Wir zahlen unsern Bundesbeitrag selber.»

  «Für die Bonzen! Für die gelben Bonzen! Na, Emma, da hast du dir ja den richtigen ausgesucht. Einen DAG-Mann! Einen richtigen Dackel!»

  Pinneberg sieht hilfesuchend zu Lämmchen, aber Lämmchen sieht nicht her. Vielleicht ist sie es gewohnt, aber wenn sie es gewohnt ist, für ihn ist es doch schlimm.

  «Angestellter, wenn ich so was höre», sagt Mörschel. «Ihr denkt, ihr seid was Besseres als wir Arbeiter.»

  «Denk ich nicht.»

  «Denken Sie doch. Und warum denken Sie das? Weil Sie Ihrem Arbeitgeber nicht ’ne Woche den Lohn stunden, sondern den ganzen Monat. Weil Sie unbezahlte Überstunden machen, weil Sie sich unter Tarif bezahlen lassen, weil Sie nie ’nen Streik machen, weil Sie immer die Streikbrecher sind …»

  «Es geht doch nicht nur ums Geld», sagt Pinneberg. «Wir denken doch auch anders als die meisten Arbeiter, wir haben doch andere Bedürfnisse …»

  «Anders denken», sagt Mörschel, «anders denken – Sie denken genau so wie ein Prolet …»

  «Das glaub ich nicht», sagt Pinneberg, «ich zum Beispiel …»

  «Sie zum Beispiel», sagt Mörschel und kneif die Augen ganz gemein ein und feixt. «Sie zum Beispiel haben sich doch Vorschuss genommen?»

  «Wieso?» fragte Pinneberg verwirrt. «Vorschuss?»

  «Na ja, Vorschuss», grinst der andere noch mehr. «Vorschuss da, bei der Emma. Nicht sehr fein, Herr. Mächtig proletarische Angewohnheit …»

  «Ich …», fängt Pinneberg an und ist sehr rot und hat Lust, die Türen zu donnern und zu brüllen: Oh, so rutscht mir doch alle …!

  Aber Frau Mörschel sagt scharf: «Ruhig bist du jetzt, Vater, mit deinem Flaxen! Das ist erledigt. Das geht dich gar nichts an.»

  «Da kommt der Karl», ruf Lämmchen, denn draußen klappte eine Tür.

  «Also her mit dem Essen, Frau», sagt Mörschel. «Und recht habe ich doch, Schwiegersohn, fragen Sie mal Ihren Pastor, unfein ist das …»

  Ein junger Mensch kommt herein, aber jung ist nur eine Altersbezeichnung, er sieht völlig unjung aus, noch gelber, noch galliger als der Alte. Er knurrt: «’n Abend», nimmt von dem Gast keinerlei Notiz und zieht Jacke und Weste aus, dann das Hemd. Pinneberg sieht es mit steigender Verwunderung.

  «Überstunden gemacht?» fragt der Alte.

  Karl Mörschel knurrt nur etwas.

  «Lass doch jetzt die Scheuerei, Karl», sagt Frau Mörschel, «komm essen.»

  Aber Karl lässt schon das Wasser am Ausguss laufen und fängt an, sich sehr intensiv zu waschen. Bis zu den Hüfen ist er nackt, Pinneberg geniert sich etwas, Lämmchens wegen. Aber die scheint nichts dabei zu finden, es ist ihr wohl selbstverständlich. Pinneberg ist vieles nicht selbstverständlich. Die hässlichen Steingutteller mit den schwärzlichen Anschlagstellen, die halb kalten Kartoffelpuffer, die nach Zwiebeln schmecken, die saure Gurke, das laue Flaschenbier, das nur für die Männer dasteht, dazu diese trostlose Küche, der waschende Karl …

  Karl setzt sich an den Tisch, sagt brummig: «Nanu, Bier …»

  «Das ist der Bräutigam von Emma», erklärt Frau Mörschel, «sie wollen bald heiraten.»

  «Hat sie doch einen abgekriegt», sagt Karl. «Na ja, einen Bourgeois. Ein Prolet ist ihr nicht fein genug.»

  «Siehst du», sagt Vater Mörschel, sehr befriedigt.

  «Du, zahl man lieber dein Kostgeld, eh du hier den Mund aufreißt», erklärt Mutter Mörschel.

  «Was heißt siehst du», sagt Karl gallig zu seinem Vater: «Ein richtiger Bourgeois ist mir noch immer lieber als ihr Sozialfaschisten.»

  «Sozialfaschisten», antwortet der Alte böse. «Wer wohl Faschist ist, du Sowjetjünger!»

  «Na klar», sagt Karl, «ihr Panzerkreuzerhelden …»

  Pinneberg hört mit einer gewissen Befriedigung zu. Was der Alte zu ihm gesagt hatte, bekam er jetzt vom Sohn mit Zinsen. Nur die Kartoffelpuffer gewannen nicht sehr dadurch, es war kein nettes Mittagessen, er hatte sich seine Verlobungsfeier anders gedacht.



Geschwätz in der Nacht von Liebe und Geld


Pinneberg hatte seinen Zug sausen lassen, er kann auch morgens um vier fahren. Dann ist er immer noch rechtzeitig im Geschäf.

  Die beiden sitzen in der dunklen Küche. Drinnen in der einen Stube schläf Herr, in der andern Frau Mörschel. Karl ist in eine KPD-Versammlung gegangen.

  Sie haben zwei Küchenstühle nebeneinander gezogen und sitzen mit dem Rücken nach dem erkalteten Herd. Die Tür zu dem kleinen Küchenbalkon steht offen, der Wind bewegt leise den Schal über der Tür.