«Ich küsse sie ja. Ich küsse ja deine Hände, Lämmchen.»
Es klopf mit sehr hartem Knöchel gegen die Tür. «Rüberkommen! Vater ist da!»
«Gleich», sagt Lämmchen und löst sich aus seinem Arm.
«Schnell uns ein bisschen zurechtmachen. Vater flaxt ewig.»
«Wie ist er denn, dein Vater?»
«Gott, du wirst ja gleich sehen. Ist ja auch egal. Du heiratest mich, mich, mich, ohne Vater und Mutter.»
«Aber mit dem Murkel.»
«Mit dem Murkel, ja. Nette unvernünfige Eltern bekommt er. Nicht eine Viertelstunde können sie vernünfig sitzen …»
Am Küchentisch sitzt ein langer Mann in grauen Hosen, grauer Weste und einem weißen Trikothemd, ohne Jacke, ohne Kragen. An den Füßen hat er Pantoffeln. Ein gelbes, faltiges Gesicht, kleine scharfe Augen hinter einem hängenden Zwicker, ein grauer Schnurrbart, ein fast weißer Kinnbart.
Der Mann liest die «Volksstimme», aber nun, da Pinneberg und Emma hereinkommen, lässt er das Blatt sinken und betrachtet den jungen Mann.
«Sie sind also der Jüngling, der meine Tochter heiraten will? Sehr erfreut, setzen Sie sich hin. Übrigens werden Sie es sich noch überlegen.»
«Was?» fragt Pinneberg.
Lämmchen hat sich auch eine Schürze umgebunden und hilf der Mutter. Frau Mörschel sagt ärgerlich: «Wo der Bengel nun wieder bleibt. Die ganzen Puffer werden zäh.»
«Überstunden», sagt Herr Mörschel lakonisch. Und zu Pinneberg zwinkernd: «Sie machen auch manchmal Überstunden, nicht wahr?»
«Ja», sagt Pinneberg. «Ziemlich of.»
«Aber ohne Bezahlung?»
«Leider. Der Chef sagt …»
Herrn Mörschel interessiert nicht, was der Chef sagt. «Sehen Sie, darum wäre mir ein Arbeiter für meine Tochter lieber: wenn mein Karl Überstunden macht, kriegt er sie bezahlt.»
«Herr Kleinholz sagt …» beginnt Pinneberg von neuem.
«Was die Arbeitgeber sagen, junger Mann», erklärt Herr Mörschel, «das wissen wir lange. Das interessiert uns nicht. Was sie tun, das interessiert uns. Es gibt doch ’nen Tarifvertrag bei euch, was?»
«Ich glaube», sagt Pinneberg.
«Glaube ist Religionssache, damit hat’n Arbeiter nischt zu tun. Bestimmt gibt es ihn. Und da steht drin, dass Überstunden bezahlt werden müssen. Warum krieg ich ’nen Schwiegersohn, dem sie nicht bezahlt werden?»
Pinneberg zuckt die Schultern.
«Weil ihr nicht organisiert seid, ihr Angestellten», erklärt ihm den Fall Herr Mörschel. «Weil kein Zusammenhang ist bei euch, keine Solidarität. Darum machen sie mit euch, was sie wollen.»
«Ich bin organisiert», sagt Pinneberg mürrisch. «Ich bin in ’ner Gewerkschaf.»
«Emma! Mutter! Unser junger Mann ist in ’ner Gewerkschaf? Wer hätte das gedacht! So schnieke und Gewerkschaf!» Der lange Mörschel hat den Kopf ganz auf die Seite gelegt und besieht seinen künfigen Schwiegersohn mit eingekniffenen Augen. «Und wie nennt sich Ihre Gewerkschaf, mein Junge? Nur raus damit!»
«Deutsche Angestellten-Gewerkschaf», sagt Pinneberg und ärgert sich immer mehr.
Der lange Mann krümmt sich völlig zusammen, so stark überkommt es ihn. «Die DAG! Mutter, Emma, haltet mich fest, unser Jüngling ist ein Dackel, das nennt er ’ne Gewerkschaf! Ein gelber Verband, zwischen zwei Stühlen. 0 Gott, Kinder, so ein Witz …»
«Na, erlauben Sie mal», sagt Pinneberg wütend. «Wir sind kein gelber Verband! Wir werden nicht von den Arbeitgebern finanziert.
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