«Müsste ihn kennen.»
«Kennst du denn alle bei euch?»
«Was so in Frage kommt, natürlich. Wo ich früher bei Bergmann Herren- und Damenkonfektion verkauf habe. Da kennt man alles.»
«Warum hast du denn das aufgegeben? Das ist doch eigentlich deine Branche.» «Hab mich verkracht mit dem Chef», sagt Pinneberg kurz.
Lämmchen möchte weiter fragen, sie spürt, hier ist noch ein Abgrund, aber lieber lässt sie es. Alles hat Zeit, jetzt, wo sie richtig standesamtlich getraut sind.
Er hat scheinbar auch gerade daran gedacht: «Deine Mutter sitzt nun längst wieder zu Hause», sagt er.
«Ja», sagt sie. «Mutter ist böse, deswegen ist sie auch nicht mit zur Bahn gegangen, ’ne Hundehochzeit ist das, hat sie gesagt, wie wir weggegangen sind vom Standesamt.»
«Soll ihr Geld sparen. So ’ne Festfresserei, wo alle nur dreckige Witze reißen, ist mir grässlich.»
«Natürlich», sagt Lämmchen. «Mutter hätte es nur Spaß gemacht.»
«Haben nicht geheiratet, damit Mutter Spaß hat», sagt er kurz angebunden.
Pause.
«Du», fängt Lämmchen wieder an, «ich bin so schrecklich gespannt auf die Wohnung.»
«Na ja, hoffentlich gefällt sie dir. Viel Auswahl ist nicht in Ducherow.»
«Also, Hannes, beschreib sie mir noch mal.»
«Schön», sagt er und erzählt, was er schon öfer erzählt hat.
«Dass sie ganz draußen liegt, hab ich schon gesagt. Ganz im Grünen.»
«Das finde ich grade so fein.»
«Aber es ist ein richtiger Mietskasten. Maurermeister Mothes hat ihn da draußen hingesetzt, hat gedacht, da kommen noch mehr. Aber keiner kommt und baut da.»
«Warum nicht?»
«Weiß ich nicht. Ist den Leuten zu einsam, zwanzig Minuten von der Stadt. Kein gepflasterter Weg.»
«Also die Wohnung», erinnert sie ihn.
«Ja, also, wir wohnen ganz oben, bei der Witwe Scharrenhöfer.»
«Wie ist sie denn?»
«Gott, was soll ich sagen. Sie tat ja sehr fein, sie hat auch mal bessere Tage gesehen, aber die Inflation … Na, sie hat mir tüchtig was vorgeweint.»
«O Gott!»
«Sie wird ja nicht immer weinen. Und überhaupt, das ist ausgemacht, nicht wahr, wir sind schrecklich reserviert! Wir wollen keinen Verkehr mit anderen Leuten haben. Wir sind für uns genug.»
«Natürlich. Aber wenn sie aufdringlich ist?»
«Glaub ich nicht. Ist ’ne richtige feine alte Dame mit ganz weißen Haaren. Und sie hat schreckliche Angst um ihre Sachen, es sind doch noch die guten Sachen von ihrer Mutter selig, und wir sollen uns immer langsam auf das Sofa setzen, weil das noch die gute alte Federung hat, die verträgt keine plötzliche Belastung.»
«Wenn ich da man nur immer dran denke», sagt Lämmchen bedenklich. «Wenn ich mich freue oder wenn ich schrecklich traurig bin und rasch mal heulen möchte, und ich setz mich hin, dann kann ich doch nicht an die gute alte Federung denken.»
«Musst du», sagt Pinneberg streng. «Musst du eben. Und die Uhr unter dem Glassturz auf dem Vertiko, die sollst du nicht aufziehen und ich auch nicht, das kann sie allein.»
«Soll sie sich ihre olle eklige Uhr rausholen. Ich will in meiner Wohnung keine Uhr, die ich nicht auf ziehen darf.»
«Es wird schon alles nicht so schlimm werden. Schließlich sagen wir, das Schlagen stört uns.»
«Aber gleich heute Abend! Ich weiß ja nicht, solch vornehme Uhren, vielleicht müssen die nachts aufgezogen werden. – Also, sag endlich, wie ist es: man kommt die Treppe rauf und da ist die Flurtür. Und dann …»
«Dann kommt der Vorplatz, den haben wir gemeinsam. Und links gleich die erste Tür, das ist unsere Küche. Das heißt, ’ne ganz richtige Küche ist es nicht, früher ist es wohl nur so ’ne Dachkammer gewesen unter dem schrägen Dach, aber ein Gaskocher ist da …»
«Mit zwei Flammen», ergänzt Lämmchen traurig. «Wie ich das machen soll, ist mir noch schleierhaf. Auf zwei Flammen kann doch kein Mensch Essen kochen.
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