Unser Herzog,
Mein werter Fürst und Schutzherr, kommt zu Nacht;
Kraft seiner Vollmacht künd' ich's aller Welt,
Daß, wer ihn findet, unsern Dank verdient,
Bringt er den feigen Meuchler zum Gericht:
Wer ihn verbirgt, den Tod.
EDMUND.
Als ich ihm sein Beginnen widerriet
Und fand ihn so erpicht, – da droht' ich grimmig,
Ihn anzugeben; er erwiderte:
»Du güterloser Bastard! Kannst du wähnen,
Ständ' ich dir gegenüber, daß der Glaube
An irgend Wahrheit, Wert und Treu' in dir
Dir Zutraun schaffte? Nein, straft' ich dich Lügen –
Und dieses tät' ich, ja, und zeigt'st du auf
Die eigne Handschrift – alles stellt' ich dar
Als deine Bosheit, Arglist, schnöden Trug.
Du mußt 'nen Dummkopf machen aus der Welt,
Soll sie den Vorteil meines Todes nicht
Als starken, höchst gewicht'gen Trieb erkennen,
Ihn anzustiften.«
GLOSTER.
O verstockter Bube!
Die Handschrift leugnen? Hat er das gesagt?
Man hört Trompeten.
Der Herzog! – Was ihn herführt, weiß ich nicht. –
Die Häfen sperr' ich all', er soll nicht fliehn.
Mein Fürst muß mir's gewähren; auch sein Bildnis
Versend' ich nah und fern; das ganze Reich
Soll Kenntnis von ihm haben; und mein Land,
Du guter, würd'ger Sohn, ich wirk' es aus,
Daß du's besitzen darfst.
Cornwall und Regan treten mit Gefolge auf.
CORNWALL.
Wie geht's, mein edler Freund? Seit ich hierher kam –
Was kaum geschehn –, vernahm ich arge Dinge.
REGAN.
Und sind sie wahr, genügt wohl keine Strafe
So großer Missetat. Wie geht's Euch, Graf? –
GLOSTER.
Zerrissen ist mein altes Herz, zerrissen!
REGAN.
Was? Meines Vaters Pate sucht Eu'r Leben?
Er, den mein Vater hat benannt? Eu'r Edgar?
GLOSTER.
O Fürstin! Fürstin! Scham verschwieg' es gern.
REGAN.
Hatt' er nicht Umgang mit den wüsten Rittern
In meines Vaters Dienst?
GLOSTER.
Ich weiß nicht, Lady. –
Es ist zu schlimm, zu schlimm!
EDMUND.
Ja, gnäd'ge Frau, er hielt mit jenem Schwarm.
REGAN.
Kein Wunder denn, daß er auf Bosheit sann!
Sie trieben ihn zum Mord des alten Mannes,
Um seine Renten schwelgend zu verprassen.
Erst diesen Abend hat mir meine Schwester
Sie recht geschildert, und mit solcher Warnung,
Daß, wenn sie kommen, um bei mir zu wohnen,
Ich nicht daheim sein will.
CORNWALL.
Auch ich nicht, Regan.
Edmund, ich hört', Ihr habt dem Vater Euch
Bewährt als treuer Sohn.
EDMUND.
Ich tat nach Pflicht.
GLOSTER.
Er deckte seine List auf und erhielt
Die Wunde hier, als er ihn greifen wollte.
CORNWALL.
Setzt man ihm nach?
GLOSTER.
Ja, gnäd'ger Herr.
CORNWALL.
Wird er ergriffen, soll sich niemand ferner
Vor seiner Bosheit scheun: all meine Macht
Steht Euch zu Dienst nach eigner Wahl, Ihr, Edmund,
Des Tugend und Gehorsam eben jetzt
Sich so bewährt, Ihr sollt der Unsre sein:
Gemüter solcher Treue tun uns not,
So zähl' ich denn auf Euch.
EDMUND.
Ich dien' Euch treu,
Worin's auch sein mag.
GLOSTER.
Dank für ihn, mein Fürst.
CORNWALL.
Ihr wißt nicht, was uns hergeführt zu Euch –
REGAN.
So außer Zeit, in Finsternis der Nacht!
Der Anlaß, edler Gloster, hat Gewicht;
Und Eures Rates sind wir sehr bedürftig.
Mein Vater schreibt uns, und die Schwester auch,
Von Zwistigkeiten, die ich besser hielt
Zu schlichten außerm Hause. Beide Boten
Erwarten hier Bescheid. Ihr, alter Freund,
Beruhigt Eu'r Gemüt und steht uns bei
Mit höchst erwünschtem Rat in dieser Sache,
Die dringend Eile heischt!
GLOSTER.
Ich dien' Euch gern:
Eu'r Gnaden sind von Herzen mir willkommen.
Sie gehn ab.
Zweite Szene.
Ebendaselbst.
Es treten auf Kent und der Haushofmeister von verschiedenen Seiten.
HAUSHOFMEISTER. Guten Morgen, mein Freund: bist du hier vom Hause?
KENT. Ja.
HAUSHOFMEISTER. Wo können wir die Pferde unterbringen?
KENT. Im Dreck.
HAUSHOFMEISTER. Ich bitte dich, sag mir's, wenn du mich lieb hast.
KENT. Ich habe dich nicht lieb.
HAUSHOFMEISTER. Nun, so frage ich nichts nach dir.
KENT. Hätt' ich dich in Lipsburys Pferch, so solltest du schon nach mir fragen.
HAUSHOFMEISTER. Warum behandelst du mich so? Ich kenne dich nicht.
KENT. Kerl, ich kenne dich.
HAUSHOFMEISTER. Wer bin ich denn?
KENT. Ein Schurke bist du, ein Halunke, ein Tellerlecker; ein niederträcht'ger, eitler, hohler, bettelhafter, dreiröckiger, hundertpfündiger, schmutziger, grobstrümpfiger Schurke; ein milchlebriger, Ohrfeigen einsteckender Schurke; ein lüderlicher, spiegelgaffender, überdienstfertiger geschniegelter Taugenichts; einer, der aus lauter Diensteifer ein Kuppler sein möchte, und nichts ist, als ein Gemisch von Schelm, Bettler, Lump, Kuppler und der Sohn und Erbe einer Bastardpetze; einer, den ich in Greinen und Winseln hineinprügeln will, wenn du die kleinste Silbe von diesen deinen Ehrentiteln ableugnest.
HAUSHOFMEISTER. Was für ein Unmensch bist du, Kerl, so auf einen zu schimpfen, den du nicht kennst und der dich nicht kennt? –
KENT. Was hast du für eine eiserne Stirn, du Schuft, mir's abzuleugnen, daß du mich kennst? Sind's doch kaum zwei Tage, seit ich dir ein Bein stellte und dich vor dem König prügelte? Zieh', du Schuft, denn obgleich es Nacht ist, scheint der Mond; ich will eine Mondscheinstunke aus dir machen. Zieh', du niederträcht'ger, infamer Kam'rad von Barbiergesellen, zieh'! Er zieht den Degen.
HAUSHOFMEISTER. Fort! Ich habe nichts mit dir zu schaffen.
KENT. Zieh', Hundsfott! Du kommst mit Briefen gegen den König und nimmst der Drahtpuppe Eitelkeit Partei gegen die Majestät ihres Vaters. Zieh', Schuft! oder ich will dir deine Schenkel so zu Mus zerhacken – zieh', Racker! Stell' dich! –
HAUSHOFMEISTER.
Hülfe! He, Mord, Hülfe! –
KENT. Wehr' dich, Bestie; steh, Schuft, steh; du geputzter Lumpenkerl, wehr' dich! Er schlägt ihn.
HAUSHOFMEISTER. Hülfe! Ho, Mord, Mord! –
Edmund, Cornwall, Regan, Gloster und Gefolge treten auf.
EDMUND.
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