Er erklärte mir, er habe getan, was er konnte, um meine Begnadigung vom Kapitän zu erwirken, es sei ihm aber nicht gelungen und er wisse keinen anderen Weg für mich als nur, mich mit Ergebenheit in mein Schicksal zu fügen, und falls sie am Kap Gelegenheit hätten, mit Leuten von Schiffen ihrer Nation zu sprechen, wolle er sich bemühe n, sie zu bewegen, hier anzulegen und uns wieder fortzuholen, falls man uns finde.
Nun bat ich ihn, meine Kleidung mit an Land nehmen zu dürfen. Er sagte, er befürchte, ich werde wenig Kleidung brauchen, denn er könne sich nicht vorstellen, daß wir auf der Insel lange am Leben zu bleiben vermöchten, man habe ihm berichtet, die Bewohner seien Kannibalen oder Menschenfresser (freilich war diese Behauptung unbegründet) und wir könnten unter ihnen nicht am Leben bleiben. Ich erwiderte, davor hätte ich weniger Angst als vor der Aussicht, aus Mangel an Nahrungsmitteln zu sterben, und was die Tatsache betreffe, daß die Eingeborenen Kannibalen seien, so hielte ich es für wahrscheinlicher, daß wir sie aufäßen als sie uns, wenn wir ihrer nur habhaft werden könnten. Ich machte mir jedoch große Sorgen, so sagte ich, weil wir keine Waffen hätten, um uns zu verteidigen, und ich wolle jetzt nur darum bitten, daß er mir eine Flinte und einen Säbel gebe sowie ein bißchen Pulver und Blei.
Er lächelte und sagte, sie würden uns nichts nützen, denn wir könnten unmöglich erwarten, unser Leben unter einer so zahlreichen und wilden Bevölkerung, wie es die Bewohner der Insel seien, zu behaupten. Ich erklärte, sie würden uns wenigstens den Vorteil verschaffen, daß wir nicht sofort getötet oder aufgefressen würden, und deshalb bäte ich sehr um die Flinte. Endlich erklärte er mir, er wisse nicht, ob ihm der Kapitän genehmigen werde, mir eine Flinte zu geben, wenn nicht, wage er nicht, es zu tun; er versprach aber, sich dafür einzusetzen, daß ich sie erhielte, was er auch tat, und am nächsten Tag schickte er mir eine Flinte mit etwas Munition, teilte mir aber mit, der Kapitän gestatte nicht, daß man uns die Munition aushändigte, bis er uns habe an Land setzen lassen und im Begriff sei auszulaufen. Mein Herr sandte mir auch ein paar Kleidungsstücke, die ich auf dem Schiff besaß, und das waren wirklich nicht viele.
Zwei Tage darauf wurden wir alle zusammen an Land gebracht; als meine Mitverbrecher hörten, daß ich ein Gewehr sowie etwas Pulver und Blei hatte, baten sie um die Erlaubnis, das gleiche mitnehmen zu dürfen, und erhielten sie. Auf diese Weise wurden wir an Land gesetzt und waren auf uns selbst angewiesen.
Als wir auf die Insel kamen, empfanden wir zuerst heftige Angst beim Anblick der barbarischen Bewohner, die uns schrecklicher erschienen, als sie in Wirklichkeit waren, da wir an die Beschreibung dachten, die uns die Matrosen von ihnen gegeben hatten. Als wir dann aber schließlich eine Weile mit ihnen gesprochen hatten, stellten wir fest, daß sie nicht, wie man uns berichtet hatte, Kannibalen waren und nicht sogleich über uns herfielen, um uns aufzufressen. Sie kamen vielmehr und setzten sich zu uns, bestaunten unsere Kleidung und unsere Waffen sehr und machten Zeichen, sie wollten uns die Nahrungsmittel geben, die sie hatten, und das waren gegenwärtig nur aus dem Boden gegrabene Wurzeln und Pflanzen; später brachten sie uns aber Geflügel und Fleisch in reichlicher Menge.
Dies ermunterte die anderen vier Leute, die bei mir waren und zuvor den Mut hatten sinken lassen, sehr; sie begannen sich recht vertraulich zu den Eingeborenen zu verhalten und gaben ihnen durch Zeichen zu verstehen, daß wir dableiben und bei ihnen wohnen würden, wenn sie uns freundlich behandelten, worüber sie sich zu freuen schienen, denn sie hatten keine Ahnung, daß wir dazu gezwungen waren und wie sehr wir uns vor ihnen fürchteten.
Nach weiteren Überlegungen beschlossen wir jedoch, nur so lange in diesem Teil der Insel zu bleiben, wie das Schiff in der Bucht lag, und sie in dem Glauben zu lassen, wir seien mit ihm fortgefahren; dann wollten wir uns davonmachen und, wenn möglich, einen Ort aufsuchen, wo keine Einwohner zu sehen waren, leben, wie wir konnten, und vielleicht nach einem Schiff Ausschau halten, das wie unseres an die Küste verschlagen würde.
Das Schiff blieb noch vierzehn Tage auf Reede liegen; die Mannschaft besserte einige Schäden aus, die der letzte Sturm verursacht hatte, und nahm Holz sowie Wasser an Bord. Das Boot kam während dieser Zeit häufig an Land, und die Leute brachten uns allerlei Lebensmittel; die Eingeborenen glaubten, wir gehörten zum Schiff, und waren recht höflich. Wir lebten in einer Art Zelt am Strand oder vielmehr in einer Hütte, die wir mit Zweigen von den Bäumen gebaut hatten, und nachts zogen wir uns manchmal vor den Einheimischen in den Wald zurück, damit sie dachten, wir seien an Bord des Schiffs. Wir stellten freilich fest, daß sie von Natur aus recht barbarisch, verräterisch und schuftig und nur aus Furcht höflich waren; daraus schlossen wir, wir würden bald in ihre Hände fallen, wenn das Schiff erst einmal fort war.
Dieses Bewußtsein verfolgte meine Leidensgefährten bis zum Wahnsinn, und einer von ihnen, ein Zimmermann, schwamm eines Nachts in seiner schrecklichen Angst zum Schiff, obwohl es eine Meile weit draußen lag, und bettelte so jämmerlich darum, an Bord zu dürfen, daß der Kapitän sich schließlich bewegen ließ, ihn heraufzunehmen, nachdem sie ihn drei Stunden im Wasser hatten schwimmen lassen, bevor er sich bereit fand.
Nach Ablauf dieser Zeit und auf seine demütige Unterwerfung hin ließ ihn der Kapitän an Bord, weil die Zudringlichkeit dieses Menschen (der lange darum gefleht hatte, daß er wieder aufgenommen würde, und wenn sie ihn auch hängten, sobald sie ihn hätten) so groß war, daß man ihm nicht zu widerstehen vermochte, denn nachdem er so lange rings um das Schiff geschwommen war, hatte er nicht mehr die Kraft, das Ufer zu erreichen, und der Kapitän sah offensichtlich, daß er den Mann an Bord nehmen oder ertrinken lassen müsse, und da die gesamte Mannschaft sich erbot, für sein gutes Verhalten zu bürgen, gab der Kapitän schließlich nach und nahm ihn auf, wenn der Mann auch durch den langen Aufenthalt im Wasser fast tot war.
Als er sich an Bord befand, ließ er nicht nach, den Kapitän und alle übrigen Offiziere unseretwegen, die wir zurückgeblieben waren, zu behelligen, aber der Kapitän war bis zum letzten Tag unerbittlich. Zum Zeitpunkt, als sie Vorbereitungen trafen, in See zu stechen, und er den Befehl gegeben hatte, die Boote an Bord zu holen, kamen alle Matrosen gemeinsam zur Reling des Achterdecks, wo der Kapitän mit einigen seiner Offiziere auf und ab ging; sie bestimmten den Bootsmann zu ihrem Sprecher, und er trat vor den Kapitän hin, fiel vor ihm auf die Knie und flehte ihn so unterwürfig wie nur möglich an, die vier Leute wieder an Bord zu nehmen. Er sagte, sie alle erböten sich, für ihre Treue zu bürgen oder aber sie in Ketten liegenzulassen, bis sie Lissabon erreichten und man sie dort der Justiz übergebe, lieber als daß sie dort zurückblieben und, wie sie sagten, durch die Wilden ermordet oder von wilden Tieren aufgefressen würden. Es dauerte lange, bis der Kapitän Notiz von ihnen nahm, dann aber befahl er, den Bootsmann festzunehmen, und drohte, ihn zur Ankerwinde führen zu lassen, weil er für sie gesprochen hatte.
Nach dieser Äußerung der Strenge ersuchte einer der Matrosen, der kühner war als die übrigen, dabei aber dem Kapitän allen nur möglichen Respekt erwies, Seine Ehren, wie er ihn nannte, er möge doch einigen von ihnen die Erlaubnis geben, an Land zu gehen, damit sie zusammen mit ihren Kameraden sterben oder aber ihnen, wenn möglich, im Widerstand gegen die Barbaren beistehen könnten. Der Kapitän, den dies eher herausforderte als einschüchterte, kam zum Achterdeck und sprach sehr vorsichtig zu den Männern (denn wenn er grob gewesen wäre, hätten zwei Drittel von ihnen, wenn nicht alle, das Schiff verlassen). Er erklärte ihnen, er sei ebenso im Interesse ihrer Sicherheit wie seiner eigenen zu dieser Strenge gezwungen; Meuterei an Bord eines Schiffs sei das gleiche wie Verrat im Palast eines Königs, und er könne es vor den Schiffseigentümern, die seine Brotgeber seien, nicht verantworten, das ihm anvertraute Schiff und die Waren darauf Leuten zugänglich zu machen, deren Absichten von der schlimmsten und schwärzesten Art gewesen seien. Er wünschte von Herzen, er würde sie anderswo an Land gesetzt haben, wo sie sich vielleicht in geringerer Gefahr vor den Wilden befänden, denn wenn es seine Absicht gewesen wäre, daß sie umkämen, dann hätte er sie ebensogut wie die beiden anderen an Bord hinrichten lassen können. Er wünschte, sie lägen an irgendeinem anderen Ort der Welt, wo er sie der Zivilgerichtsbarkeit übergeben oder sie unter Christen lassen könnte. Es sei jedoch besser, ihr Leben befinde sich in Gefahr als seins und die Sicherheit des Schiffs; und obgleich er sich dessen nicht bewußt sei, von irgendeinem unter ihnen so Böses verdient zu haben, daß sie lieber das Schiff verlassen als ihre Pflicht tun wollten, werde er doch, falls jemand dazu entschlossen sei, ihn nicht daran hindern, bevor er sich bereit erklärte, eine Bande von Verrätern an Bord zu nehmen, die, wie er vor ihnen allen bewiesen, sich verschworen habe, ihn zu ermorden, noch wolle er ihnen ihre gegenwärtige Zudringlichkeit nachtragen; jedoch, auch wenn er als einziger auf dem Schiff bliebe, werde er nicht gestatten, daß sie an Bord kämen.
Er brachte diese Rede so gut vor, und sie war an sich so vernünftig, so gemäßigt und schloß doch so kühn mit einer Verneinung, daß sie den größten Teil der Leute für den Augenblick zufriedenstellte. Da sie aber Anlaß dazu gab, daß Cliquen und Kabalen entstanden, beruhigten sich die Männer stundenlang nicht; der Wind flaute gegen Abend auch ab, und so befahl der Kapitän, die Anker nicht vor dem nächsten Morgen zu lichten.
Noch in derselben Nacht wandten sich dreiundzwanzig Leute, darunter der zweite Geschützmeister, der Gehilfe des Schiffsarztes und zwei Zimmerleute, an den Ersten Offizier und erklärten ihm, der Kapitän habe ihnen ja die Erlaubnis gegeben, zu ihren Kameraden an Land zu gehen, und sie bäten ihn, diesem auszurichten, er solle es ihnen nicht übelnehmen, daß sie den Wunsch hätten, sich zu ihren Gefährten zu begeben und mit ihnen zu sterben; sie seien der Meinung, in einer solchen Notlage könnten sie nicht umhin, sich ihnen anzuschließen, denn wenn es irgendeinen Weg gebe, ihr Leben zu retten, dann den, ihre Zahl zu vergrößern und sie genügend zu verstärken, so daß sie einander beistehen und sich gegen die Wilden verteidigen könnten, bis sie vielleicht früher oder später Mittel und Wege fänden, von dort zu entkommen und in ihre Heimat zurückzukehren.
Der Erste Offizier erwiderte ihnen, er wage nicht, dem Kapitän von einer solchen Absicht zu sprechen, und er bedaure sehr, daß sie nicht mehr Achtung vor ihm hätten, als von ihm zu verlangen, solch eine Botschaft zu überbringen; wenn sie aber zu diesem Unternehmen entschlossen seien, rate er ihnen, da ihnen der Kapitän die Erlaubnis dazu gegeben habe, am frühen Morgen das Großboot zu nehmen und davonzufahren, einen höflichen Brief an den Kapitän zurückzulassen und ihn zu bitten, er möge seine Leute an Land senden, um das Boot zurückzuholen, das sie ihm auf redliche Weise wieder aushä ndigen wollten, und er versprach ihnen, bis dahin darüber zu schweigen.
Dementsprechend schifften sich eine Stunde vor Sonnenaufgang die dreiundzwanzig Mann, jeder mit einer Muskete und einem kurzen Säbel, einige mit Pistolen und drei mit Hellebarden bewaffnet, samt einem guten Vorrat an Schießpulver und Blei, jedoch ohne irgendwelche Lebensmittel außer ungefähr einem halben Zentner Brot, wohl aber mit ihren Seekisten und allen ihren Kleidungsstücken, ihrem Werkzeug, ihren Instr umenten, Büchern und dergleichen mehr, völlig geräuschlos ein, so daß der Kapitän nichts davon bemerkte, bis sie schon halb an Land waren.
Sobald er es hörte, rief er nach dem Zweiten Geschützme ister, denn der Geschützmeister lag zu der Zeit krank in seiner Kajüte, und befahl, auf sie zu schießen; zu seinem großen Verdruß aber gehörte der Zweite Geschützmeister zu den Abtrünnigen und war mit ihnen gefahren; tatsächlich hatten sie gerade darum so viele Waffen und eine solche Menge Munit ion erhalten. Als der Kapitän festgestellt hatte, wie die Dinge lagen und daß daran nichts zu ändern war, beruhigte er sich ein bißchen und nahm es auf die leichte Schulter; er rief die Leute zusammen und sprach freundlich mit ihnen. Er sagte, er sei sehr zufrieden mit der Treue und Tüchtigkeit der Leute, die jetzt noch dageblieben waren, und zu ihrer Ermutigung wolle er die Heuer der von Bord Gegangenen unter sie aufteilen lassen; er sei sehr froh, daß das Schiff nun frei sei von einem so meuterischen Haufen, der keinerlei Grund habe, aufsässig zu werden.
Die Leute schienen recht zufrieden zu sein, und besonders das Versprechen, sie bekämen die Heuer derjenigen, die das Schiff verlassen hatten, wirkte sehr auf sie. Danach übergab der Schiffsjunge dem Kapitän den Brief, den sie anscheinend bei ihm hinterlassen hatten. Darin stand so ziemlich das gleiche, was sie zu dem Ersten Offizier gesagt hatten und was er nicht hatte ausrichten wollen; nur am Ende ihres Briefes schrieben sie dem Kapitän, sie hätten keine unlauteren Absichten und deshalb auch nichts mitgenommen, was ihnen nicht gehörte, mit Ausnahme von einigen Waffen und etwas Munition, die absolut unentbehrlich für sie seien, sowohl zu ihrer Verteidigung gegen die Wilden, als auch, um zu ihrer Ernährung Vögel oder Wild zu schießen, damit sie nicht umkämen, und da ihnen als Heuer beträchtliche Summen zustanden, hofften sie, er werde ihnen die Waffen und die Munition gegen ihr Guthaben überlassen. Sie schrieben, was das Großboot des Schiffs betreffe, das sie mitgenommen hätten, um an Land zu gehen, so wüßten sie, daß er es brauche, und seien durchaus bereit, es ihm zurückzugeben. Wenn er es holen lassen wolle, würden sie es seinen Leuten ordnungsgemäß aushändigen, und niemandem von denen, die es holen kämen, sollte irgendein Leid geschehen, und keinen von ihnen wollten sie auffordern oder überreden, bei ihnen zu bleiben. Am Schluß des Briefes ersuchten sie ihn demütig, er möge ihnen zu ihrer Verteidigung und um ihr Leben zu sichern ein Faß Pulver sowie etwas Munition schicken und ihnen erlauben, den Mast und das Segel des Boots zu behalten, so daß sie, falls es ihnen gelänge, sich ein Boot irgendeiner Art zu bauen, damit zur See fahren und sich in den Teil der Welt retten könnten, in den sie ihr Schicksal führte.
Hierauf trat der Kapitän, der bei dem restlichen Teil der Leute durch seine Ansprache sehr gewonnen hatte und ganz beruhigt war, was den allgemeinen Frieden betraf (denn tatsächlich waren die Aufsässigsten von Bord), auf das Achterdeck hinaus, rief die Mannschaft zusammen, teilte ihr den Inhalt des Briefes mit und erklärte, zwar hätten die Schreiber eine solche Großmut von ihm nicht verdient, trotzdem aber wolle er sie doch nicht mehr Gefahren aussetzen, als sie selbst es wollten; er sei geneigt, ihnen Munition zu schicken, und da sie nur um ein Faß Pulver gebeten hätten, werde er ihnen zwei schicken und entsprechend Kugeln oder Blei und Gießformen, damit sie daraus Kugeln herstellen konnten. Und um ihnen zu zeigen, daß er ihnen gegenüber großmütiger war, als sie verdienten, befahl er, auch ein Faß Arrak und einen großen Sack Brot zu ihnen hinüberzuschaffen, damit sie versorgt wären, bis sie sich selbst zu etwas verhelfen könnten.
Die auf dem Schiff gebliebenen Leute zollten der Großmut des Kapitäns Beifall, und jeder von ihnen sandte uns irgend etwas.