Sie machte sich von Pinneberg los und setzte sich sachte auf eine Treppenstufe. Plötzlich waren ihre Beine weg. Nun saß sie da und sah zu ihrem Jungen hoch. «O Gott!» sagte sie. «Junge, wenn du das tätest!»

  Ihre Augen wurden ganz hell. Es waren dunkelblaue Augen mit einer Schattierung ins Grünliche; jetzt strömten sie geradezu über von strahlendem Licht.

  Wie wenn alle Weihnachtsbäume ihres Lebens auf einmal in ihr brennten, dachte Pinneberg und wurde ganz verlegen vor Rührung.

  «Also, geht in Ordnung, Lämmchen», sagte er. «Machen wir. Und möglichst bald, was?»

  «Junge, du brauchst es aber nicht. Ich komme auch so zurecht. Nur, da hast du recht, besser ist es schon, wenn der Murkel einen Vater hat.»

  «Der Murkel», sagte Johannes Pinneberg. «Richtig, der Murkel.»

  Es war einen Augenblick still. Er kämpfe mit sich, ob er Lämmchen nicht sagen sollte, dass er bei seinem Heiratsantrag gar nicht an diesen Murkel gedacht hatte, sondern nur daran, dass es sehr gemein war, an diesem Sommerabend drei Stunden auf sein Mädchen in der Straße zu warten. Aber er sagte es nicht. Statt dessen bat er: «Steh doch auf, Lämmchen. Die Treppe ist sicher ganz dreckig. Dein guter weißer Rock …»

  «Lass den Rock, lass ihn sausen! Was kümmern uns alle Röcke von der Welt. Bin ich glücklich! Hannes! Junge!» Nun war sie wirklich auf ihren Beinen und fiel ihm wieder um den Hals. Und das Haus war gütig: von den zwanzig Parteien, die über diese Treppe aus- und eingingen, kam nicht eine, nachmittags nach fünfe in der Laufzeit, wo die Ernährer nach Haus kommen und alle Hausfrauen schnell noch eine vergessene Zutat fürs Essen holen. Keiner kam.

  Bis Pinneberg sich frei machte und sagte: «Aber das können wir doch sicher auch oben – als Brautpaar. Gehen wir rauf.»

  Lämmchen fragte bedenklich: «Gleich willst du mit? Ist es nicht besser, ich bereite Vater und Mutter vor, wo sie doch gar nichts von dir wissen?»

  «Was doch sein muss, tut man am besten gleich», erklärte Pinneberg und wollte noch immer nicht auf die Straße. «Übrigens werden sie sich doch bestimmt freuen?»

  «Na ja», meinte Lämmchen nachdenklich. «Mutter sehr. Vater, weißt du, da darfst du dich nicht dran stoßen. Vater flaxt gerne, der meint das nicht so.»

  «Ich werd’s schon richtig verstehen», sagte Pinneberg.

  Lämmchen schloss die Tür auf: ein kleiner Vorplatz. Hinter einer angelehnten Tür klang eine Stimme: «Emma! Komm gleich mal her!»

  «Einen Augenblick, Mutter», rief Emma Mörschel. «Ich zieh nur meine Schuh aus.»

  Sie nahm Pinneberg bei der Hand und führte ihn auf Zehenspitzen in ein kleines Hofzimmer, wo zwei Betten standen.

  «Leg deine Sachen dahin. Ja, das ist mein Bett, da schlaf ich drin. Im andern Bett schläf Mutter. Vater und Karl schlafen drüben in der Kammer. Nun komm.