine Essensrationen zu kürzen, sondern mich auch auf barbarische Weise wegen jeder Kleinigkeit zu schlagen und zu quälen, so daß mein Leben, mit einem Wort, erbärmlich war.
Weil er mich so gewalttätig behandelte und ich aus seinen Händen nicht zu entkommen vermochte, begann ich mir alle möglichen Untaten auszudenken; insbesondere beschloß ich, nachdem ich sämtliche anderen Wege meiner Befreiung überdacht und festgestellt hatte, daß sie nicht gangbar waren, ihn zu ermorden. Mit diesem teuflischen Plan im Kopf verbrachte ich ganze Tage und Nächte damit, mir zu überlegen, wie ich ihn ausführen sollte, und der Satan flüsterte mir dabei sehr eifrig zu. Ich war mir freilich über das Mittel gänzlich im Unklaren, denn ich besaß weder eine Flinte noch ein Schwert, noch sonst irgendeine Waffe, um ihn damit anzugreifen; meine Gedanken kreisten viel um Gift, ich wußte aber nicht, wo ich es mir beschaffen sollte, oder wenn ich es hätte bekommen können, wußte ich nicht, wie es hierzulande hieß und unter welcher Bezeichnung ich danach fragen sollte.
Auf diese Weise verübte ich die Tat hundert- und aberhundertmal in Gedanken. Das Schicksal vereitelte meine Absicht jedoch, entweder zu seinem oder zu meinem Wohl, und ich vermochte sie nicht auszuführen; deshalb war ich gezwungen, in seinen Ketten zu bleiben, bis das Schiff, nachdem es seine Fracht an Bord genommen hatte, nach Portugal in See stach.
Ich vermag hier nichts darüber zu sagen, wie unsere Reise verlief, denn ich führte, wie gesagt, kein Logbuch; ich kann aber berichten, daß wir, nachdem wir einmal auf die Höhe des Kaps der Guten Hoffnung, wie wir es nennen, oder des Cabo de Bona Speranza, wie sie es bezeichnen, gelangt waren, von einem heftigen Sturm aus Westsüdwest wieder zurückgetrieben wurden. Er hielt uns sechs Tage und sechs Nächte lang weit östlich fest; danach segelten wir ein paar Tage vor dem Wind und gingen schließlich bei der Küste von Madagaskar vor Anker.
Der Sturm hatte mit solcher Gewalt getobt, daß das Schiff sehr beschädigt war, und wir benötigten einige Zeit, um es wieder instand zu setzen; deshalb brachte der Steuermann, mein Herr, das Fahrzeug in größere Nähe der Küste und in einen sehr guten Hafen, wo wir in sechsundzwanzig Faden Wassertiefe etwa eine halbe Meile vom Ufer entfernt lagen.
Während sich das Schiff hier befand, ereignete sich eine verzweifelte Meuterei unter der Mannschaft wegen einiger Mängel in ihrer Verpflegung; sie ging so weit, daß die Leute dem Kapitän drohten, sie wollten ihn an Land setzen und mit dem Schiff zurück nach Goa fahren. Ich wünschte von ganzem Herzen, daß sie es täten, denn mein Kopf war voller Bosheit, und ich war durchaus bereit, sie auch in die Tat umzusetzen. Und obgleich ich nur ein Junge war, wie sie mich nannten, förderte ich doch den bösen Plan nach Kräften und ließ mich so offen darauf ein, daß ich im ersten und frühesten Abschnitt meines Lebens dem Gehängtwerden nur knapp entging, denn dem Kapitän kam zu Ohren, daß einige aus der Bande die Absicht hatten, ihn zu ermorden, und nachdem er teils durch Geld und Versprechungen, teils durch Drohungen und Folter zwei der Burschen dazu gebracht hatte, die Einzelheiten zu bekennen und die Namen der Betreffenden zu nennen, wurden sie bald gefangengesetzt, und nachdem einer den anderen beschuldigt hatte, wurden nicht weniger als sechzehn Mann in Gewahrsam genommen und in Eisen gelegt, darunter auch ich.
Der Kapitän, den die Gefahr, in der er schwebte, zum Äußersten getrieben hatte, beschloß, das Schiff von seinen Feinden zu säubern; er hielt über uns Gericht, und wir wurden alle zum Tode verurteilt. Ich war zu jung, um die Verfahrensweise dieses Prozesses zur Kenntnis zu nehmen, aber der Proviantmeister und einer der Geschützmeister wurden sofort gehängt, und ich erwartete mit den übrigen das gleiche. Ich erinnere mich nicht, daß es mich stark betroffen hätte, nur, daß ich sehr weinte, denn ich wußte damals wenig von dieser Welt und gar nichts von der nächsten.
Der Kapitän gab sich jedoch damit zufrieden, diese beiden hinrichten zu lassen, und einige der übrigen wurden auf ihre demütige Bitte und das Versprechen hin, sich in Zukunft gut zu betragen, begnadigt; er befahl jedoch, fünf Mann an Land auszusetzen und dort zu lassen, und ich war darunter. Mein Herr machte seinen ganzen Einfluß auf den Kapitän geltend, um Verzeihung für mich zu erwirken, vermochte es jedoch nicht zu erreichen, denn jemand hatte dem Kapitän gesagt, ich sei einer von denen gewesen, die ausgesucht waren, ihn zu töten, und als mein Herr bat, man möge mich nicht an Land aussetzen, erklärte ihm der Kapitän, ich solle an Bord bleiben, wenn er es wünsche, dann aber würde ich gehängt; er möge also wählen, was er für besser halte. Anscheinend war der Kapitän besonders darüber aufgebracht, daß ich an dem Verrat beteiligt war, weil er sich mir gegenüber so gütig gezeigt und mich ausgesucht hatte, ihn zu bedienen, wie ich bereits erwähnte; vielleicht war dies der Grund, weshalb er meinen Herrn vor eine so harte Wahl stellte, mich entweder an Land aussetzen oder aber an Bord hängen zu lassen. Und hätte mein Herr gewußt, welches Wohlwollen ich für ihn empfand, dann hätte er nicht lange gezögert, die Wahl für mich zu treffen, denn ich war fest entschlossen, ihm bei der ersten Gelegenheit, die sich bot, etwas Böses anzutun. Desha lb war es eine gute Fügung des Schicksals, die mich daran hinderte, meine Hände in Blut zu tauchen, und sie machte mich danach weichherziger in Dingen, die Blut betrafen, als ich es, wie ich glaube, sonst gewesen wäre. Was aber die Anklage anging, ich sei einer von denen gewesen, die den Kapitän hatten töten sollen, so geschah mir damit Unrecht, denn nicht ich war es, sondern einer von denen, die begnadigt wurden, und er hatte das Glück, daß diese Tatsache nie ans Licht kam.
Ich sollte nun ein unabhängiges Leben führen, worauf ich wirklich sehr schlecht vorbereitet war, denn ich war in meinem Betragen völlig ungehemmt und liederlich, kühn und verworfen, solange ich einen Herrn über mir hatte, und jetzt gänzlich ungeeignet, daß man mich mit meiner Freiheit betraute, denn ich war so reif für irgendeine Schufterei, wie man es bei einem jungen Burschen, dem nie ein anständiger Gedanke eingepflanzt wurde, nur erwarten konnte. Eine Erziehung hatte ich, wie der Leser bereits weiß, nicht genossen, und all die kleinen Szenen des Daseins, die ich erlebt hatte, waren voller Gefahren und von verzweifelten Umständen begleitet gewesen; ich war jedoch entweder so jung oder so töricht, daß ich dem Schmerz und der Angst, die sie hätten erwecken können, entgangen war, weil mir nicht bewußt war, wohin sie führten und welche Folgen sie haben mußten.
Diese gedankenlose, unbekümmerte Einstellung hatte tatsächlich einen Vorteil, nämlich daß sie mich wagemutig und bereit machte, jeden Frevel zu begehen, und mir den Kummer fernhielt, der mich sonst überwältigt hätte, wenn ich in einen Frevel verfiel; diese meine Torheit bedeutete für mich wirklich ein Glück, denn sie ließ meine Gedanken ledig, sich mit einer Möglichkeit des Entkommens und der Befreiung aus meiner Not zu beschäftigen, so groß diese auch sein mochte, während meine Elendsgenossen von ihrer Furcht und ihrem Kummer derartig niedergedrückt waren, daß sie einzig nur ihre jämmerliche Lage sahen und keinen anderen Gedanken hatten als den, sie müßten umkommen und verhungern, würden von wilden Tieren gefressen, ermordet, vielleicht von Kannibalen verspeist und dergleichen mehr.
Ich war zwar nur ein junger Bursche, vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt; als ich aber hörte, welches Schicksal mir zugedacht war, nahm ich es mit keinem Zeichen der Entmut igung auf, sondern fragte nur, wie sich mein Herr dazu geäußert hatte, und als ich erfuhr, daß er seinen ganzen Einfluß geltend gemacht hatte, um mich zu retten, der Kapitän ihm aber geantwortet hatte, ich solle entweder an Land gehe n oder an Bord gehängt werden, was immer er vorziehe, gab ich alle Hoffnung auf, daß man mich wieder aufnähme. Ich war meinem Herrn in Gedanken nicht sehr dankbar dafür, daß er sich beim Kapitän für mich verwendet hatte, denn ich wußte: was er tat, geschah nicht aus Güte mir gegenüber, sondern vielmehr aus Eigennutz, nämlich um sich die Heuer zu erhalten, die er für mich bekam und die über sechs Dollar monatlich betrug, inbegriffen die Summe, die der Kapitän ihm für meine persönlichen Dienste bezahlte.
Als ich erfuhr, daß mein Herr so scheinbar gütig gewesen war, fragte ich, ob man mir nicht gestatten würde, mit ihm zu sprechen, und erhielt die Antwort, das könne ich, wenn mein Herr zu mir herunterkommen wolle, ich dürfe aber nicht zu ihm hinaufgehen. So äußerte ich also den Wunsch, man möge meinen Herrn bitten, zu mir herunterzukommen, und das tat er. Ich fiel vor ihm auf die Knie und flehte ihn an, mir zu verze ihen, wenn ich etwas getan hatte, was ihm mißfiel, und tatsächlich lastete mir zu dieser Zeit mein Entschluß, ihn zu ermorden, schwer auf dem Gewissen, so daß ich einmal nahe daran war, es zu gestehen und meinen Herrn zu bitten, mir zu vergeben, aber ich behielt es für mich.
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